Kind mit Maske auf Velo

Dass den Kindern Massnahmen auferlegt wurden und werden mit Massentests, Maskenpflicht, Selbstisolation, Quarantäne und Impfen – das habe politische und soziale Gründe, aber keine medizinischen, sagt der Direktor der Kinderkardiologie und Pädiatrischen Intensivmedizin am Klinikum der Universität München. © Johnny_Harvester / pixabay

«Impfen von Kindern ist medizinisch nicht zu rechtfertigen»

Martina Frei /  Dass ein Kind schwer an Covid erkranke, sei seltener als ein Blitzschlag. Nur würden solche Fakten kaum in den Medien gebracht.

Herr Professor Haas, Sie sind Spezialist für Kinderintensivmedizin und für Kinderherzheilkunde. Sollen sich Kinder und Jugendliche gegen Covid impfen lassen?

Aus medizinischen Gründen brauchen sie die Coronaimpfung nicht. Das Impfen von Kindern und Jugendlichen gegen Covid geschieht in Deutschland aus rein politischen und sozialen Gründen. Mit Evidenz-basierter Medizin hat das nichts zu tun. 

In den Medien klingt das aber anders: Ihr Gesundheitsminister Karl Lauterbach zum Beispiel warnt immer wieder davor, dass auch Kinder schwer an Covid-19 erkranken können. Was sollen Eltern da glauben?

Herr Lauterbach ist Epidemiologe, er sieht nicht täglich Patienten wie wir Kinderärzte. Es ist schon wunderlich, dass Epidemiologen und Virologen, deren Aufgabe allenfalls eine Beratung sein sollte, nun versuchen, echte Medizin zu machen. Und am schlimmsten ist es, wenn diese versuchen, Einfluss auf die Behandlung von Kindern zu nehmen. Das sollten sie uns Fachleuten überlassen, den Kinderärzten. Aber wenn man Herrn Lauterbach mit Zahlen widerspricht, erscheint man in den Medien bereits als «Querdenker» und dann wird das, zum Beispiel im Fernsehen, einfach nicht gesendet.

Was genau wurde nicht gesendet?

Ich bin bereits Ende 2020 von zwei Fernsehteams von deutschen, öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern für ein Interview angefragt worden, um Stellung zu beziehen, dass COVID für Kinder sehr gefährlich sei. In einem Vorgespräch habe ich die Fakten anhand der Daten der «Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie» (DGPI) und des Robert Koch Instituts (RKI) dargelegt. Daraufhin wurde mir sinngemäss gesagt: ‹Wenn nach Ihrer Meinung Covid bei Kindern so wenig von Bedeutung ist, dann wird mein Redakteur das wahrscheinlich nicht senden wollen.› Meine Aussagen wurden dann nicht gesendet. Ich hatte damals den Eindruck, als gelte auch in den öffentlich-rechtlichen Medien das Motto «only bad news is good news».

Der Präsident der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat in einem Interview ebenfalls gesagt, dass kritische Aussagen zur Covid-Impfung von ihm in einer Sendung des ORF nicht gesendet worden seien. Was wollten Sie in Ihrem Interview darlegen?

Na, einerseits einfach die Zahlen nennen, dass das Risiko für Kinder so extrem gering ist, dass Eltern sich keine Sorgen machen müssen. Dazu kommt zum Beispiel, dass sich mehrere Fachverbände in Deutschland einig sind, dass es daher Unsinn ist, die Schulen und Kitas zu schliessen und wegen eines positiv getesteten Kindes ganze Klassen zu isolieren. Aber wir konnten unsere Argumente in den grossen Medien nicht wirklich vorbringen. Und die entsprechenden Elterninitiativen wurden ebenfalls sofort in die Querdenker-Ecke gestellt. Dass wir den Kindern jetzt Massnahmen auferlegen mit Massentests, Maskenpflicht, Selbstisolation, Quarantäne und Impfen – das ist medizinisch nicht zu rechtfertigen. Es hat schlicht und ergreifend politische und soziale Gründe.

«Die Kinder können sich leider nicht wehren»

Ich weiss von mehreren Kindern, die Sars-CoV-2 aus der Schule mit nach Hause gebracht haben. Daheim steckten sich die Eltern an. 

Auch dazu gibt es aus Deutschland überprüfbare Daten. Die meisten Kinder haben sich ausserhalb der Schule angesteckt und das Risiko, die gesamte Familie anzustecken, ist wiederum extrem gering. Schützen müssen sich die Erwachsenen – also Eltern und Grosseltern und selbstverständlich die Lehrer mit Impfungen, und die Kinder können weiter in die Schulen gehen. Ich empfehle Kindern und Jugendlichen aus medizinischen Gründen die üblichen Impfungen, aber eine Corona-Impfung ist nicht medizinisch für die Kinder indiziert. Die Risikopersonen hingegen nicht gegen Covid-19 zu impfen – das geht nicht, aber da traut sich die Politik nicht dran. Die Kinder können sich leider nicht wehren.

