Patientin bekommt Medikament vom Arzt

Laut einer dänischen Studie verordneten vor allem Allgemeinpraktiker das Quetiapin. © Milkos / Depositphotos

Nebenwirkungen: Herzschäden, Stürze, Todesfälle

Martina Frei /  Fachleute warnen seit Jahren. Doch Ärzte verschreiben Quetiapin oft für Beschwerden, gegen die es nicht zugelassen ist.

Der Wirkstoff Quetiapin ist ein Arzneimittel gegen Psychosen. In niedriger Dosierung wird es aber seit Jahren zunehmend gegen Schlaflosigkeit, Niedergeschlagenheit oder andere Beschwerden eingesetzt, obwohl es dafür nicht zugelassen ist. Die nachgewiesenen Nebenwirkungen: Erhöhtes Sterberisiko, Herzschäden, Bewegungsstörungen, Benommenheit tagsüber, Schwindel und Stürze, erhebliche Gewichtszunahme schon bei niedriger Dosierung, schlechtere Blutfettwerte, Anstieg des Blutdrucks und des Blutzuckerspiegels.

Trotzdem wird es immer häufiger verschrieben: Im Jahr 2012 verordneten Ärzte in der Schweiz circa 79’400 Personen Quetiapin. Letztes Jahr bekamen rund 156’000 Menschen diesen Wirkstoff, der in den Gehirnstoffwechsel eingreift. Das zeigen Hochrechnungen der Helsana-Krankenversicherung.

Der Trend hielt in den letzten Jahren an: Seit 2019 stieg die Anzahl der Bezügerinnen und Bezüger dieses Arzneimittels um fast 16 Prozent. Auffallend war die Steigerung nach dem ersten Corona-Lockdown: Die Helsana verzeichnete von Ende April 2020 bis Ende Mai 2020 eine Zunahme an Quetiapin-Bezügen um elf Prozent, verglichen mit den drei Vorjahren.

«Quetiapin ist kein Schlafmittel»

Zugelassen ist Quetiapin, das unter dem Namen «Seroquel», «Sequase» oder «Quetiapin» vertrieben wird, hierzulande ausschliesslich gegen Schizophrenie und bei sogenannten bipolaren Psychosen (depressive und manische Phasen im Wechsel). Die empfohlene Tagesdosis liegt bei 300 bis 450 Milligramm, in Einzelfällen bis zu 800 Milligramm. Tabletten mit verzögerter Wirkstofffreisetzung sind auch als Zusatzbehandlung (nebst anderen Medikamenten) gegen schwere Depression zugelassen.

Rezeptiert wird Quatiapin häufig in Dosen von 25, 50 oder 100 Milligramm zum Preis von rund 60 Rappen bis 1,10 Franken. Derart dosiert wirkt es angstlösend und es macht schläfrig. Doch: «Quetiapin ist kein Schlafmittel […] Dem unbewiesenen Nutzen als Schlafmittel steht eine Vielzahl von Nebenwirkungen gegenüber», hielt «Der Arzneimittelbrief» 2020 fest. Das Vertrauen in Wirkungen und Sicherheit von Quetiapin werde mündlich überliefert und resultiere möglicherweise auch aus dem Marketing des Herstellers in der Vergangenheit (siehe Box unten).

Quetiapin gehört zu den Wirkstoffen, vor denen Fachleute regelmässig warnen. Trotzdem wird das Medikament Erwachsenen jeden Alters auch im Ausland immer öfter verordnet: «Quetiapin ist inzwischen das am häufigsten verschriebene Antipsychotikum in verschiedenen Ländern wie Australien, Dänemark, Finnland, Deutschland, Island, Norwegen, Spanien, Schweden und den USA», berichteten dänische Wissenschaftler letztes Jahr im «British Journal of Clinical Pharmacology» und wiesen ebenfalls darauf hin: «Der Einsatz von Quetiapin ist problematisch.»

Zum Beruhigen dementer Patienten eingesetzt

Dessen ungeachtet wird das rezeptpflichtige Medikament niedrig dosiert nicht nur bei Schlafstörungen verordnet, sondern wurde zum Beispiel auch bei ADHS propagiert, bei Alzheimer, Stressreaktionen, gegen Aggressivität, Stimmungsschwankungen, posttraumatischen Störungen, Ess-, Zwangs- oder Angststörungen oder zum Beruhigen dementer Patienten. Auch wenn es im Einzelfall nützen kann: All diese Behandlungen sind «off-label», also für Beschwerden und Krankheiten, gegen die das Medikament nicht zugelassen ist.

