Sperberauge

Noch einmal: Keine «Fallzahlen» ohne Zahl der Tests

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

Urs P. Gasche /  Vor den neusten Massnahmen stiegen die «Fallzahlen» stark an, jetzt sinken sie. Ein wichtiger Grund ist die Zahl der Tests.

Entscheidend für die Entwicklung der Pandemie ist nicht die Zahl der «Fälle» oder korrekter ausgedrückt die Zahl der positiv Getesteten. Entscheidend sind vielmehr die Hospitalisierungen und die Belegung der Intensivstationen.
Auf diesen Intensivstationen waren am 24. November gesamtschweizerisch 22 Prozent aller Intensivbetten frei. Am 19. November waren es 21 Prozent, während es zwei Wochen vorher 23 Prozent waren.
In «normalen» Akutbetten lagen am 26. November insgesamt 3183 Covid-19-Patienten. Das waren fast 15 Prozent weniger als vor zehn Tagen (Quelle: KSD der Armee).

Weniger Tests – fröhliche Weihnachten

Doch in Deutschland machen die Behörden eine Lockerung der Massnahmen zu Weihnachten nicht von einer drohenden Überlastung der Spitäler abhängig, sondern von den «Fallzahlen pro 100’000 Einwohnern». Auch in der Schweiz neigen Kantone dazu, Massnahmen von steigenden oder fallenden «Fallzahlen» abhängig zu machen.
Das wird damit begründet, dass steigende «Fallzahlen» auch zu steigenden Hospitalisierungen und Belegungen der Intensivstationen führen würden. Und dass erst bei sinkenden «Fallzahlen» das Contact Tracing wieder verlässlich funktioniere.
Die «Fallzahlen» aber könnte man auf einfache Weise beeinflussen, um fröhliche Weihnachten nicht nur mit der eigenen Familie oder allein zu Hause zu feiern, sondern mit der ganzen Verwandtschaft: Man müsste ab Mitte Dezember einfach viel weniger testen. Denn die Zahl der positiv Getesteten hängt zu einem schönen Teil von der Zahl der durchgeführten Tests ab. Bereits seit Monaten zeigt die Statistik an Wochenenden stets weniger «Fälle» an als an Wochentagen. Ganz einfach, weil am Wochenende weniger getestet wird. Aber auch von Woche zu Woche verläuft die Kurve der Fallzahlen ähnlich wie die Kurve der Testzahlen. Die folgende Grafik, die der «Tages-Anzeiger» am 24. November veröffentlichte, illustriert dies eindrücklich:
Die Zahl der positiven Tests, also der «Fälle», steigt und sinkt (rot), wenn die Zahl der Tests steigt und sinkt (orange). Die Entwicklungen verlaufen zwar nicht parallel, aber korrelieren doch.

Orange = Zahl der Tests pro Tag. Rot = Zahl der positiv Getesteten. Grössere Auflösung hier. Grafik: Tamedia.
Es fällt auf, dass vor den jüngsten Lockdown-Massnahmen die Tests stark zunahmen und seither wieder deutlich abnahmen. Zum Einschätzen der Epidemie-Entwicklung wäre es wichtig zu wissen, wieviele der Getesteten zum Zeitpunkt der Tests Symptome von Covid-19 hatten und wieviele keine Symptome. Und wie sich diese Anteile im Laufe der Zeit veränderten. Doch obwohl die Ärzte diese Angaben dem BAG und den Kantonsärzten liefern müssen, ist diese Statistik nicht aufgearbeitet.

