ÜBERWACHUNG

Die Medienwächter halten nach digitalen Problembären Ausschau. © Oliver Kepka

Staat nimmt Online-Medien ins Visier

Rainer Stadler /  In Deutschland geraten digitale Medien unter staatliche Beobachtung. Es geht um Verstösse gegen journalistische Regeln.

Dieser Tage haben die Medienanstalten mehrerer deutscher Bundesländer Briefe an 13 Online-Medien verschickt. Es handelt sich um sogenannte Hinweisschreiben. Darin geht es um Verstösse gegen journalistische Grundsätze. Im Visier der staatlichen Wächter sind unter anderen «KenFM», der «Deutschland-Kurier» sowie «Flinkfeed» – die beiden letztgenannten Organe stehen der AfD nahe. Dies meldete der «Deutschland-Funk» am Dienstag. Die Medienanstalten wollten dem Sender nicht bekanntgeben, an wen sie die Briefe verschickt haben.

Tobias Schmid, der Chef der Medienaufsicht in Nordrhein-Westfalen, lässt sich aber so zitieren: Man achte die Meinungsfreiheit, doch man schaue «schwerpunktmässig, ob es sozusagen handwerkliche Fehler gibt, Quellen nicht klar gekennzeichnet sind, ob Zitate nicht als solche gekennzeichnet sind, ob Recherchepflichten nicht erfüllt worden sind und ob dadurch möglicherweise ein Eindruck erzeugt wird, der in der öffentlichen Meinung manipulativ sein kann, ob absichtlich oder versehentlich».

Beachtung der Sorgfaltspflichten

Bis vor kurzem waren die Medienanstalten nur für die privaten Radio- und Fernsehsender zuständig. Doch Ende 2020 wurde der Medienstaatsvertrag erneuert. Seit dem 7. November dürfen die Wächter nun auch Youtuber, Blogger und Influencer darauf hin kontrollieren, ob sie die journalistischen Sorgfaltspflichten beachten. In einem Meinungsbeitrag für die «FAZ» schrieb am Dienstag Anja Zimmer, Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB), dies: «Zum Journalismus gehört eben auch die sorgfältige Recherche und Quellenauswahl, die Einholung von Stellungnahmen und Vorsicht bei der Verdachtsberichterstattung. Das darf man jedem zumuten, der regelmässig Nachrichten oder politische Informationen veröffentlicht. Das ist das, was Nutzerinnen und Nutzer von einem journalistischen Angebot erwarten und auch erwarten dürfen.»

Hinsichtlich der Relevanz dieser journalistischen Grundsätze kann man der Direktorin nicht widersprechen. Dass indessen eine staatliche Stelle überprüft, ob ein Anbieter richtig zitiert, die Quellen ausweist und die Recherchepflichten erfüllt, ist bemerkenswert und zeigt, dass der Staat seinen Handlungsraum angesichts der Digitalisierung über die Radio- und Fernsehsender hinaus ausweitet. Mit den nun publik gewordenen Fällen wird das medienpolitisch heikle Thema konkret.

Kontrolle der Selbstkontrolle

Für die Presse galt bisher das Prinzip der Selbstregulierung, gemäss den Richtlinien des Presserats, welche die einschlägigen Handwerksregeln der Presseerzeugnisse reflektieren. Darüber hinaus gelten die rechtlichen Normen, insbesondere das Persönlichkeitsrecht. Dafür braucht es jedoch einen Kläger. Auch der Presserat reagiert in der Regel nur dann, wenn Beschwerden eingehen. Die Landesmedienanstalten sind hingegen befugt, von sich aus tätig zu werden und etwa die Entfernung eines Inhalts zu verlangen. Selbst bei der freiwilligen Selbstkontrolle können sie eingreifen. Beispielsweise dann, wenn diese ihren Aufgaben und Pflichten nicht nachkommt. Dann kann die zuständige Landesmedienanstalt die Erfüllung dieser Pflicht verlangen. Oder sie darf eingreifen, wenn ein Organ der Selbstkontrolle «die Grenzen des Beurteilungsspielraums» überschreitet.

Live-Bericht verboten

Auch die folgende Nachricht passt ins Muster eines kontrollwütigen Staats: Die ARD wollte eine Medienorientierung über eine neue Corona-Studie live übertragen. Zur Veranstaltung – eine Videokonferenz – eingeladen hatten das Robert-Koch-Institut und das Bezirksamt Berlin-Mitte. Doch das Bezirksamt verbot die Live-Berichterstattung. Laut der ARD begründete es das so:

«Nach unserer Auffassung wäre eine Einverständniserklärung aller Teilnehmenden erforderlich, die den Mitschnitt und die anschließende Veröffentlichung einiger Passagen gutheißen müssten, würde man Ihnen hier die Erlaubnis zum Mitschneiden und Veröffentlichen erteilen wollen. Dies ist nicht mehr zu bewerkstelligen. Hinzu kämen offene Fragen des Datenschutzes sowie womöglich auch des Urheberrechts, die das RKI als Urheberin der präsentierten Studiendaten primär prüfen und beantworten müsste.»