Dänische Wissenschaftler zeigten letztes Jahr, dass selbst Quetiapin-Dosierungen unter 50 Milligramm bei Erwachsenen mit mehr tödlichen Herzinfarkten und Schlaganfällen einhergehen, verglichen mit der Einnahme von Schlafmitteln aus der Gruppe der sogenannten «Z-Substanzen» (wie beispielsweise Zolpidem) oder mit Antidepressiva vom Typ «SSRI». Betroffen von solchen Todesfällen waren insbesondere ältere Menschen, Frauen stärker als Männer. Auch wenn diese Studie nicht beweise, dass Quetiapin die Ursache war, sei angesichts dieser Ergebnisse vom «Off-label»-Gebrauch von Quetiapin in niedriger Dosis stark abzuraten, so die Autoren der Studie in «World Psychiatry».

Problematisch kann es insbesondere werden, wenn die Patienten nebst dem Quetiapin weitere Psychopharmaka nehmen, die ebenfalls mit einem erhöhten Sterberisiko in Verbindung gebracht werden. Auch eine Untersuchung der Herzströme (EKG), wie dies vor der Verordnung sicherheitshalber oft gemacht wird, kann tödliche Herzrhythmusstörungen nicht sicher vorhersagen.

In Schweizer Pflegeheimen oft verordnet

Einen weiteren auffälligen Zusammenhang gibt es zwischen Quetiapin und Demenz – einer der Gründe, es alten Menschen möglichst nicht zu geben.

Dennoch erhielt in Schweizer Pflegeheimen 2016 etwa jede fünfte Person mindestens ein Rezept für Quetiapin. Etwa eine von sieben Personen bekam das Antipsychotikum sogar als Langzeitverordnung, ergab eine Helsana-Studie in der Fachzeitschrift «Swiss Medical Weekly». Quetiapin war dort der Spitzenreiter unter den Medikamenten, die Seniorinnen und Senioren möglichst gar nicht erhalten sollten, und wenn, dann kürzer als sechs Wochen. «Die Hitliste der kostenintensivsten Wirkstoffe [in Schweizer Pflegeheimen] wurde 2016 vom Quetiapin angeführt, welches bei älteren Personen häufig ‹off-label› eingesetzt wird. Die Gesamtbezüge stiegen seit 2013 um 40,6 Prozent an», stand im Helsana-Arzneimittelreport.

Auch «der bestehende grosszügige ‹Off-label›-Einsatz bei älteren Patienten mit Demenz oder Unruhe-Symptomatik ist strikt abzulehnen», befand «Der Arzneimittelbrief» schon 2013. Dem pflichtet Petra Thürmann bei, Professorin für Klinische Pharmakologie an der Universität Witten/Herdecke und Mitherausgeberin einer kürzlich überarbeiteten Liste mit Medikamenten, die für alte Menschen ungeeignet sind: «Gegen den Einsatz von Quetiapin bei Demenz gibt es genügend klare Gründe: keine nachgewiesene Wirksamkeit und viele Nebenwirkungen.»

Nur «als letzte Zuflucht»

Schon 2009 empfahl ein Pharmakoepidemiologe in der US-Ärztezeitung «Jama», den Wirkstoff «off-label» generell nur «als letzte Zuflucht» zu verordnen. Im Dezember 2016 riet das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in einem Leitfaden für Mediziner ebenfalls, «von einer ‹Off-label›-Anwendung von Quetiapin abzusehen.» 

In der Schweiz müssten Ärzte bei «Off label»-Verschreibungen ein Gesuch um Kostenübernahme bei der Krankenkasse stellen. Denn die Kassen müssen Medikamente nur für zugelassene Therapien zahlen. Doch: «Bei der Helsana kommen zu Quetiapin keine diesbezüglichen Anfragen von Ärzten», sagt Mediensprecher Urs Kilchenmann. Dasselbe bei der Krankenversicherung CSS: «Die CSS bearbeitet jährlich bis zu 10’000 Gesuche für eine ‹Off-Label›-Vergütung. Für das Medikament Quetiapin war bis anhin keine Anfrage dabei. Die CSS bezahlt Quetiapin gemäss Spezialitätenliste – andere Dosierungen oder Anwendungen lehnen wir ab», sagt die Mediensprecherin Sabine Betschart. Im Einzelfall zu prüfen, ob Quetiapin «off label» rezeptiert wurde, sei angesichts der Fülle an Rechnungen allerdings nicht machbar.