Zur Entwicklung der «Fallzahlen» gehört die Angabe der Testzahlen
Fernsehen, Radio und Zeitungen sollten daher aufhören, Veränderungen in den täglichen oder wöchentlichen Fallzahlen zu verbreiten, ohne gleichzeitig darüber zu informieren, wie sich in der gleichen Zeit die Testzahlen verändert haben. Das gilt auch bei Berichten über steigende oder fallende Fallzahlen im Ausland.
Also beispielsweise: «Im Durchschnitt der letzten sieben Tage kam es zu 15 Prozent weniger positiv Getesteten als in der Woche vorher. Im gleichen Zeitraum wurden allerdings auch 10 Prozent weniger Tests durchgeführt.»
Im Gegensatz zum gesamtschweizerischen Trend nahm die Zahl der positiv Getesteten pro 100’000 Einwohner im Kanton Bern seit dem 22. November zu und nicht ab. Weil aber auch im Kanton Bern weniger getestet wurde als eine Woche vorher, bezeichnete die Epidemiologin Emma Hodcroff von der Universität Bern die Entwicklung als «besorgniserregend». Ob seit dem Vergleichsdatum des 22. Novembers mehr getestet wurde, gab die Berner Gesundheitsdirektion nicht bekannt.

Schnelltests könnten zu steigenden «Fallzahlen» führen

Die Verbreitung der Antikörper-Schnelltests dürfte nun dazu führen, dass die Zahl der Tests stark zunimmt und damit wohl auch die Zahl der «Positiven», die schon jetzt zu den «Fällen» addiert werden, obwohl die meisten auch von ihnen weder krank noch ansteckend sind. Es wäre aber verwegen, dann aufgrund steigender «Fallzahlen» zu behaupten, die Lockdown-Massnahmen würden nichts nützen.

Die Zunahme der Fälle könnte dann einfach eine Folge der vermehrten Tests sein, insbesondere wenn der Anteil von positiven Fällen an den Tests mehr oder weniger konstant bliebe.

Entscheidend für die künftige Entwicklung wird aber ohnehin nicht sein, wie viele Personen positiv getestet werden, als vielmehr, ob zum einen die Spitäler überlastet werden, und ob es andererseits gelingt, jene zu schützen, die schwere Krankheitsverläufe riskieren. Denn es ist zu befürchten, dass die ersten Impfstoffe ausgerechnet bei diesen Risikogruppen wenig Wirkung zeigen.

Weiterführende Informationen


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8 Meinungen

  • am 27.11.2020 um 13:08 Uhr
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    Ja, mit den Tests kann eben Politik gemacht werden. Da spielt es keine Rolle, dass Leute wie Prof. Dr. Steeck oder die WHO sagen, man sollte von dieser Fixierung auf die «positiven» Testresultate wegkommen und dazu übergehen, die Hospitalisationen und die Belegung der Betten auf den Intensivstationen als Massstab zu nehmen. Nur das wäre seriös. Es ist auch noch interessant zu sehen, dass die WHO das Testen nur empfiehlt bei Personen mit Symtomen und wenn es von einem Arzt angeordnet wird. Der PCR-Test wurde entwickelt um den Ärzten die Diagnose zuerleichtern, nicht aber, um eine Infektion abschliessend anzuzeigen.

  • am 27.11.2020 um 14:36 Uhr
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    Danke, ich freue mich immer wieder über klare differenzierte Berichte welche alle Aspekte einbeziehen. Die aktuelle Krise und ihre Gefahren werden wohl langfristig gesellschaftliche und politische Veränderungen mit sich bringen, den jede Krise bringt zuvor verborgene Aspekte ans Licht, welche der Revision bedürfen. Das Virus setzt sich auch auf jede faulende Stelle in unserer Gesellschaft, somit wird eine Krise auch zur Chance. Mögen wir alle daran wachsen und mögen alle Trost finden welche darob leiden und liebe Menschen verloren haben.

  • am 27.11.2020 um 16:28 Uhr
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    Na ja, wenn weniger Leute krank sind, gehen sie sich ja auch weniger testen. Daher sind die Fallzahlen schon ein Hinweis auf die tatsächliche Lage, solange alle Leute zu den Tests geschickt werden, die sich beim Arzt melden. Aber natürlich müssen alle Zahlen angeschaut werden. Die beste Zahl ist sicher die Zahl der Hospitalisierungen, aber die hinkt immer fast zwei Wochen den Ansteckungen hinterher. Sowieso schaue ich nur noch die Zahlen im Kanton oder gar in meinem Bezirk/Gemeinde an, und da sehe ich zB, dass die Zahl der Hospitalisierungen im Kt. Zürich noch nicht abgenommen haben….

