Pille

Verhütungspillen: Gefährliche Blutgerinnsel sind eine mögliche Nebenwirkung © meix

Frauen sollen Pille mit unbekanntem Risiko schlucken

Barbara Marti /  Mit «Drovelis» ist kürzlich eine Verhütungspille auf den Markt gekommen, deren Thromboserisiko man erst in sechs Jahren kennt.

Die neue Verhütungspille enthält zum ersten Mal das auf pflanzlicher Basis hergestellte Östrogen Estetrol. Laut dem Hersteller «Gedeon Richter» wird Estetrol vom Fötus produziert und ist ab der neunten Schwangerschaftswoche im Blut der Mutter nachweisbar. Das für «Drovelis» pflanzlich hergestellte Estetrol sei «bioidentisch». 

Unter Thrombose-Verdacht

«Drovelis» enthält jedoch zudem das Gestagen Drospirenon. Dieser Wirkstoff steht seit langem im Verdacht, ein vergleichsweise höheres Risiko für lebensgefährliche Blutgerinnsel zu haben. Solche Thrombosen sind als mögliche Nebenwirkungen hormoneller Verhütungsmittel bekannt. Sie entstehen in den Venen und können in seltenen Fällen zu lebensgefährlichen Schlaganfällen und Embolien führen. Ob die neue Pille in Bezug auf Thrombosen sicherer ist als andere, weiss niemand. Denn in den Studien wurde «Drovelis» nicht mit anderen Verhütungspillen verglichen, berichtete «spiegel.de». Wer die Pille schluckt, nimmt also an einem Experiment zum Thromboserisiko von «Drovelis» teil.

Laxe Zulassungsbehörden

Die zuständigen Behörden der EU und der USA haben die Pille kürzlich zugelassen. Die US-Behörde FDA fordert vom Hersteller zwar eine Studie zur Sicherheit der Wirkstoffkombination. Diese muss allerdings erst im Juni 2027 vorliegen. Die Herstellerfirma «Gedeon Richter» behauptet, es wäre ein «Wunder», wenn das Thromboserisiko bei der neuen Pille nicht geringer wäre als bei vergleichbaren Medikamenten. Denn beim pflanzlich hergestellten Estetrol handle es sich um einen «natürlichen» Bestandteil. In der Schweiz läuft das Zulassungsverfahren noch.

Geschädigte allein gelassen

Laut «spiegel.de» muss nach der Zulassung keine Behörde oder staatliche Stelle überprüfen, wie schädlich die Pille ist. Ärztinnen und Ärzte können vermutete Nebenwirkungen den Behörden melden. Doch falls sie diesen unbezahlten Aufwand vermeiden, drohen keinerlei Sanktionen. Wer gesundheitliche Schäden erleidet, muss vor Gericht selber den Beweis erbringen, dass die Pille die Ursache dafür ist. In den USA ist das einfacher, weil Sammelklagen möglich sind und riesige Schadenersatzzahlungen drohen. Deshalb hat der Pharmakonzern Bayer bereits über zwei Milliarden US-Dollar an Geschädigte von Verhütungspillen mit Drospirenon gezahlt, allerdings ohne eine Haftung anzuerkennen. Betroffene in Europa gingen bisher leer aus.

Chancenlose Klägerinnen

In Deutschland kämpft Felicitas Rohrer seit zehn Jahren erfolglos für Schadenersatz. Ende Juni hat das Oberlandesgericht Karlsruhe in zweiter Instanz ihre Klage gegen Bayer abgewiesen. Rohrer habe nicht beweisen können, dass die Pille mit dem Wirkstoff Drospirenon der Grund für die lebensgefährliche Lungenembolie war, die sie vor zwölf Jahren erlitten hatte. Eine Revision liess das Gericht nicht zu. Dagegen ist Beschwerde beim Bundesgerichtshof möglich (Aktenzeichen: 14 U 19/19). 

In der Schweiz hat das Bundesgericht mit dem gleichen Argument Anfang 2015 die Klage einer jungen Frau abgewiesen. Sie hatte nach der Einnahme einer Verhütungspille mit dem Wirkstoff Drospirenon eine Lungenembolie erlitten und ist seither schwerst behindert. 

