Online-Medien, die von Verlagskonzernen unabhängig sind
Seit Jahren stossen journalistischen Online-Medien, welche die grossen Medien ergänzen, auf ein zunehmendes Interesse. Sie bewahren ihre Eigenständigkeit mit sehr unterschiedlichen Budgets und Geschäftsmodellen.
In den Erhebungsmonaten September und Oktober 2024 weisen «Republik», «Infosperber», «JournalB», und «Infoméduse» im Vergleich zum Vorjahr stark steigende Leserzahlen aus. «Zentralplus»3, «Inside Paradeplatz» und «WOZ» verloren Leserinnen und Leser.
Die absoluten Zahlen sind nicht alle vergleichbar, weil nicht alle Medien die Leserzahlen mit Google-Analytics erfassen. Nach der Definition von Google-Analytics sind «aktive Nutzer» die Anzahl unterschiedlicher Besucher, die innerhalb eines Zeitraums (hier eines Monats) mindestens 10 Sekunden die Webseite oder die App der Online-Zeitung besuchten.
«Inside Paradeplatz» hat zusammen mit «Tsüri.ch» die meisten Newsletter-Abonnentinnen und Abonnenten.
Die Zahlen sind Selbstdeklarationen. Es gibt keine unabhängige Erfassung.
Aktive Nutzer pro Monat, Jahresbudget 2024 und Zahl der Newsletter
Follower auf Facebook, X, Instagram und Linkedin
Ganz unterschiedlich sind die Online-Zeitungen auf Social Media unterwegs. «Republik», «Tsüri» «WOZ», «Bajour» und «Hauptstadt Bern» haben sehr viele Follower auf Instagram.
NACHTRÄGE: Wegen eines Missverständnisses ist in obiger Grafik nicht angegeben, dass «Inside Paradelatz» auf Linkedin 37’000 Follower hat. – In der Fussnote 9 ist die richtige Jahreszahl 2024.
Die meisten aufgeführten Online-Zeitungen ergänzen die Zeitungen und Online-Auftritte der vier grossen Deuschschweizer Medienkonzerne Tamedia, NZZ, CH-Media und Ringier und tragen zur Vielfalt der Informationen und Meinungen wesentlich bei. Einzelne andere wie «Zentralplus» sehen sich als Alternative zu den Grossen und bieten umfassende Informationen an. Angesichts der Marktmacht grosser Verlagskonzerne können ergänzende oder alternative Medien ihren Platz nur behaupten, wenn sie eine besondere Qualität bieten.
Voraussetzung ist ein Geschäftsmodell, das ihre Unabhängigkeit bewahrt. Noch bleibt offen, welche Modelle auf längere Frist Erfolg haben werden. Infosperber versucht es mit Spenden der Leserschaft und mit unbezahlten Engagements für nicht-journalistische Tätigkeiten wie Buchhaltung, Spendenmanagement, IT-Unterstützung oder Korrekturen. Andere öffnen ihr Angebot nur für zahlende Abonnentinnen und Abonnenten («Republik» und neu für ein Teilangebot auch «Zentralplus»). Wieder andere versuchen es mit Werbung, Spenden und Sponsoren.
«Infosperber» zeichnet sich durch ein sehr gutes Kosten-Leistungs-Verhältnis aus. Mit einem Budget von 550’000 Franken publiziert «Infosperber» gleich viele Beiträge wie die «Republik», die über ein elfmal grösseres Budget verfügt. Mit rund 15 neuen Beiträgen pro Tag weist wohl auch «Zentralplus» ein sehr gutes Kosten-Leistungs-Verhältnis aus (das Budget ist auf der Webseite einsehbar).
Über die Qualität der Beiträge ist damit nichts ausgesagt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor ist Präsident der Stiftung SSUI, welche Infosperber herausgibt.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
und babanews?
Danke für die interessante Zusammenstellung über diese Medien.
Eine Anmerkung zu zentralplus habe ich:
Ich mochte dieses Medium sehr, da früher breit berichtet wurde und auch abweichende Meinungen nicht zensiert oder unterdrückt wurden. Auch die Struktur eines Vereins mit Förderfonds fand ich sympathisch. Im Laufe der Pandemie wurde dies verändert. Laut zentralplus weil dadurch die Meinungsvielfalt besser gefördert werden kann. Dies kann ich nicht nachvollziehen. Seither gibt es zwar mehr Artikel, die Qualität hat aber spürbar gelitten. Kommentare werden nach meiner Beobachtung deutlich stärker zensiert, falls sie nicht einer gängigen Meinung entsprechen.
STELLUNGNAHME
Christian Hug von Zentralplus nimmt dazu wie folgt Stellung:
Auch wir fanden die Idee eines Fördervereins mit freiwilligen Abos sehr sympathisch. Es war immer unser Ziel, eine breite Community zu fördern, die sich mit Leidenschaft am Austausch beteiligt. Leider hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass in einem regional begrenzten Gebiet nicht ausreichend Personen gewillt sind, sich freiwillig finanziell zu beteiligen. Wir haben uns daher entschieden, im August 2024 eine Paywall einzuführen und verschiedene Funktionen nur noch zahlenden Abonnenten anzubieten. Dies betrifft auch die Nutzerkommentare, die seither nicht mehr anonym publiziert werden können, womit wir den Wünschen zahlreicher Leserinnen und Leser nachgekommen sind.
EInige dieser Medien werden in wenigen Jahren wohl nicht mehr existieren. Denn ein Medium, das monatlich nicht mal auf 100’000 Nutzer kommt, wird es wohl schwer haben, überhaupt eine Wirkung zu haben. Als schwierig sehe ich auch, wenn Medien stark von der öffentlichen Hand abhängig sind, wie dies laut NZZ bei tsüri.ch der Fall ist. Da setze ich bei der Unabhängigkeit dann doch ein Fragezeichen.