Operation.fentonroma143

Dank einer Operation wird ein Patient wieder gesund. © fentonroma143/Depositphotos

Der Begriff «Militäroperation» verharmlost das Kriegsgrauen

Urs P. Gasche /  Es wird nicht «operiert», sondern bombardiert, mit Drohnen angegriffen oder Land besetzt. Es wird zerstört, getötet und verletzt.

Begriffe wie «Militäroperatonen», «Militäreinsätze» oder «Militäraktionen» sollen sollen von Gewalt ablenken und das Kriegsgrauen verschleiern. Gleichgültig, ob militärische Angriffe der legitimen Verteidigung dienen oder ob sie gegen das Völkerrecht verstossen: In beiden Fällen bleiben es Angriffe, die enormes Leid verursachen.

Medien, die sonst gerne klaren Wein einschenken, übernehmen bei Konflikten gerne den Militärjargon «Militäreinsätze» oder «Operationen», statt die Angriffe beim Namen zu nennen. Im Klartext wird bombardiert, mit Drohnen angegriffen oder Land besetzt. 

Was Russland als «militärische Spezialoperation» verharmlost, bezeichnen Medien im Klartext als einen Angriffskrieg.

Die Wortwahl, welche Medien übernehmen, verrät, ob sie mit Fakten informieren, oder ob sie mit wertender Wortwahl subtil Stellung beziehen und damit die öffentliche Meinung beeinflussen.

Die Worte «Operation» oder «Militäreinsatz» klingen weniger bedrohlich oder brutal als die Bezeichnungen «Angriff» oder «Invasion». Das Wort «Operation» legt den Fokus auf die organisatorische und technische Seite eines militärischen Angriffs, ohne die menschlichen Opfer, Zerstörung oder Gewalt direkt anzusprechen. 

Von «Operationen» oder «Einsätzen» sprechen kriegsführende Regierungen gerne, um den Angriff als notwendig, zielgerichtet oder legitim zu präsentieren.

Schon vor knapp einem Jahr illustrierte Infosperber die Manipulation mit der Wortwahl am Beispiel des damaligen Raketenangriffs des Iran gegen Israel und des gleichzeitigen Angriffs Israels gegen den Libanon. 

In der NZZ war die Wortwahl bereits im Lead unterschiedlich: Der Iran führte einen «massiven Angriff» aus, während Israels Bodentruppen zuvor in den Libanon «eingedrungen» seien. Die Tamedia-Zeitungen benutzten die identische Wortwahl und titelten: «Der Iran greift Israel an, nachdem Israels Armee in den Libanon eingedrungen war.»

Allgemein von «Militäreinsätzen» kann man reden, sofern nicht konkrete Angriffe gemeint sind. Die Begriffe «Militäroperationen» oder «Militäraktionen» sollten nur in Zitaten verwendet werden.


Einige zufällig ausgewählte Beispiele

Was den Krieg im Gazastreifen und im Westjordanland betrifft, hatte die «NZZ» am 4. Juli 2023 den Titel gesetzt: «Israel startet umfangreiche Militäroperation im Westjordanland». Es handle sich um «einen der grössten Einsätze seit zwanzig Jahren».

Und am 31. Dezember 2024: «Die israelischen Streitkräfte haben eine Militäroperation im Kamal-Adwan-Spital gestartet.»

Am 16. August 2025: «Am 21. Januar 2025 lancierte Israels Armee die Operation ‹Eiserne Mauer›, den grössten Militäreinsatz im Westjordanland seit rund zwanzig Jahren.» Und am 11. August 2025: «Die jüngste Ausweitung der israelischen Militäroperation in Gaza».

Doch als es am 12. März 2025 um Syrien ging, setzte die «NZZ» das Wort «Militäroperation» plötzlich in Anführungszeichen: «Syriens Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa hat das Ende der ‹Militäroperationen› an der syrischen Mittelmeerküste verkündet.» 

Selten genug wie etwa am 26. August 2025 nannte die «NZZ» einen Angriff beim Namen und titelte: «Fünf Journalisten unter den 19 Toten bei Angriff Israels». Doch am gleichen Tag schrieb die «NZZ»: «Israel intensivierte die Militäraktionen im Gazastreifen».