Zur Person

Nikolaus Haas
Professor Dr. med. Nikolaus Haas.

Professor Dr. med. Niklaus Haas ist Direktor der Kinderkardiologie und Pädiatrischen Intensivmedizin am Klinikum der Universität München.

Wie gefährlich ist Covid denn für Kinder?

Dazu nenne ich Ihnen erst einmal ein paar Zahlen, die alle durch das statistische Bundesamt beziehungsweise das RKI etc. nachprüfbar sind: In Deutschland leben rund 15 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Davon sind in den zwei Jahren Pandemie etwa 150 wegen oder mit Sars-CoV-2 auf einer Intensivstation gewesen. Pro Jahr werden in Deutschland mehr Personen vom Blitz getroffen. Jetzt frage ich Sie: Wie oft haben Sie es schon erlebt, dass ein Kind vom Blitz getroffen wurde?

Ein einziges Mal, als Ärztin im Notfalldienst.

Sehen Sie: Das ist eine extreme Seltenheit. Kein Mensch nimmt dieses Risiko als ernst für sich in Betracht. Dieser Vergleich klingt zwar seltsam, ist aber für jeden verständlich, um das Risiko zu erläutern. 

Sie setzen die Anzahl der Kinder, die schwer Covid-krank waren, in Beziehung zur Gesamtheit aller Kinder und Jugendlichen in ihrem Land. Aber viele davon hatten ja noch gar keine Sars-CoV-2-Infektion. Müssten Sie nicht korrekterweise angeben, welcher Anteil der infizierten Kinder schwer erkrankte?

Die Dunkelziffer ist bei den Kindern sehr hoch, weil die Infektion sehr oft komplett asymptomatisch verläuft: Auf jedes Kind, bei dem wir eine Sars-CoV-2-Infektion erkennen, kamen am Anfang und je nach Untersuchung drei bis vier, bei denen sie nicht erkannt wurde. Das muss man einbeziehen. Es gab vor der Pandemie mal eine Studie, dort wurde in Schulklassen bei allen Kindern ein Abstrich genommen: Fünf bis sechs Prozent der Schülerinnen und Schüler trugen damals die altbekannten Coronaviren in sich. So etwas ist also völlig normal.

Wenn die Kinder altbekannte Coronaviren in sich tragen, die jeder von uns schon mal hatte, ist das aber doch etwas anderes, als wenn sie nun Sars-CoV-2 weiter verbreiten? 

Prinzipiell nicht – denn für die Kinder sind das eben Coronaviren. Nur für die Erwachsenen ist dieses Virus eben gefährlicher.

Bei sehr vielen war die Coronavirus-Infektion eine Nebendiagnose

Wie krank waren die Kinder, die verstorben sind, vorher? Oder anders gefragt: Wie oft kam es vor, dass ein gesundes Kind schwer an Corona erkrankte?

Auch hier gibt es gute Zahlen, die durch die DGPI gesammelt werden und die für jedermann auf deren Website nachzulesen sind. Einige der Verstorbenen waren Palliativpatienten, also Patienten, bei denen unabhängig von Corona die Familien und behandelnden Ärzte sich bereits auf eine Therapiebeschränkung verständigt hatten. Und bei einem Teil der Kinder bestanden zusätzliche Begleiterkrankungen. Es waren in der Regel sehr individuelle Faktoren. Circa ein Fünftel aller Kinder, die auf Normalstation aufgenommen wurden, und zwei Drittel aller Kinder, die auf eine Intensivstation aufgenommen wurden, hatten eine Begleiterkrankung. Aber auch hier war es wieder anders als bei den Erwachsenen, dass «die Klassiker» wie zum Beispiel Herzerkrankungen keinerlei erhöhtes Risiko darstellten.

Waren Ihre Patienten, die intensivmedizinische Betreuung brauchten, wegen oder mit Sars-CoV-2 auf der Intensivstation?

