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Schlagzeile auf Inside Paradeplatz © IP

Ringier will 35’000 CHF für Kommentare auf Inside Paradeplatz

Urs P. Gasche /  Wegen anonymer, beleidigender Kommentare wollen Ringier-AG und die Co-Besitzer Michael Ringier und Marc Walder eine Genugtuung.

Lukas Hässig, Betreiber und Inhaber der «Inside Paradeplatz GmbH», machte es am 18. November auf Inside Paradeplatz öffentlich: Ringier hat beim Handelsgericht Zürich gegen ihn und seine GmbH eine Klage wegen Persönlichkeitsverletzung eingereicht. Die Ringier AG verlangt 5000 Franken Genugtuung, CEO Marc Walder 20’000 Franken und Verleger Michael Ringier 10’000 Franken.

Stein des Anstosses sind ein paar Dutzend gesammelte Kommentare von Leserinnen und Lesern der Finanz-Plattform Inside Paradeplatz. Den Streitwert beziffern die Kläger auf 190’000 Franken.

Die redaktionellen Artikel, die auf Inside Paradeplatz erschienen, sind nicht betroffen. «Die Kommentare zu prüfen, bedeutet einen grossen Aufwand. Normal ist, dass ein Betroffener schnell reagiert, wenn ihm ein freigeschalteter Kommentar nicht passt», sagt Lukas Hässig. Ringier habe ihn jedoch nie auf die eingeklagten Kommentare aufmerksam gemacht.

Die Verbreiter von Persönlichkeitsverletzungen haften dafür

Es ist bekannt, dass Leserbrief-Schreibende in Online-Medien nicht selten gegen Personen oder Unternehmen in persönlichkeitsverletzender Art unter der Gürtellinie austeilen. Das wird ihnen leicht gemacht, weil man bei Blick, 20-Minuten oder Watson wie bei Inside Paradeplatz auch anonym Kommentare veröffentlichen darf (im Gegensatz etwa zum Infosperber oder zur Republik). Grosse Medien haben extra Leute angestellt, um rechtswidrige Kommentare rechtzeitig zu löschen.

Für das Verbreiten rechtswidriger Darstellungen sind nicht nur die Schreibenden haftbar (sofern man ihre Identität ausfindig machen kann), sondern auch die verbreitenden Medien. Betroffene von Persönlichkeitsverletzungen können ihre Rechte deshalb sowohl gegen die Schreibenden als auch gegen die Verbreiter geltend machen.

Allerdings ist dies gegen Facebook oder Twitter kaum möglich, weil sich die nationalen Parlamente um den Vollzug der Gesetze foutieren oder vor diesen Konzernen kuschen. Denn sie müssten Facebook und Twitter vorschreiben, in jedem Land eine Anlaufstelle für Beschwerden und Klagen zu haben. Heute sind die gesetzlich garantierten Persönlichkeitsrechte gegen Facebook und Twitter nur mit völlig unverhältnismässigem Aufwand durchzusetzen.

Ringier AG, Marc Walder und Michael Ringier gehen auf die kleine GmbH los

Michael Ringier gehöre zu den Reichsten der Schweiz und habe als Verleger führender Boulevard-Zeitungen auch grosse Macht, schreibt Hässig: «Nun zerrt er ein kleines Medium von den Richter, statt dass er dieses mit Worten kritisiert, wofür Medien da sind. Die Paragraphen könnten sie jenen überlassen, die kein eigenes Forum haben.»

Infosperber richtete an Ringier folgende Fragen:

