Süssigkeiten-Hersteller tarnen Werbung als Computerspiele
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit will schon lange, dass die Hersteller ihre an Kinder gerichtete Werbung für süsse, fettige, salzige oder zu energiereiche Lebensmittel reduzieren. Doch die Firmen haben sich bisher erfolgreich gegen strenge Massnahmen gewehrt.
Und es ist anzunehmen, dass sie das weiterhin tun werden. Das Bundesamt möchte im Lebensmittelgesetz Werbebeschränkungen für ungesunde Lebensmittel verankern. Werbung für Lebensmittel für Kinder unter 13 Jahren wäre dann verboten, sofern die Lebensmittel zu viel Fett, Salz oder Zucker enthalten.
In einem Bericht zu den Folgen einer solchen Gesetzesänderung kommen die Autoren zum Schluss: «Aufgrund der Mehrkosten und Umsatzeinbussen für die Unternehmen und ausgehend von den Interviews mit den betroffenen Unternehmen dürfte eine starke Gegenwehr zu erwarten sein.»
Gleichzeitig arbeiten die betroffenen Hersteller an immer raffinierteren Techniken zur Bewerbung ihrer HFSS-Lebensmittel. Die Abkürzung HFSS bedeutet «High in Fat, Sugar and Salt», also reich an Fett, Zucker oder Salz.
So platzieren sie ihre Produkte oder Markennamen zum Beispiel in Computerspielen, die ausdrücklich bereits für Kinder ab fünf Jahren empfohlen sind. Solche Spiele sind etwa auf der Online-Spiele-Plattform Roblox zu finden. Roblox ist bei Kindern unter 13 Jahren die beliebteste Spiele-Plattform.

Im Spiel «Chupa Chups Skate & Create» fahren die Teilnehmer mit dem Skateboard oder auf Rollschuhen durch eine Stadt voller Logos der Chupa-Chups-Schleckstängel. Solche Werbemethoden bei Kindern kritisiert das Konsumentenmagazin «Saldo».
In «Find The Sweets» müssen die Spieler alle versteckten Süssigkeiten finden, damit sie gewinnen.

Genau für solche Werbung, die in Spiele und Videos eingebettet ist, sind Kinder besonders anfällig, wie ein Bericht der Hochschule Arc Neuchâtel im Auftrag des Bundesamts für Lebensmittel feststellt: «Visuelle Hinweise auf ungesunde Lebensmittel ziehen die Aufmerksamkeit von Kindern stärker auf sich, wenn diese Hinweise in eine Aktion eingebunden sind.»
Im Bericht steht auch, dass Kinder im Alter von vier bis neun Jahren öfter mit Lebensmitteln beworben werden als andere Altersgruppen. Weiter heisst es: «Kinder, die Werbung für Lebensmittel ausgesetzt sind, schenken Gesundheitsempfehlungen wie ‹fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag› nur wenig oder gar keine Beachtung.»
Grossbritannien hat gehandelt
Solche Erkenntnisse sind nicht neu und gelten weltweit. Deshalb empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO, die Werbung für HFSS-Lebensmittel bei Kindern einzuschränken.
Während sich die Schweiz und andere Länder noch schwer tun mit dieser Empfehlung, ist Grossbritannien in die Offensive gegangen. Dort gelten im Fernsehen Fast-Food-Sperrstunden: Werbung für HFSS-Lebensmittel darf nur noch zwischen 21 Uhr und 5.30 Uhr ausgestrahlt werden. Im Internet ist bezahlte Werbung für solche Produkte ganz verboten.
Vor der Einführung dieser Bestimmungen hat eine Studie im British Journal of Nutrition die Meinungen von Experten zu den Auswirkungen des Werbeverbots zusammengetragen.
Auch hier warnen die Autoren davor, dass Werbung in Computerspielen die Schwachstellen von Kindern ausnutze. Solche Werbung verwische die Grenze zwischen Werbung und Unterhaltung und ermögliche es Werbetreibenden, eine emotionale Bindung zu den Kindern aufzubauen.
Vorschriften könnten ins Leere laufen
Die befragten Experten waren der Meinung, dass die neuen «bahnbrechenden» Vorschriften zwar das Potenzial hätten, das globale Marketing erheblich zu beeinflussen. Sie befürchteten aber auch, dass die Vorschriften unter Umständen «völlig unwirksam» werden könnten.
Sie glauben, dass die Hersteller auf Werbeformen wie «Advertainment» – die Mischung von Werbung und Unterhaltung – ausweichen und die Vorschriften untergraben könnten. Insbesondere das in Online-Spiele eingebettete Marketing wurde als der «wilde Westen» des Internets mit wenig Aufsicht beschrieben.
Dazu kommt: In Computerspielen können Firmen gut mit Markennamen werben, ohne das Produkt zu zeigen. Ein Experte fragt deshalb: «Was verbieten wir, wenn wir nur den Burger vom Bild nehmen?» und stellt fest: «Obwohl es sehr gut ist, keine ungesunden Lebensmittel mehr zeigen zu dürfen, erzeugen Marken weiterhin diese engen Beziehungen zu Kindern.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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