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Sie bekommen auch Geld der Schweizer Medien: Monika Rühl und Christoph Mäder von economiesuisse bewerben ihre Wahlkampagne. © Perspektive Schweiz

Medienverlage im politischen Geld-Spagat

Pascal Sigg /  Die Verlage sind wieder Mitglied des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse. Und dieser finanziert bürgerliche Wahlkampagnen.

Der Verband Schweizer Medien (VSM) ist die Interessengruppe der Schweizer Medienverlage und damit eines bedeutenden Wirtschaftszweigs. TX Group, AZ Medien, Ringier, NZZ, Somedia: alle Grossen sind dabei. Letzte Woche kommunizierte der Verband, dass er nun nach längerem Unterbruch wieder Mitglied des Dachverbands Economiesuisse sei.

Verbandspräsident Andrea Masüger liess verlauten: «Economiesuisse vertritt die Interessen einer liberalen und verantwortungsvollen Schweizer Wirtschaft. Die privaten Medienunternehmen sind ein wichtiger Bestandteil unseres Wirtschaftssystems und leisten einen zentralen Beitrag für das Funktionieren von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zusammen mit economiessuisse wollen wir uns gemeinsam für das Erfolgsmodell Schweiz einsetzen.»

Mit diesem politischen Engagement gehen die Verlage in einen schwierigen Spagat – besonders vor den anstehenden Parlamentswahlen.

Mindestens 500’000 Franken für bürgerliche Kandidaturen

Economiesuisse finanziert nämlich Wahlkampagnen – und zwar mit grossem Portemonnaie. Vor wenigen Tagen deklarierte die «IG der Wirtschaftsverbände», dass sie die gemeinsame Wahlkampagne «Perspektive Schweiz» mit zwei Millionen Franken ausgerüstet hat. Bauernverband, Arbeitgeberverband, Gewerbeverband und Economiesuisse steuerten je 500’000 Franken bei.

Urs Schneider, Gesamtkampagnenleiter von Perspektive Schweiz schreibt auf Infosperber-Anfrage, das Geld werde für Plakat- und Inseratekampagnen, Aushang von Fahnen und Transparenten sowie Medienarbeit verwendet. In der letzten Phase werde zudem «schwergewichtig über die sozialen Medien mobilisiert».

Es würden dabei keine einzelnen Kandidierenden unterstützt. Allerdings wolle die Kampagne wirtschafts- und landwirtschaftsfreundliche Kreise dazu bewegen, an den Wahlen teilzunehmen und entsprechende Kandidierende zu wählen, unabhängig von der Partei. «Naheliegend sind dies vor allem Kandidierende von FDP, Mitte und SVP.»

VSM antwortet nicht

Wie viel Geld zahlt der VSM Economiesuisse?

Kann der VSM ausschliessen, dass sein Geld in Politkampagnen fliesst?

Beide Fragen wollte der VSM gegenüber Infosperber nicht beantworten. Geschäftsführer Stefan Wabel schrieb bloss, der Verband werde künftig einen ordentlichen Mitgliederbeitrag entrichten. «Es erscheint uns wichtig, dass die Interessen der Medienbranche und des Journalismus im führenden Dachverband der Schweizer Wirtschaft vertreten sind, insbesondere auch die Themen Presse- und Werbefreiheit.»

Werbeinteressen: ja – Journalismusinteressen: naja

Dass sich Economiesuisse unter dem Motto «Ohne Werbung keine Wirtschaft» für Werbefreiheit einsetzt, ist bekannt.

Die Medien- oder Pressefreiheit gehört gemäss Website jedoch nicht zu den zentralen Anliegen des Verbands. Auch bürgerliche Parlamentsmitglieder engagierten sich in den letzten Jahren kaum für die Medienfreiheit. Als sich der Nationalrat zwischen Wirtschafts- und Medienfreiheit entscheiden musste, stimmten die SVP- und Mitte-Fraktion geschlossen gegen die Medienfreiheit. Und dies obschon die entsprechende Motion bloss vom Bundesrat verlangte zu prüfen, inwiefern die Medienfreiheit in der Bankenberichterstattung gewährleistet werden kann. Zuvor hatte ein Rechercheteam der Tamedia auf eine Mitwirkung bei den Suisse Secrets-Recherchen verzichtet. Es befürchtete ein Strafverfahren, falls es über geleakte Bankdaten berichtet hätte.

Und auch als der Grüne Waadtländer Nationalrat Raphaël Mahaim forderte, Medien besser vor strategischen Gerichtsverfahren gegen die Beteiligung der Öffentlichkeit (SLAPP-Klagen) zu schützen, stimmte einzig die Ratslinke zu.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Infosperber ist Gründungsmitglied des Verbands Medien mit Zukunft.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

2 Meinungen

  • am 14.09.2023 um 16:11 Uhr
    Permalink

    Ich sehe bei vielen Medien im «redaktionellen Zeitungsteil» tendenziell statt einzig Faktenmitteilung Meinungslenkung (was, wenn überhaupt, in die Kommentarspalten der Redaktoren gehören würde) bzw. Willkür bei der Auswahl von Leserkommentaren.
    Ich fordere: Ohne klare, verbindliche Regeln keine Subventionen (Zwangsgebühren). Die «Vierte Gewalt» (für die Demokratie) ist zu wichtig. Kein Wunder, sind die Medien USA praktisch ausschliesslich in der Hand der Superreichen (inklusive Youtube, X alias Twitter).
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=97428
    https://www.infosperber.ch/medien/ueber-die-netzwelt/ringier-will-35000-chf-fuer-kommentare-auf-inside-paradeplatz/#comment-158311
    https://www.infosperber.ch/medien/medienkritik/einfach-mal-gemeinsam-abkotzen#comment-168913

  • am 15.09.2023 um 21:41 Uhr
    Permalink

    Diese Kampagne ist wohl der grösste Rohkrkrepierer in einem ohnehin peinlichen Wahlkampf:
    – Erstens ist sie so sexy, dass sie die Wählerinnen und Wähler in Scharen an die Urnen treiben wird. «Perspektive Schweiz», wie bitte? Was wollen Sie mir sagen? Haben wir uns in den Zeichenunterricht verirrt? Was ist Ihre Message?
    – Zweitens vertritt sie eine wahrlich diverse Koalition. Wo ist der Fluchtpunkt (um beim Bild der «Perspektive» zu bleiben) von protektionistischen Bauern und global orientierter Exportwirtschaft, wo zwischen grundsätzlicher Europa-Opposition der Rechten und der Forderung der Energiebranche nach einem Stromabkommen mit der EU? Im inhaltlichen Nirwana und zeitlicher Unendlichkeit?
    – Drittens ist sie weit von den wahren Problemen der Leute entfernt (schwindende Kaufkraft, steigende Gesundheitskosten und Mieten, Energiemangel, zunehmende Überlastung der Infrastruktur etc.). Angesichts des CS-Debakels kann man nur von unerhörter Arroganz sprechen.
    Erfolgsmodell Schweiz wo?

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