Patrik Baab Universtiät Kiel Gerichtsentscheid

Die Unterstützer von Patrik Baab haben vor dem Verwaltungsgericht ein Schild montiert. © Helge Buttkereit

Patrik Baab gewinnt gegen die Universität Kiel

Helge Buttkereit /  Die Uni Kiel durfte Patrik Baab letztes Jahr nicht den Lehrauftrag entziehen. Dies hat ein Gericht in Schleswig entschieden.

Die Klage des Journalisten Patrik Baab gegen den Widerruf seines Lehrauftrags durch die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat Erfolg. Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht in Schleswig hat am heutigen Dienstag (25. April) entschieden, dass die Voraussetzungen für den Widerruf des Lehrauftrags für das Wintersemester 2022/23 aus einem wichtigen Grund nicht vorgelegen hätten. Dies schreibt das Gericht in einer Mitteilung. Insbesondere seien die Hintergründe des Besuchs von Baab in der Ukraine vor der Entscheidung über die Beendigung der Zusammenarbeit nicht vollumfänglich aufgeklärt worden. Zudem sei das Verfahren beim Widerruf des Lehrauftrags verkürzt worden.

In der mündlichen Verhandlung am heutigen Vormittag sprach der Vorsitzende Richter Malte Sievers von einem sehr schnellen Verfahren, nach dem die CAU von Baabs Aufenthalt in der Ukraine durch Medienberichte erfahren hatte. Die Bewertung einer hysterischen Reaktion der Uni, von der Baabs Anwalt Markus Kompa gesprochen hatte, wollte sich der Richter nicht zu eigen machen. Der Begriff sei nicht wertungsfrei, sagte Sievers.

Auch in einem zweiten Verfahren hat sich Baab gegen die CAU durchgesetzt. Die Hochschule habe die Verbreitung einer Stellungnahme künftig zu unterlassen, in der sie sich von Baab und seiner Reise in die Ostukraine im September vergangenen Jahres distanziert, entschied das Gericht. In einer ersten Stellungnahme gegenüber unserer Redaktion zeigte sich Baab erfreut. «Das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat damit die Pressefreiheit gestärkt. Ich danke der Kammer für die souveräne Vorbereitung und die trennscharfe Durchführung der Verhandlung.» Sein Vertrauen in den Rechtsstaat sei gestärkt worden. Beide Entscheidungen des Verwaltungsgerichts sind noch nicht rechtskräftig, die CAU als Beklagte kann die Zulassung der Berufung beantragen. Der Anwalt der Universität, Fiete Kalscheuer, deutete diese Absicht bereits im Gerichtssaal an.

Denn bereits in der zweistündigen Verhandlung liessen Äusserungen des Vorsitzenden Richters den Schluss zu, dass die Kammer im Sinne Baabs entscheiden würde. Er habe am Verwaltungsgericht viele Asylverfahren erlebt, in denen er Menschen gegenüber sass, die wegen ihrer Meinung von der Universität entlassen worden seien, sagte Sievers. «Vielleicht sollten wir uns den Fall einmal anders herum vorstellen.» Der Richter konstruierte das Beispiel eines russischen Lehrbeauftragten, der in Moskau wegen einer Meinungsäusserung freigestellt worden wäre – und das sei vermutlich nur die niederschwelligste Massnahme in Russland. «Das würde unter dem Label einer politischen Verfolgung laufen», sagte Sievers.

Hintergrund für den Widerruf des Lehrauftrags durch die CAU war eine Recherchereise Baabs in die Ostukraine, die er nach eigenen Angaben für ein geplantes Buch unternahm. Sie fiel demnach zufälligerweise in die Zeit, in der in den von Russland besetzten Gebieten Referenden zum möglichen Anschluss an die Russische Föderation stattfanden. T-online.de berichtete Ende September 2022 als erstes Medium über Baabs Reise und nannte ihn in einer Reihe mit anderen «Wahlbeobachtern». Für seinen Text fragte der t-online.de-Redaktor Lars Wienand bei der Berliner Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft an, die sich umgehend von Baab abgrenzte. Die CAU zog kurz darauf nach: «Die CAU distanziert sich ausdrücklich von Herrn Baabs Reise und ihren Implikationen und wird keine Lehrveranstaltungen anbieten, die von Herrn Baab unterrichtet werden. Der Lehrauftrag wird gekündigt», heisst es in der Stellungnahme auf der Homepage der Kieler Universität vom 27. September 2022, deren weitere Verbreitung laut Verwaltungsgericht nun zu unterlassen ist.