  1. Warum hat Ringier Inside Paradeplatz nach dem Verbreiten der beanstandeten Kommentare nicht abgemahnt, damit Inside Paradeplatz diese Kommentare löscht? [Das sagt jedenfalls Lukas Hässig]
    Auf diese Frage verweigerte Ringier eine Antwort ohne Begründung.
  2. Ringier macht erlittene «seelische Unbill» geltend. Sind ausgerechnet Verleger und Herausgeber der Boulevardzeitung Blick, die häufig unzimperlich austeilt, so empfindlich?
    Auf diese Frage verweigerte Ringier eine Antwort ohne Begründung.
  3. Warum hat die Klägerschaft keine Klage gegen diejenigen eingereicht, welche die beanstandeten Kommentare verfasst haben?
    Auf diese Frage verweigerte Ringier eine Antwort ohne Begründung.
  4. Warum hat Ringier weder gegen Facebook und Twitter noch gegen die dort Kommentare Schreibenden geklagt? (Auf Facebook und Twitter wurden zu den Artikeln von Inside Paradeplatz viele Kommentare verbreitet, die mit den jetzt beanstandeten auf Inside Paradeplatz vergleichbar sind.)
    Auf diese Frage verweigerte Ringier eine Antwort ohne Begründung.
  5. Warum schreibt Ringier ihren Publikationen nicht vor, dass nur Personen Kommentare schreiben dürfen, welche sich mit Angabe ihres vollen Namens und ihrer Adresse und eventuell auch mit ihrer Telefonnummer registrieren?
    Auf diese Frage verweigerte Ringier eine Antwort ohne Begründung.*
Klage Ringier 2
Klage Ringier gegen Inside Paradeplatz

_________________
*Ringier ging auf die Fragen nicht ein, sondern sandte lediglich folgende Stellungnahme:

Zum Sachverhalt
Die Ringier AG hat gemeinsam mit Michael Ringier und Marc Walder, die als Privatpersonen agieren, beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage gegen die News-Plattform Inside Paradeplatz sowie gegen Lukas Hässig eingereicht. Gegenstand der Klage sind  anonyme Kommentare von Leserinnen und Lesern.
Die Herausgeber von Medien haften zivilrechtlich auch für rechtswidrige Inhalte von anonymen Kommentaren, die sie veröffentlichen. Die meisten Online-Medien sorgen dafür, dass ehrverletzende oder sonstwie unzulässige Kommentare nicht freigeschaltet werden. Auch der Presserat empfiehlt die Moderation der Kommentare.
Die eingereichten Klagen richten sich gegen eine Reihe von anonymen Kommentaren, die  unter journalistischen Beiträgen auf IP platziert werden.

Umgang mit Kommentaren beim Blick
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Wer Kommentare verbreitet, muss klare Regeln befolgen

Wer seine Meinung in Online-Medien öffentlich verbreiten möchte, weiss oft nicht, dass er sich an strenge Gesetze halten muss.
Lesen Sie Infosperber vom 11. Februar 2022.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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7 Meinungen

  • am 19.11.2022 um 12:11 Uhr
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    Recht beeindruckend solches Gehabe… vielleicht müsssten sich die Herren eher mal Gedanken zu ihrer Arbeitsqualität machen?
    Aber was ist mit all den wüsten Kommentaren die auf blick.ch erscheinen?
    Und was ist mit Blick Chefredaktor-Schlagzeilen wie
    «Impfgegner machen mit dem Virus gemeinsame Sache» (Blick.ch)
    https://www.dieostschweiz.ch/artikel/mehr-spaltung-geht-nicht-mehr-AWXwKQA

  • am 19.11.2022 um 13:22 Uhr
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    Diesen Artikel finde ich essenziell. Ich sehe leider in Europa die Tendenz des Mundtotmachens des «Souveräns» durch Übermächtige.
    Und ich finde es umgekehrt überfällig, dass mal jemand etwa Ringier Axel Springer Schweiz AG juristisch «in Frage stellt» punkto deren Artikel (ob die alle hieb- und stichfest belegbar und nicht-ehrverletzend sind). Dito Kommentare, die von BLICK veröffentlicht werden (juristisch), und welche nicht (von mir wurden schon reine Informationen und Zitate aus Schweizer Medien und kritische Fragen an Blick-Journalisten einfach nicht veröffentlicht).
    Jon Pult, Präsident der Medienkommission des Nationalrats, sagt: «Es braucht eine öffentliche Finanzierung des Journalismus» (solothurnerzeitung.ch 29.9.2022). Das würde ich höchstens gutheissen, wenn als Gegenleistung für diese Subventionen unzweideutige Bedingungen zur Sicherstellung der Meinungsäusserungsfreiheit vorausgesetzt werden.

