Jahresrückblick 2025 – heute von Esther Diener-Morscher

Ein Infosperber-Leser aus Freiburg machte mich darauf aufmerksam, wie unkritisch die Regionalzeitung «Freiburger Nachrichten» über Lokales berichtet. Und noch schlimmer: Die Zeitung lehrt diesen Gefälligkeits-Journalismus auch an den Freiburger Schulen. Das Medienunternehmen bezieht seit Jahren Sponsorengelder von lokalen Unternehmen und betreibt damit ein medienpädagogisches Projekt.
In diesem Projekt machen die «Freiburger Nachrichten» mit den Schülerinnen und Schülern das, was Journalismus nicht darf: Sie vermischen Werbung mit dem redaktionellen Teil eines Mediums.
Und ich wusste, darüber muss ich einen Artikel schreiben.
Mich erstaunte, wie unverhohlen die «Freiburger Nachrichten» die Vermischung von Werbung und Journalismus propagieren. Ich reagiere so empfindlich darauf, weil mir der Wert und die Pflichten meines Berufs wichtig sind. Ich war deshalb auch bis 2012 Vizepräsidentin des Schweizer Presserats.
Das ist eine Selbstkontroll-Instanz der Journalisten und Verleger, welche Beschwerden gegen Medien behandelt und beurteilt, ob diese in den beanstandeten Fällen den Journalistenkodex, also die Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten, eingehalten haben.
Zu meinen Pflichten gehört es laut Kodex, «die Freiheit der Information, die Unabhängigkeit und das Ansehen meines Berufes» zu verteidigen.
Ich weiss, dass ich manchmal wie ein Moralapostel wirke, wenn ich zum Beispiel sage, dass ich mit Mediensprechern wenn immer möglich nicht Duzis mache. Denn ich bin der Meinung, dass man mit dem vertraulichen Du ein wenig Unabhängigkeit verliert.
Unabhängigkeit finde ich – neben der Genauigkeit – das Wichtigste im Journalismus. Ich habe einmal darüber geschrieben, welche Skigebiete besser und welche schlechter mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar sind. Da kam ein Chef zu mir, der gesehen hatte, dass die Berner Oberländer Skigebiete nicht so gut abschneiden, und sagte, dass wir diesen Artikel nicht bringen könnten. «Sonst haben die Berner Seilbahnen zum letzten Mal bei uns inseriert», erklärte er. Ich habe nicht mehr für ihn geschrieben. Denn für mich gibt es nur zwei Gründe, einen Artikel nicht zu bringen: Entweder ist er falsch, oder er ist uninteressant.
Ich finde aber nicht, dass andere Journalistinnen und Journalisten nicht Duzis mit Mediensprechern machen dürfen. Jeder muss für sich entscheiden, wie er seine Unabhängigkeit am besten wahrt.
Definitiv sehr abhängig sind die «Freiburger Nachrichten». Ich habe für meinen Artikel deren publizistischen Leiter Marc Lehmann mit meinen Vorwürfen konfrontiert. Es kümmerte ihn nicht, dass es bei den «Freiburger Nachrichten» zwischen Journalismus und Werbung keine klaren Grenzen gibt. Er erklärte sogar: «Dass Berührungspunkte bestehen zwischen redaktionellen, gesellschaftlichen und kommerziellen Interessen, liegt in der Natur der Sache. Angesichts der extrem angespannten Lage in der gesamten Medienbranche, geht es darum, einen für alle Seiten gangbaren Weg zu finden. Wer glaubt, das publizistische Geschäft könne im lokalen Raum völlig losgelöst von den Akteuren funktionieren, scheint die Mechanismen in dieser räumlichen Nähe nicht ganz zu verstehen.»
Da fragte ich mich plötzlich, ob die Freiburger Regionalzeitung das einzige Medium sei, das so geschäftet – oder ob es nicht einfach das einzige ist, das die «Berührungspunkte» so offen zugibt.
Aber auch wenn es nicht mehr so viele Medien gibt, denen das wichtig ist: Unabhängigkeit muss sein. Denn nur so ist ein Medium glaubwürdig. Und nur einem glaubwürdigen Medium gesteht man Freiheit zu – die Medienfreiheit, die für alle so wichtig ist. Warum die so wichtig ist? Vorsicht, jetzt bin ich wieder der Moralapostel: «Das Recht auf Information, auf freie Meinungsäusserung und auf Kritik ist ein grundlegendes Menschenrecht.» So steht es in der Präambel des Journalistenkodex‘.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.












Ihre Meinung
Lade Eingabefeld...