Um herauszufinden, wogegen Quetiapin so oft verschrieben wird, wertet Petra Thürmann gerade zusammen mit Kollegen und Kolleginnen die Daten einer grossen deutschen Krankenkasse aus. Die Pharmakologin vermutet, dass die Diagnosen, für die Quetiapin zugelassen ist, den kleinsten Teil der Anwendungen ausmachen.

Mindestens 40 Prozent erhielten das Medikament «off-label»

In Skandinavien gibt es zum «Off-label»-Gebrauch bereits mehrere Studien: «Das Antipsychotikum Quetiapin wird immer öfter nicht als solches gebraucht. […] Es scheint, dass der Einsatz von Quetiapin zur Behandlung von Psychosen in Norwegen derzeit eine Rarität ist, zumindest im ambulanten Bereich», berichteten etwa norwegische Ärzte 2017 in «Pharmacoepidemiology and Prescription».

In anderen skandinavischen Ländern verlief die Entwicklung ähnlich. So hatten 2018 in Dänemark über 40 Prozent der Quetiapin-Anwender keine Erkrankung, bei der dieser Wirkstoff angezeigt gewesen wäre. Die meisten waren zwischen 38 und 62 Jahre alt. Nur etwa eine von sechs Personen, die neu Quetiapin bekamen, wurde dort überhaupt von einem Psychiater untersucht. 68 Prozent der Erstrezepte stellten Allgemeinpraktikerinnen und -praktiker aus, berichteten dänische Wissenschaftler in «Epidemiology and Psychiatric Sciences». 

Allgemeinpraktiker stellten die Rezepte aus

Von allen Antipsychotika, die Personen ohne entsprechende psychiatrische Diagnose verordnet wurden, war niedrig dosiertes Quetiapin mit Abstand das häufigste. «Wir stellen einen beträchtlichen und zunehmenden potenziellen «Off-label»-Gebrauch von Quetiapin bei Erwachsenen in Dänemark fest. Diese Entwicklung wurde hauptsächlich von Allgemeinärzten vorangetrieben», lautet das Fazit einer dänischen Studie, die letztes Jahr im «British Journal of Clinical Pharmacology» erschien.

Quetiapin Verordnungen Dänemark
Links: Die Anzahl der Quetiapin-Anwender in Dänemark pro 100’000 Personen stieg von 2000 bis 2020 (blaue Linie, linke Skala). Die mittlere Dosis pro Anwender dagegen sank im gleichen Zeitraum (rot gestrichelte Linie, Skala rechts). Mitte: Der Anstieg aufgeschlüsselt nach Altersgruppen. Rechts: Verkaufte Tagesdosen von Quetiapin im ambulanten Bereich von Hausärzten (rot) und von Fachärzten (blau) im Zeitverlauf.

Schweizer Krankenkassen geben jährlich über 49 Millionen Franken für Quetiapin aus

Einer der Gründe dafür sei, dass Ärzte bei den früher oft eingesetzten Schlaf- und Beruhigungsmitteln aus der Gruppe der Benzodiazepine wegen des Suchtpotenzials und anderer Nebenwirkungen zurückhaltender wurden. Dies könnte ein «klinisches Vakuum» erzeugt haben bei Patienten, die keinen Psychiater bräuchten, aber eine Behandlung gegen Angst oder Schlaflosigkeit. Quetiapin könnte diese Lücke füllen, vermuten die Autoren. Ein weiterer, aktueller Grund könnten Lieferengpässe bei diesen Beruhigungsmitteln sein. Was bei der Behandlung oft untergeht: Langfristig wirksamer und sicherer als Medikamente ist bei Schlafstörungen zum Beispiel eine kognitive Verhaltenstherapie. Vier bis acht Sitzungen genügen laut einem Fachartikel im «Schweizerischen Medizin Forum» in der Regel.

Falls bei einer «Off-label»-Verordnung etwas schief geht, können gegen die Ärztin oder den Arzt strafrechtliche Schritte eingeleitet werden – wenn die Patienten über den «Off label»-Gebrauch nicht aufgeklärt wurden und nicht zugestimmt haben. Kam die verordnende Person ihrer Aufklärungspflicht nach, dann nehmen die Patienten das Medikament auf eigene Verantwortung.  