Die ARD hatte verschiedentlich live über Anlässe des Robert-Koch-Insituts informiert. Der Deutsche Journalistenverband DVJ sagte auf Anfrage der ARD das: «Es gibt keinen einzigen nachvollziehbaren Grund, die Pressekonferenz nicht im Livestream zu übertragen. Datenschutz und Schutz der Privatsphäre sind jedenfalls bei einer Pressekonferenz keine Hinderungsgründe. Das Bezirksamt Mitte sollte seine Blockadehaltung aufgeben. Die Behörde macht sich lächerlich.»


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7 Meinungen

  • am 18.02.2021 um 11:13 Uhr
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    Wie die Wirtschaftsjuristin Fischer im letzten Video des Corona-Ausschuss.de ausgeführt hat, müssen sich dann auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten gefallen lassen, am selben Massstab wie die von ihnen geschmähten Internetseiten gemessen zu werden. Das dürfte den Juristen viel Arbeit bescheren und interessant werden. Die Frage ist nur, ob die Rechtssprechung noch einigermassen eigenständig funktioniert. Nach dem Debakel der Arena-Sendung mit Daniele Ganser zweifle ich daran.

  • billo
    am 18.02.2021 um 12:31 Uhr
    Permalink

    Die Behörden machen sich nicht lächerlich, das ist ja genau das Problem: Sie installieren im Gegenteil eine Gewichtigkeit, die ihnen in einem gewaltenteiligen Rechtsstaat nie und nimmer zukommen darf!

  • am 18.02.2021 um 16:23 Uhr
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    Wäre spannend zu wissen, ob der SPIEGEL diesen Brief auch erhalten hat. Immerhin würden die journalistischen Abszesse eines Stefan Rahmstorf alle Interventionskriterien erfüllen. Plus Hetze.

  • am 18.02.2021 um 18:21 Uhr
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    Ein weiterer Versuch die «vierte Gewalt» zu eliminieren.

    Seit Corona läuft in den Medien nichts mehr so wie es sein sollte 🙁

  • am 18.02.2021 um 18:39 Uhr
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    Immer ungenierter eifern die Regierenden in Europa dem Beispiel Chinas nach. Es muss einem Angst und Bange werden.

  • am 19.02.2021 um 09:47 Uhr
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    Ich kenne nur eine der aufgezählten Medien. Ich benutze manchmal einfach den Medien-Navigator von Pressenza, da finde ich die verschiedenen Medien, und sie sind recht klar rasterisiert. Ob man sich nun eher konservativ oder progressiv/ NATO-konform oder NATO-avers «informiert»,erkennt man bald.
    Hetze gegen irgendwas kommt überall vor, vorgefertigte denkmuster, die Schriftlich veröffentlicht werden. Medien sind «Meinungsbildner». je Detaillierter desto plausibler. Ob Milliardär auf Pump, oder Sozialhilfeempfänger. Schlussendlich dreht sich doch alles nur um Geld und Macht. Genutzt für Suppression, Suggestion, und Subversion. Um eigene/persönliche Ziele zu erreichen. ob Parteinah, oder Privat, spielt dabei doch kaum noch eine rolle.
    Mit den «Dividendenauszahlung von EMS in etwa der höhe der 3700 Löhnen, die nicht mehr bezahlt werden müssen» verdient man auch mehr click-coins, als mit der «Katze im Baum, gerettet von Feuerwehr» und ich meine damit Werbeeinnahmen.
    Diesbezüglich bin ich Infosperber sehr dankbar, dass er nicht alle drei Zeilen etwas einblenden muss.,das Ablenken soll. 70% Werbefläche, 15% Artikel, und nochmals 15% für Meinungen wie «likes» und «dislikes» dazu sind heute nicht mehr selten.
    Schade.

  • am 19.02.2021 um 17:39 Uhr
    Permalink

    Danke für den Bericht. Vertrauen ist gut, Kontrolle leider notwendig. Nur stellt sich die Frage, wer denn da Kontrolliert. Die Medien welche als Mainstream-Medien bezeichnet werden, haben offenbar nicht die Aufgabe, das System zu beobachten und mittels Kritik auch konstruktive Verbesserungsvorschläge zu transportieren. Sondern sie haben offenbar den Auftrag, das bestehende System zu stützen, und durch Information zu beruhigen, zu steuern, und zu informieren. Da wir in einem demokratisch sozial kapitalistischen System leben, und die Schweiz gebunden ist an Verträge mit ebensolchen Partnern, so sind die grossen Medienhäuser ebenfalls in gewissen Bereichen gebunden. Dadurch entsteht ein Vakuum, und dafür gibt es Medien wie den Infosperber. Wir brauchen ein System, aber Systeme machen Fehler. Wenn ein System nicht mehr in der Lage ist, seine Strukturen und Werte selber zu hinterfragen, wird es sich nicht mehr weiter entwickeln. Dann kommen andere Medien und füllen dieses Vakuum aus, und dies nicht mit der Qualität wie diese hier anzutreffen ist. Da wird mit Angst, Halbwahrheiten und mit faustdicken Lügen gearbeitet, um Leser anzulocken, damit mit Werbeeinnahmen Kapital erwirtschaftet werden kann. Da geht es nur um eines: Einschaltquoten und Gewinn. Wie sich dies auswirkt auf die Bevölkerung, ist diesen gleichgültig. Es braucht eine vollständig unabhängige, nicht korrumpierbare Kontrollinstanz im folgenden Sinne: Die Wahrheit, und nichts anderes als die Wahrheit.

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