Bei uns in der Klinik war die Coronavirus-Infektion bei sehr vielen eine Nebendiagnose. Da gab es zum Beispiel ein Kind, das hatte einen Verkehrsunfall. Und «by the way» hat man entdeckt, dass der Sars-CoV-2-Test bei diesem Kind positiv ausfiel. Es hatte keine Covid-Symptome. Bei einem anderen Jugendlichen wurde die Infektion zufällig anlässlich der Behandlung einer Vergiftung durchs Sisha-Rauchen festgestellt. Ein Neugeborenes mit einer Hirnblutung musste neurochirurgisch behandelt werden und war von seinen beiden ungeimpften Eltern angesteckt worden. Die waren krank, das Baby überhaupt nicht. Wir hatten in der gesamten Zeit nur sehr, sehr wenige Kinder mit echten Corona Symptomen – die also «lungenkrank» waren. Alle sind gesund nach Hause. 

Was ist mit dem «PIMS», das «Pädiatrische Inflammatorische Multisystem Syndrom»? Diese starke Entzündungsreaktion an verschiedenen Stellen im Körper kann Wochen nach einer Coronavirus-Infektion auftreten – selbst, wenn das Kind asymptomatisch war. PIMS ist bei Kindern häufiger als schwere Coronavirus-Infektionen. Spricht das nicht für die Impfung von Kindern?

Es gab in Deutschland einige wenige Kinder, die sind an PIMS gestorben, das stimmt. Aber auch hier muss man wieder die absoluten Zahlen sehen und nicht vergessen, dass so ein Fall erheblich durch die Presse thematisiert und damit überbewertet wird. Beim PIMS kann es zum Beispiel zu schweren Herzrhythmusstörungen kommen. Im Einzelfall ist so etwas furchtbar. Sie müssen aber auch die Relationen betrachten: Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 3’500 Kinder und Jugendliche. Das Risiko, an PIMS zu sterben, ist für ein Kind aber wahrscheinlich immer noch geringer, als vom Blitz getroffen zu werden. Das Einzelschicksal ist sicherlich bedeutsam, aber für die Kinder und für die Bevölkerung als Gesamtheit hat PIMS keine Bedeutung. Mittlerweile sehen wir eine zunehmende Anzahl an Jungen – vor allem Teenager – , die nach der Covid-Impfung eine Herzmuskelentzündung bekommen. Was ist jetzt schlimmer?

Das frage ich Sie. 

Das wird ja von einigen als harmlos bewertet, das können wir derzeit aber leider noch nicht genau sagen. Die Wahrscheinlichkeit, dass nach einer Impf-bedingten Herzmuskelentzündung ein Schaden am Herz zurück bleibt, ist extrem klein. Anders als sonst bei Herzmuskelentzündungen sind am Ort des Geschehens bei den Geimpften keine Entzündungszellen zu finden, sondern nur eine Schwellung. Aber man kann nicht ausschliessen, dass sich dort später eine Narbe bildet. 

«Völliger Quatsch»

In impfskeptischen Kreisen hört man immer wieder von angeblichen, plötzlichen Todesfällen nach der Impfung. Haben Sie in Ihrem Fachgebiet eine Zunahme bemerkt?

Das ist völliger Quatsch. Impfskeptiker sind logischen Argumenten nicht zugänglich und wollen diese auch nicht hören, geschweige denn akzeptieren. Meiner Meinung nach gibt es unter den Impfskeptikern viel zu viele, bei denen die Vernunft ausgeschaltet ist. 

Die Befürworter der Impfung von Kindern führen «Long Covid» als weiteres Argument an. Wie beurteilen Sie das?

Nach allem, was ich wissenschaftlich weiss, gibt es «Long Covid» bei Kindern nicht, so wie das bei Erwachsenen beschrieben ist. Die ganze Gesellschaft ist in dieser Pandemie hysterisch geworden und die Kolleginnen und Kollegen aus den Medien schreiben sehr gerne etwas, ohne darüber neutral zu recherchieren. «Long Covid» wird an sehr unspezifischen Beschwerden definiert – wie zum Beispiel Müdigkeit, Schlafstörungen, etc. Die Studien zu Long Covid aus Deutschland, die eine echte Kontrollgruppe haben, zeigen, dass die Beschwerden bei beiden Gruppen – also der mit und der ohne Covid-Infektion – gleich häufig auftreten. Dass ein Kind oder Jugendlicher bei so viel Medienaufmerksamkeit da nicht schlafen kann oder andere Symptome aus dem Sammelsurium von «Long Covid» zeigt, ist das Normalste auf der Welt. Das hat aber nichts mit einer Sars-CoV-2-Infektion zu tun. Alle Kinder sind in allen Studien, die ich kenne, nach sechs Monaten wieder komplett normal – oder spätestens dann, wenn die Covid-Lockdown Beschränkungen aufgehoben wurden. Das spricht eigentlich Bände. 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Professor Haas. 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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Eine Meinung zu

  • am 2.03.2022 um 23:11 Uhr
    Permalink

    Vielen Dank für diesen aufschlussreichen Artikel.

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