Der Vorsitzende Richter Sievers wies in der mündlichen Verhandlung auf einen für ihn deutlichen Widerspruch in der Stellungnahme der Universität hin. «Herr Baab ist Journalist und hat seinen Lehrauftrag für seine Haltung bekommen, sich vor Ort einen Eindruck zu verschaffen.» Nun distanziere sich die CAU von der Reise, dabei könne man einem Journalisten eine Recherchereise nicht untersagen, sagte Sievers. In der Mitteilung des Gerichts wird allerdings auch darauf hingewiesen, dass Baab durch seine Äuserungen in der Ostukraine zum Eindruck beigetragen habe, er sei als «Wahlbeobachter» vor Ort gewesen.

In der mündlichen Verhandlung kamen zur Aufklärung dieses Tatbestands neben dem erwähnten Artikel von t-online.de noch zwei Videobeiträge von Alina Lipp sowie von RT DE zur Sprache, von denen jeweils Ausschnitte abgespielt wurden. Auf diese Beiträge hatte auch der Anwalt der CAU in seinen Stellungnahmen vor der Verhandlung hingewiesen. Baabs Anwalt Markus Kompa kommentierte: «Wie kann man sich auf Propagandamedien verlassen, wenn man jemandem Propaganda vorwirft?» Das sei doch eine Realsatire. Baab könne schliesslich nicht beeinflussen, wie die Medien vor Ort mit seinen Aussagen verfahren.

Dem widersprach der Anwalt der Universität, Fiete Kalscheuer. Patrik Baab sei ein Profi. Er wisse, was mit Aussagen vor einem Mikrofon passieren kann. Kalscheuer wies darauf hin, dass Baab über die Referenden von freien, geheimen und gleichen Wahlen gesprochen und nur einzelne Aspekte kritisiert habe. Er vertrat die Auffassung, dass die gesamten Referenden absurd waren. Von Baab als Lehrbeauftragter sei ein Bekenntnis zu den Grundprinzipien des Staates – also auch zum Völkerrecht – zu erwarten. Da er als Beobachter der Referenden in den besetzten Gebieten in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg aufgetreten sei, habe er dagegen verstoßen. Kalscheuer sagte aber auch: «Es geht nicht darum, das wie ich finde beeindruckende Lebenswerk des Klägers zu zerstören.» Baab wiederum sagt, dass er Russlands Vorgehen in der Ukraine stets als völkerrechtswidrig kritisiert und auch früher schon kritische Berichte über Putins Russland erstellt habe.

Die Folgen des Urteils, so es rechtskräftig oder von einer höheren Instanz bestätigt wird, sind noch nicht absehbar. Das Wintersemester 2022/23, für das Baab ursprünglich den Lehrauftrag erhalten hatte, ist beendet. Das Gericht hatte im Vorfeld der mündlichen Verhandlung eine öffentliche Veranstaltung mit Baab und Vertretern der Universität vorgeschlagen, um die Fragen noch einmal besser auszuleuchten, erläuterte Verwaltungsrichter Malte Sievers. Diesem Vergleichsvorschlag des Gerichts hatten beide Parteien nicht zugestimmt. Baabs zweiter Anwalt Volker Arndt machte während der Verhandlung deutlich, dass sein Mandant gerne im kommenden Wintersemester wieder unterrichten wolle. «Herrn Baab geht es um die jungen Menschen, ihnen möchte er die Lehrveranstaltung anbieten.»

Der Artikel erschien zuerst auf www.hintergrund.de.

Weiterführende Informationen:

Infosperber: «Ich wurde Ziel einer Denunzierungskampagne von T-Online»

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Eine Meinung zu

  • am 29.04.2023 um 22:00 Uhr
    Permalink

    Herr Baab wird wohl trotz des Urteils, das sehr zu begrüßen ist, an der Uni Kiel nicht mehr glücklich werden; wer will schon an einem Ort, an dem man nicht wohlgelitten und ständig in seiner Unabhängigkeit bedroht ist, noch tätig werden. Das ist aus meiner Sicht die eigentliche Tragödie für Leute wie Herrn Baab oder Frau Guerot. Sie mögen Urteile gewinnen und Entschädigungen erhalten – mit der Anerkennung und Karriere, mit der Möglichkeit, in Vorlesungen Studenten das Eigene, vielleicht eine andere Sichtweise nahezubringen, ist es wohl trotzdem vorbei.

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