  • am 19.11.2022 um 15:55 Uhr
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    Danke, ein guter Beitrag. Verbale Gewalt ist oft der Vorreiter zu tätlicher Gewalt. Lange wurde dieses Thema übersehen. Auch Medien (Journalisten) sind gelegentlich verbal gewalttätig, dies oft im Auftrag von Geldgebern. Der Mensch muss unantastbar bleiben, sein Verhalten kann verbal gewaltfrei bewertet werden. Auch wenn das nicht immer einfach ist, da Betroffene starke Gefühle erleben womit der Umgang schwierig sein kann. Betreffend Gewalt gibt es offenbar eine Bildungslücke. Es mangelt an Bewusstsein darüber, ab wann ein Verhalten gewalttätig ist oder nicht. Mobbing wurde als Form versteckter Feindseligkeit erst vor einigen Jahrzehnten als Gewaltform entlarvt. Die verbale Gewalt während der Impfdebatte von beiden Seiten ist auch ein noch ungeklärter und der Klärung bedürfender Abgrund. Gewalt bringt jede Entwicklung zum stillstand. Gewalt verschleiert die Bedürfnisse dessen, was die Menschen wirklich brauchen und wollen, sowie auch womögliche destruktive Absichten.

  • am 19.11.2022 um 18:29 Uhr
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    Es wirkt schon etwas bizarr, wenn ausgerechnet Ringier als Verlegerschaft des wiederholt wegen massiven Persönlichkeitsverletzungen verurteilten Blatts «Blick» gegen Lukas Hässigs «INSIDE PARADEPLATZ» Klage wegen Persönlichkeitsverletzung erhebt. Allerdings darf auch gesagt werden, dass Hässig mit seinem «iP» einen Schuss vor den Bug mehr als verdient hat. Die Kommentarspalte seiner Website verkommt seit einiger Zeit zu einem Tummelplatz von sich feige hinter ihrer Anonymität versteckenden Wutbürgern, von pöbelnden Möchtegern-Journalisten, die ihrem Frust hemmungslos freien Lauf lassen. Für die Moderation von Kommentaren ist einzig und allein der Verleger verantwortlich. Lukas Hässig scheint in der Hoffnung auf höchstmögliche Klick-Frequenz offenkundig nicht willens, seine Verantwortung als «iP»-Verleger wahrzunehmen und schaltet unbekümmert auch krass beleidigende und ehrenrührige Kommentare frei. Dass er jetzt riskiert, dafür sein Portemonnaie öffnen zu müssen, ist in Ordnung

  • am 20.11.2022 um 04:47 Uhr
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    Bei Walder, Blick und Ringier kann man durchaus festhalten und mit Fakten belegen, dass viele der in den Ringier Publikationen gemachten Aussagen faktisch falsch sind. Besonders hoch war und sind die Quote der Falschmeldungen bei Themen COVID19, Russland/Ukraine.
    Es gibt hier also viel berechtigte Kritik, die sich Ringier und andere Mainstreammedian anhören müssen und die durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind.
    Verleumdung/üble Nachrede kommt ja auch nur dann in Frage, wenn der Verbreiter Unwahrheiten verbreitet von denen er weiss oder annehmen kann/muss, dass sie nicht den Tatsachen entsprechen. Ohne IP gelesen zu haben oder zu wissen welche Kommentare gemeint sind, kann man hier keine Aussagen machen zu der Qualität der Klage. Ich hoffe die werden veröffentlicht…?

  • am 20.11.2022 um 23:58 Uhr
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    Vielleicht sollte man erwägen eine Gegenklage zu verfassen? Ich weiss ja nicht ob die darunter fallen, aber es gibt einfach Medien und verantwortliche von solchen Medien die geeignet scheinen im allgemeinen beleidigend durch ihr erscheinen zu sein. Zur allgemeinen Belustigung tragen solche Medien mit ihren, oft die intelligenz der Leserschaft beleidigenden Beiträgen, jedenfalls nicht bei. Wenn dem so ist würde ich mich wegen der seelischen Grausamkeiten die solche Medien verbreiten anschliessen?
    Wenn sie denn solche sind….

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