Seit mehreren Jahren zählt Quetiapin hierzulande zu den zwanzig meist bezogenen Wirkstoffen. Laut dem Helsana-Arzneimittelreport gaben die Schweizer Krankenkassen allein im Jahr 2022 über 49 Millionen Franken für dieses Antipsychotikum aus – Folgekosten nicht eingerechnet.

Verurteilung wegen Marketing zu «Off-label»-Zwecken

Im Jahr 2008 war Quetiapin, das anfangs nur dem Markennamen «Seroquel» vertrieben wurde, laut «PharmaTimes» das am zweitbesten verkaufte Medikament des Herstellers AstraZeneca. Es zählte bereits damals zu den Spitzenreitern bei den «Off-label»-verschriebenen Arzneimitteln.

Das kam nicht von ungefähr. Von 2001 bis 2006 bewarb AstraZeneca das Medikament bei Psychiatern und anderen Ärzten für diverse Gesundheitsprobleme, für die «Seroquel» nicht zugelassen war, zum Beispiel gegen Aggression, Alzheimer, Angst, ADHS, Demenz, posttraumatische Belastungsstörung und Schlaflosigkeit. Laut dem US-Justizdepartement honorierte AstraZeneca Ärzte dafür, «um AstraZeneca über Marketingbotschaften für nicht zugelassene Verwendungen von «Seroquel» zu ‹beraten›, und bezahlte Ärzte dafür, dass sie anderen Angehörigen von Gesundheitsberufen Werbevorträge über nicht zugelassene […] Verwendungen von «Seroquel» hielten.» 2010 überwies AstraZeneca 520 Millionen US-Dollar, um Rechtsstreitigkeiten wegen des unzulässigen Marketings zum «Off-label»-Einsatz von «Seroquel» beizulegen – angesichts der damaligen Jahresumsätze von rund 4,5 Milliarden Dollar ein kleiner Betrag. Die Pharmafirma selbst bestritt ein Fehlverhalten.

Um legal einen grösseren Marktanteil zu erzielen, beantragte die Firma bei der US-Arzneimittelbehörde FDA, «Seroquel» in einer neuen Retardformulierung gegen weitere Erkrankungen zuzulassen. Trotz Warnungen eines FDA-Beraters, der «Seroquel» mit plötzlichen Herztodesfällen in Verbindung brachte, entschied die FDA 2009, die Zulassung zu erweitern: Das Arzneimittel durfte fortan in den USA in Kombination mit anderen Medikamenten auch gegen Depression und – als Mittel der zweiten Wahl – gegen Angststörung verordnet werden. Die Arzneimittelbehörde verliess sich dabei unter anderem auf Studienresultate, die der Hersteller präsentierte und die angeblich «im schlimmsten Fall minimale Risiken zeigten», wie das Wissenschaftsmagazin «Science» berichtete.

Der FDA-Mitarbeiter, der sich für die Argumente des Herstellers stark machte und jene des Warners klein redete, verliess die FDA kurz darauf und gründete eine Firma, die den Herstellern von psychiatrischen Medikamenten beim Zulassungsprozess durch die FDA behilflich war. Zu seinen Kunden gehörte laut «Science» auch AstraZeneca.

Nachher stellte sich heraus, dass der FDA-Berater zu Recht vor Herztodesfällen gewarnt hatte. 2011 verfügte die FDA, dass im Beipackzettel von «Seroquel» ein Warnhinweis stehen müsse.

Einer, der 2009 für die erweiterte Zulassung stimmte, war der US-Kardiologe Christopher Granger von der Duke University School of Medicine. Er beziehungsweise seine Universität erhielt laut «Science» in den Folgejahren über 63’000 US-Dollar von AstraZeneca und 1,3 Millionen US-Dollar von Pharmafirmen, die «Seroquel»-Konkurrenz-Medikamente herstellten. Es liess sich belegen, dass über 400’000 Dollar für Reisen, Beratungstätigkeiten und Honorare an den Medizinprofessor flossen. 

All das habe sein Votum für «Seroquel» jedoch nicht beeinflusst, beteuerte Granger. Er habe für manche Menschen mit schweren psychiatrischen Erkrankungen schlicht den Nutzen des Arzneimittels als grösser erachtet als die Risiken. Jahre später – als laut «Science» bereits Tausende von Meldungen wegen Herzschäden, inklusive Todesfällen, bei der FDA eingegangen waren – bezeichnete Granger den weit verbreiteten «Off-label»-Einsatz von «Seroquel» als «Public Health Tragödie».


