Yoga Vrischikasana - der Baum

Yoga kann bei Krebs die Lebensqualität steigern. © Philipp Wiebe / pixelio.de

Von Akupunktur bis Zink: Was bei Krebs helfen kann

Martina Frei /  Eine neue Leitlinie gibt Empfehlungen zu Dutzenden von Mitteln. Sie können die Behandlung nicht ersetzen, aber ergänzen.

Gegen Krebserkrankungen wird allerhand propagiert: Mistelpräparate, Heilpilze, Vitamine, Nahrungsergänzungsmittel … Bis zu 70 Prozent der Menschen mit Krebs probieren neben der Krebstherapie auch Mittel und Methoden der Komplementärmedizin. Die soeben erschienene Leitlinie zur Komplementärmedizin bei Krebs1 fasst nun zusammen, was davon wissenschaftlich erwiesen ist oder zumindest mit gutem Gewissen empfohlen werden kann – und was nicht. Hunderte von Studien haben Autoren dafür gesichtet und gewichtet. Ihre Empfehlungen reichen von «soll» (starke Empfehlung) über «sollte» und «kann» erwogen werden bis zu «soll nicht».

Ingwer zum Beispiel «kann» gegen Übelkeit und Erbrechen während der Chemotherapie eingesetzt werden. Eine andere Möglichkeit ist gemäss der Leitlinie die Akupressur am Meridian-Punkt «P6» etwa drei Finger breit vom Handgelenk entfernt. Der Punkt wird etwa eine Minute lang mit etwas Druck massiert. Auch dies «kann» Übelkeit und Erbrechen während der Chemotherapie lindern – aber immer nur ergänzend zu den verordneten Medikamenten.

Akupunktur gegen Schmerzen

Über 50 verschiedene Methoden und Mittel – von Akupunktur über Mistel bis Zink – haben die Autoren bewertet. Dabei geben sie jeweils an, in welcher Situation ihr Einsatz nützen könnte, wie einig sie sich in der Bewertung waren und auf welche Studien sie sich dabei berufen. 

Akupunktur etwa «sollte» gegen (Tumor-)Schmerz eingesetzt werden und auch gegen die Gelenkschmerzen, die manche Brustkrebspatientinnen von bestimmten Medikamenten bekommen. Sie «kann» bei Schlafstörungen versucht werden, nicht aber während einer Bestrahlungstherapie.  

Die Leser können in der Leitlinie sowohl nach Methoden suchen wie Anthroposophische Medizin, Meditation, Homöopathie, Yoga, biologische Therapien oder Sport als auch danach, was bei einzelnen Beschwerden ergänzend zur herkömmlichen Behandlung helfen könnte. Die Beschwerdeliste umfasst über 30 Probleme, von Angst über Schlafstörungen bis Wundheilung.

Von Vitamin E wird abgeraten

Bei «menopausalen Symptomen» infolge einer Brustkrebsbehandlung beispielsweise erhält die Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) die Empfehlung «kann» verwendet werden, sogenannte Isoflavone aus Soja dagegen werden bewertet mit «soll nicht». 

Gegen die Nervenschmerzen (Polyneuropathie), die manche Patienten als Nebenwirkung nach Chemotherapien verspüren, «kann» die Akupunktur versucht werden, Vitamin E oder Carnitin dagegen sollen nicht eingenommen werden. 

Die 630 Seiten starke Leitlinie richtet sich zwar an ein breites Publikum, dürfte für viele Laien jedoch, auch wegen der medizinischen Fachsprache, mühsam zu lesen sein. Eine Zusammenfassung für Patienten ist aber in Vorbereitung. Bis sie vorliegt, hält man sich am besten an den Anhang der Langversion oder an die Kurzversion. Dort steht komprimiert das Wichtigste. 

Vitamin C kann die Chemotherapie ungünstig beeinflussen

In der Langversion findet sich auf den Seiten 611/612 eine Tabelle, bei denen zu fast 40 Methoden oder Mitteln ein Symbol angibt, ob ein Risiko für Wechselwirkungen mit der Krebsbehandlung besteht. Für Details schlägt man dann im entsprechenden Kapitel nach. 

Solche Hinweise sind wichtig, denn Laien ist oft nicht bewusst, dass beispielsweise hochdosiertes Vitamin C die Wirkung einer Bestrahlungstherapie verstärken oder den Effekt der Chemotherapie ungünstig beeinflussen kann. Oder dass der «Reishi-Heilpilz» Ganoderma lucidum bei einer Behandlung mit Blutdrucksenkern nicht eingenommen werden darf, warnen die Autoren der Leitlinie. Denn er könne ebenfalls blutdrucksenkend wirken.  