Auch die Zeitungen der Tamedia-Gruppe zeigten immer mal wieder, wo sie stehen:

Am 29. August 2024 titelten sie «Israels Armee beginnt Grosseinsatz».

Am 22. Mai 2025 berichteten sie vom Beginn der «Militäroperation» und über die «Militäroffensive Israels». Und am 26. August 2025: «Israels Hardliner kritisiert die Gaza-Offensive hart»

«SRF» (online) wiederum hatte am 2. Juli 2023, als Israel das Westjordanland bombardierte, ähnlich wie die «ARD» gleich auf die ganze Palette zurückgegriffen: «Militäroperation», «Militäraktionen», «Offensive», «Militäreinsatz».

Immerhin verbreitete SRF am 25. August 2025: «Israel setzt die Angriffe im Gazastreifen fort.» Und am 27. August 2025: «Ein israelischer Angriff auf ein Spital im Gazastreifen…» Am 28. August 2025: «In Vororten (von Gaza-Stadt) wird gekämpft und die israelische Luftwaffe fliegt Angriffe

Weiterführende Informationen

  • Historiker, Aktivist und Forscher Adam Raz und Soziologe Assaf Bondy: «Lexikon der Brutalität» mit sprachlichen Ausdrücken seit dem 7. Oktober 2023. «Humanitäre Zonen», «freiwillige Migration», «Kollateralschaden»: Wie Euphemismen die Tötung von Zivilisten in Gaza akzeptabel erscheinen lassen. Bericht in der «taz» vom 4. September 2025 und Interview mit Adam Raz vom 5. September 2025 in «Tachles».

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3 Meinungen

  • am 18.09.2025 um 13:56 Uhr
    Permalink

    Interessant ist ja jeweils noch, bei welchen Akteuren ziemlich konsequent von „Militäroperationen“ gesprochen wird und bei welchen von „bösartigen Angriffen“oder dergleichen. Während bei Aktionen westlicher Player, vor allem bei den USA und Israel, in unseren gängigen Medien in der Regel von „militärischen Operationen“ oder „Präzisionsschlägen“ der jeweiligen „Regierungen“ berichtet wird, heisst es z.B. bei russischen oder iranischen Aktionen meist „brutaler, völkerrechtswidriger Angriffskrieg“ der „Regime“ oder ähnlich. Vermutlich benennen sie es in Russland oder dem Iran genau andersherum. Das nennt sich dann korrekterweise Propaganda, hier wie dort. Wir sind eben nicht gut informiert, sondern gut konditioniert!

  • am 18.09.2025 um 14:56 Uhr
    Permalink

    Auch der Begriff „Gefallene“ soll von Gewalt ablenken und das Kriegsgrauen verschleiern. Wer gefallen ist, hat das Gleichgewicht verloren und steht wieder auf. Im Krieg hingegen werden Soldaten gezielt ermordet, sie werden werden von Bomben zerfetzt, in Panzern verbrannt und verkohlt, und wenn sie nicht selber erbärmlich verrecken, werden sie gezwungen, Gleichaltrige auf der anderen Seite zu ermorden. Sie sterben alle für die Freiheit derjenigen, die sie in den Tod getrieben haben.

  • am 20.09.2025 um 11:19 Uhr
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    Ist das nicht Streit um Semantik und Wortklauberei? Die Bezeichnung des jeweiligen Waffeneinsatzes tut nichts zur Sache, bezüglich des Einsatzes von Waffen, oder der Zerstörung von Hab und Gut und Leben. Wer sich an 2014 zurückerinnern kann, der konnte damals sehen, wie unter der Bezeichnung ATO (Anti-Terroristische Operation) ukrainische Panzer und Flugzeuge auf die eigenen Bürger in Donezk und Lugansk geschossen haben. Es was ja auch damals eher ein Bürgerkrieg als eine «Operation». Auch die Amerikaner nennen ihre militärischen Einsätze nicht mehr Krieg, sondern ‚kinetische Operation‘.

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