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4 Meinungen

  • am 12.12.2023 um 12:43 Uhr
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    Einmal mehr leider eine klare Bestätigung, dass unter dem aktuellen Bundesrat, insbesondere des Leiters des EDI, die beiden Gesundheitsbehörden Swissmedic & BAG als Handlanger des politisch mehrheitsfähigen Willens die wirtschaftl. Eigeninteressen der Pharmaindustrie und in diesem Falle eben auch der Altersheime (Förderung von Gewinn & Profit / Wahrung des Pillenstaates Schweiz zur Absicherung des BIP) und eben nicht mehr med.-wissenschaftl. Abklärungen / Kontrollen gemäss med. Ethik und ärztlicher Sorgfaltspflicht (Zulassung & Postmarketing-Pharmakovigilanz, Zweckmässigkeits- resp. Nutzenbeleg im breiten Klinik- & Praxisalltag) zur Wahrung der Patientensicherheit und Kosteneffizienz unseres (neoliberal) ökonomisierten Gesundheitssystems die übergeordnete Rolle spielt!

    Der Patient ist in der Schweiz unterdessen leider zur reinen gewinn- und profitoptimierenden Handelsware verkommen …

  • am 12.12.2023 um 13:12 Uhr
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    Man erinnere sich immer wieder des Contergan-Skandals – eine Tragödie mit Ansage. Keiner der Verantwortlichen wurde bestraft, die Firma kaufte sich mit einer Geldspende frei. In der DDR wurde Contergan wegen des Verdachts, dass Glutaminsäure als Antivitamin den Fötus schädigen könnte, gottseidank nicht zugelassen. In Österreich wurde wenigstens eine Rezeptpflicht durchgesetzt, was zu einer geringeren Anzahl an geschädigten Neugeborenen führte. Eine Pharmaindustrie mit Gewinnabsichten, rücksichtlose Gesundheitsbürokraten und Politiker mit eigener Agenda werden den verantwortungsvollen, zielgerichteten, sparsamen und vorsichtigen Einsatz von Medikamenten und Therapien immer wieder hintertreiben und sich Grundlagen schaffen, dies straffrei zu halten bzw. so zu verschleppen und zu verschleiern, dass der Rechtsstaat keine Handhabe mehr hat. Es geht auch durch unsere rapide alternde Bevölkerung um immer mehr Geld. Härtere Gesetze und eine grundsätzliche Offenlegungspflicht wären ein Mittel.

  • am 12.12.2023 um 19:22 Uhr
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    Alles ziemlich undifferenziert.
    Die offlabel Anwendung von NL als Sedativum beschränkt sich nicht nur auf Quetiapin, sondern betrifft nahezu alle dämpfenden NL, auch gerade viele der alten, niedrigpotenten. In der Psychiatrie werden NL häufig als Sedativa und Anxiolytika eingesetzt, da Benzos dem Notfall vorbehalten sind und NL andere psychiatrische Symptome miterfassen können.
    Ebenso werden Risperidon sowie Olanzapin in der Geriatrie en masse eingesetzt, zu demselben Zweck wie Quetiapin: die Menschen gefügig halten.
    Auch trifft die mögliche Nebenwirkung betr. QTc-Intervall auf nahezu alle NL zu, wie auch auf etliche alte und neue ADs.
    Warum in der besagten Studie Bezug auf SSRI genommen wird, erschliesst sich mir nicht, da SSRI generell keine sedative Wirkung zeigen.
    Viele Psychiatriepatienten beziehen ihre Medikation über den Hausarzt, weil es schlicht nicht genügend Psychiater gibt und diese zusätzlich massiv überlastet sind, weil sie ihre Therapeuten in Ausbildung verloren haben.

    • Portrait Martina Frei 2023
      am 13.12.2023 um 09:36 Uhr
      Permalink

      @Hrn. Spring: Die im Text verlinkten Studien belegen die starke Zunahme der Quetiapin-Verschreibungen. Verglichen mit anderen Substanzen war diese Zunahme deutlich höher. Die SSRI wurden in der erwähnten Studie wegen der angstlösenden Wirkung als Vergleich herangezogen.

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