Noch viele Wissenslücken

Ab Seite 613 in der Langversion stehen kurz und knapp die «Positiv»- und die «Negativ»-Empfehlungen. Um die Lebensqualität zu erhöhen, «soll» Bewegung und «kann» unter anderem Yoga, Meditation, Homöopathie oder bei bestimmten Tumoren Mistel versucht werden, erfährt man dort. Die unsägliche Erschöpfung (Fatigue), die manche Betroffene noch nach überstandener Krebstherapie verspüren, «soll nicht» mit Guarana-Trockenextrakt behandelt werden, aber mit Bewegung. 

Eine Checkliste, um seriöse Therapeuten zu erkennen, ist in beiden Versionen verlinkt.

Die Empfehlungen der Leitlinie, die regelmässig aktualisiert werden soll, sind breit abgestützt. Sie wurde in gemeinsamer Arbeit von vier Patientenselbsthilfegruppen, über 20 medizinischen Fachgesellschaften und Berufsverbänden erstellt. Ein Manko – für das die Autorinnen und Autoren aber nichts können – ist, dass «für einige Schlüsselfragen nur wenige Daten gefunden» wurden. Dies betreffe insbesondere die Pflanzenheilkunde und die Mikronährstoffe. Hier gelte es, mit «qualitativ hochwertigen Studien […] Wissenslücken zu schliessen».

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1 Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen, erhältlich als Langversion sowie als Kurzversion und zum Herunterladen als App.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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2 Meinungen

  • am 30.07.2021 um 13:01 Uhr
    Permalink

    Integrale Krebstherapien. Dr. Jean Colombera, Arzt mit über 40 Jahren Fronterfahrung und zweifach ausgezeichnet für sein Wirken, unter anderem mit seinem Buch über integrale Krebstherapien, welches alle bisher bekannten integralen Therapien ausleuchtet und das globale Versagen der bisherigen Bemühungen der Pharmaindustrie, die Geissel Krebs in den Griff zu bekommen, durch Zahlen aufzeigt, kann ich zu diesem Thema sehr empfehlen. (Webseite:https://www.almp4you.lu/ ) Ich darf mich glücklich schätzen, zu seinem Freundeskreis zu gehören. Wie der Infosperber machte er sein Wirken oft ehrenamtlich im Dienst an der Gesellschaft. Der Shitstorm und die rechtlichen Klagen welche gegen Dr. Colombera losgingen als sein faktenbasiertes Buch erschien, spricht Bände. Ich kenne aufgegebene ehemalige lebensbedrohlich Erkrankte, welche dank seiner Forschung ein neues Leben haben. Am Anfang wurde sein Buch im Internet von einigen Suchmaschinen, wenn überhaupt, zuhinterst angestellt beim suchen. U.a. nach der Verleihung der zwei Ehrentitel von Luxemburg begann sich dies zu ändern. Ich bin damals sehr erschrocken, als ich diese geballte Macht von Marketing und Medien sah, welche im Auftrag der Entblössten versuchten, diesen Arzt und Menschen klein zu treten, welcher einen grossen Teil seiner Arbeit altruistisch geleistet hat. An den Früchten erkennt man die kompetenten Schaffenden, an der Blutspur die reinen Streber nach «Gewinn». (Buch: Alphons Silbermann: Das Geschäft mit der Angst )

  • am 30.07.2021 um 13:07 Uhr
    Permalink

    ‹Sie können die Behandlung nicht ersetzen, aber ergänzen.›
    Welche Behandlung?
    Wenn man komplementäre Therapien listet, sollte wenigstens zwischen pathogenetischen und salutogenen Methoden unterschieden werden. Die ersteren wirken auf die Krankheit, hier den Krebs, und lassen sich biomedizinisch beschreiben. Dazu gehören Vitamine, Nahrungsergänzungsmittel, usw. (die eigentlich gar nicht als komplementär zu betrachten sind).
    Die salutogenen Therapien stärken die Gesundheit, die Selbstheilungskräfte, ohne Bezug zur Krankheit und entziehen sich naturwissenschaftlicher Beschreibung und Beweisführung, auch wenn symbolisch Stoffliches (Homöopathie) oder Physikalisches (Ergotherapie) eingesetzt wird. Die salutogenen Methoden wirken über Psyche -> Nervensystem-> Immunsystem. Es findet keine physikochemische oder biologische Wechselwirkung statt. Es heilt der Heiler, nicht das Heilmittel (falls überhaupt eines verwendet wird).

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