  • am 27.11.2020 um 17:38 Uhr
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    Wäre es nicht überhaupt sinnvoller, auf den PCR-Test ganz zu verzichten, und das Feststellen von «Fällen», d.h. Infektionen mit Anzeichen einer Erkrankung, den Ärzten zu überlassen? Dann bekäme man realistische, interpretierbare Zahlen.

  • am 27.11.2020 um 20:20 Uhr
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    Sehr guter Artikel! Einmal mehr!

    Im März/April hatte man i.d. Medien nur die positiven Fälle ausgewiesen, was natürlich proportional zu den Getesteten verlief.
    Heute wird nebenbei auch die «Positivitätsrate» angegeben: wie viele Positive %ual.
    Das macht mehr Sinn.
    Das Problem ist dabei dass die, bezüglich einer Infektion nichts aussageneden, PCR Test je nach der Anzahl Zyklen welche in den Laboren gefahren wird («Cycle Treshold» «Schwellen-Zyklus» oder Ct-Wert) man bei jedem Mensch ein positives Resultat erwürgen kann.

    https://corona-transition.org/wieviele-vermehrungszyklen-beim-pcr-test-ergeben-ein-zuverlassiges-resultat

    Das würde auch erklären, warum noch die Positivitätsrate bis zum 26.Juni (noch nicht unter BAG) noch bei ca. 0.3% lag, dann nachdem die PCR-Test gratis und vom BAG koordiniert waren innert Tagen auf 3% (Fakto 10) schlechter wurden.
    Meine Vermutung : mehrere Zyklen wurden gefahren.

    Übrigens beim WEF (Grat Reset) spielt Corona eine Zentrale Rolle:

    https://www.weforum.org/agenda/2020/06/now-is-the-time-for-a-great-reset/

  • am 28.11.2020 um 13:32 Uhr
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    Der Schreiber dieses Artikels geht von der fälschlichen Annahme aus, dass die Positivitätsrate bei mehr Tests gleich bliebe. Das ist natürlich kompletter Unsinn. Würde mehr getestet, würden wahrscheinlich nur unwesentlich mehr positive Fälle gefunden, aber die Positivitätsrate der Tests sänke. Es ist davon auszugehen, dass jene Leute sich testen lassen, die mit gewissem Recht vermuten, dass sie sich infiziert haben können. Es macht schon Sinn, nur solche Leute zu testen, die auch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit dem Virus in Berührung gekommen sein könnten. Alles andere wäre einfach blosse Verschwendung von Ressourcen.

  • am 28.11.2020 um 15:33 Uhr
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    Alles sehr interessant. Mit Zahlen kann man wohl alles beweisen oder «verteufeln».
    Aber hört man über Behandlungsmöglichkeit JETZT? Sturer Blick auf Impfungen, irgend wan? Und was passiert bis dahin. Seit Jahrzehnten arbeitet man gegen alles, was natürliche Unterstützung fürs Immunsystem bringt. Darüber berichtet bereits ca 1980 Geigy (Vitalstoffe…) Das ging dann im Laufe der Zeit soweit, dass man (BAG) verbot Studien von renommierten Universitäten zu veröffentlichen, weil sie sich mit dem ganzen Inhalt von Obst und Gemüse befassen. Auch darüber gibt es Zahlen!!! die zeigen wieviel ein gutgepflegtes Immunsystem Lebensqualität und enorm weniger Kosten bringt. Immunsystem und Conora liest oder hört man davon ???
    Interessant ist auch «great Barrington Aktion» über den gesamten Umgang. Interessant und aufschlussreich!! Dazu sollte man mehr Energie investieren.
    Das Immumsystem ist unsere Armee, die uns schützt.

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