Lukratives Geschäft 

In zahlreichen Ländern empfehlen unabhängige Institutionen und viele Ärztinnen und Ärzte vorrangig die Pillen der 2. Generation mit dem Wirkstoff Levonorgestrel, weil das Risiko einer Thrombose geringer ist als bei neueren Pillen der 3. oder 4. Generation mit Wirkstoffen wie Desogestrel und Drospirenon. Verhütungspillen sind für Pharmakonzerne ein lukratives Geschäft. Auslaufende Patente sind der Grund dafür, dass immer wieder neue Verhütungspillen auf den Markt kommen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Die Autorin ist Redaktorin und Herausgeberin der Online-Zeitschrift «FrauenSicht».
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Politik der Pharmakonzerne

Sie gehören zu den mächtigsten Konzernen der Welt und haben einen grossen Einfluss auf die Gesundheitspolitik.

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4 Meinungen

  • am 10.08.2021 um 18:32 Uhr
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    ‹empfehlen unabhängige Institutionen und viele Ärztinnen und Ärzte›
    Wenn Ärzte etwas empfehlen, dann empfiehlt die Berufsrolle Arzt, nicht die Menschen, die diese Rolle einnehmen. Die Formulierung ‹Ärztinnen und Ärzte› impliziert, die Menschen, welche den Beruf Arzt ausüben, hätten medizinische Kompetenz. Dem ist aber nicht so, die Menschen, die Arzt sind, haben keine medizinische Bedeutung, wie Menschen generell keine öffentliche Bedeutung haben. Nur der Beruf, die Funktion zählt, nicht der Ausüber.

  • am 10.08.2021 um 20:52 Uhr
    Permalink

    Dank des Beitrages, können Frauen hier wenigstens gewarnt werden. Merci!

  • am 11.08.2021 um 07:19 Uhr
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    Dieser Beitrag passt prima zur heutigen Corona-Impfdiskussion.
    Mit meinen 70 Jahren brauche ich zum Glück keine Pille mehr.
    In meiner Jugend habe ich sehr bewusst auf jegliche Einnahme dieses so patenten und voll im Trend liegenden Verhütungsmittels verzichtet. Es war mir ein zu grosser Eingriff in meinen Körper. Nach der Geburt meiner Kinder habe ich mich dann unterbinden lassen. Diese einmalige «mechanische Operation» bedeutete für mich die geringere Belastung für meinen Körper als die tägliche Einnahme der Pille über fast zwei Jahrzehnte. Meine Partner haben mich bei der konservativen Verhütung alle immer unterstützt. Das Schlucken der Pille wäre jedoch viel einfacher gewesen.

    HEUTE möchte ich meinen Körper den mit vielen unbekannten Komponenten versehenen und noch viel zu wenig getesteten «Impfstoffen» nicht aussetzen. Dafür kann keine Behörde oder sonst jemand die Verantwortung übernehmen. Auch hier wähle ich nicht den bequemeren Weg.

    PS. Mein Verhalten im Alltag gestalte ich so, dass mich möglichst niemand mit Corona anstecken kann und ich folglich auch niemanden infiziere. Der Verzicht auf die Pille liess sich etwas einfacher durchziehen.

  • am 16.08.2021 um 04:54 Uhr
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    Zitat Migrosmagazin 46/2013 (11. Nov.):
    Frau der Woche
    Opfer des Systems
    Céline Pfleger (22) ist seit einer Lungenembolie schwerstbehindert. Sie hatte die Antibabypille Yasmin genommen. Nun hat das Bezirksgericht Zürich die Klage ihrer Familie gegen den Hersteller Bayer abgewiesen. Die Familie soll den Pharmakonzern mit 120’000 Franken für den Prozess entschädigen. In den USA zahlte Bayer aussergerichtliche Entschädigungen von rund 1,575 Milliarden Franken an Yasmin-Opfer. Die Begründung des Konzerns: Das Rechtssystem sei dort halt anders.
    Mein Fazit: Jeder kann alles in den lobpreisendsten Farben malen – wie Andrea Masüger in der Südostschweiz (31.7.2021) über Corona: «Die Welt hat in einem beispiellosen Effort hochwirksame und unbedenkliche Impfstoffe aus dem Hut gezaubert», weil, versuchen Sie mal, in der Schweiz irgendjemanden haftbar zu machen, insbesondere für iatrogene Schäden; ich sehe zappenduster, infaust. Die Schweiz bräuchte ein Haftungsrecht, quasi eine Konzernverantwortungsinitiative für Inländer, die die wackeren Tellentöchter und -söhne schützt, statt Gesslers Mächtige.

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