Kommentar

Sprachlust: Willkommen daheim bei den Swingern!

Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Daniel Goldstein /  Was gibt es Urchigeres als ein Schwingfest? Nichts – es ist der Gipfel der Swissness, der Weg dorthin ist mit Englisch gepflastert.

Haben Sie schon ein Ticket? Beim Hospitality-Angebot sind VIP-Zelt und Lounge inbegriffen; Shuttlebus, Public Viewing und Party-Zone mit DJs sind sowieso dabei. Nur das Temporär-Tattoo – es ist ein Hit – müssen Sie selber bezahlen, und natürlich die Konsumation, zum Beispiel im Red Grizzly Saloon. Anderseits: Sie brauchen sich nicht einmal hinzubemühen, denn angeblich können Sie auch mit einer App «live dabei» sein. Die aus «Star Trek» bekannte Technik nennt sich «beamen».
Willkommen «daheim im Emmental», beim Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest vom nächsten Wochenende in Burgdorf («active since 1175»). Alle zitierten Angebote stammen aus der Werbung dafür; nur das Beamen ist meine Interpretation; etwas anderes kann ich mir unter «mit der App live dabei» nicht vorstellen. Und was ich mir unter einem Grizzly-Spiess im gleichnamigen Saloon vorstelle, ist – wenn echt – ein Fall für den Tierschutz, und sonst einer für den Konsumentenschutz. VIPs, die diesen Status kaufen, sind nicht richtige Very Important Persons, sondern Muni-VIPs; also die lokale Temporärversion von Cervelat-Prominenz (Grizzly- oder Muni-Cervelat?).
Mit fremden Federn
Man könnte ausgiebig über das mit Englisch gespickte Marketing dieses Events spotten, das ausgerechnet beim Inbegriff schweizerischer Urchigkeit geballt zuschlägt. Oder man könnte die Verunstaltung der Sprache beklagen, gar deren Überfremdung anprangern. Aber darum geht es hier nicht – schliesslich heisst die helvetische Eigenart, die «daheim im Emmental» so inbrünstig zelebriert wird, nicht umsonst neuerdings Swissness. Gerade der Gebrauch vieler englischer Ausdrücke zeigt, dass die Schweiz damit einem internationalen Trend folgt: der Betonung und Vermarktung des Lokalen als Gegenakzent zur Globalisierung (und zugleich als Teil davon).
Man könnte sogar meinen, hier schlügen clevere Manager die Globalisierung mit deren eigenen Mitteln. Aber das wäre wahrscheinlich zu viel der Ehre. Die meisten plappern wohl einfach die englischen Sprüche ihrer Marketing-Kollegen nach. Was sie mit der Sprache tun, ist weder Verhunzung noch Bereicherung, sondern Fremdgehen: Sie wechseln bruchstückweise in eine andere (Fach-)Sprache. Dafür gibt es ein linguistisches Fachwort, nun ja: Code-Switching. Jene, die sich bei dieser Sprech- und Schreibweise etwas denken, meinen vermutlich, solche Labels kämen bei den Konsumenten besonders gut an. Vielleicht haben sie sogar recht damit. Und noch leichter kann man sich vorstellen, dass der englische Tonfall bei Sponsoren wie ein Blockbuster wirkt.
Süsse Verlockungen
Die Liste am Schwingfest sieht jedenfalls danach aus: Da liefern die BKW «1to1 energy water star» (nichts mit Oil of Emmental!), auch Localnet ist dabei, ebenso Emmentaler Switzerland, SCL Tigers, UBS (bekanntlich Ju-Bii-Ess auszusprechen), Toyota («Leader der innovativen Technologie») und Swissmint (mit «urchigen Sujets» nicht auf Minzenbonbons, sondern auf Münzen).
Dagegen lobe ich mir den «Königspartner» Feldschlösschen, der noch so heisst, auch wenn er der dänischen Carlsberg-Gruppe gehört und mit «Grill & Win» wirbt. Oder in der gleichen Kategorie die Mobiliar («Fairness und Tradition») sowie Aebi, Teil von Aebi-Schmidt, wo unter anderem die Kompaktkehrmaschine Swingo 200+ herkommt. Bodenständig tritt auch der «Kranzpartner» Zuckerfabriken Aarberg und Frauenfeld AG auf, der sich nicht etwa Sweetswiss nennt. Aber Waseliwas ist im Zuckersäckli? Laut Reklame «Swissness pur». Das sollte auch jene trösten, die eigentlich in einen Swingerclub wollten, aber am Schwingfest gelandet sind. Oder umgekehrt. Hauptsache, der richtige Schwung gelingt.
— Zum Infosperber-Dossier «Sprachlust»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Redaktor der Zeitschrift «Sprachspiegel» und schreibt für die Zeitung «Der Bund» die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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Eine Meinung zu

  • am 24.08.2013 um 12:35 Uhr
    Permalink

    Mir gefällt wie Sie das geschrieben haben. Das ist so eine Sache mit der Sprache…
    Ich denke all diese englische Ausdrücke wurden bewusst benutzt um die Jugendlichen zu animieren für das Schwingerfest um cool da zu stehen. Und wir wundern uns, dass Junge Leute immer weniger Schweizerdeutsch sprechen und verstehen können. Wenn es so weiter geht werden irgendwann mal noch unsere Dialekte vollständig aussterben. So entwickelt sich eine neue Mischsprache, aus Hochdeutsch, Englisch und «Schweizerdeutsch» dann am Schluss mit nur noch wenige vereinzelte Wörter – mal hören und lesen wie es dann so in 20, 30, 50 Jahren anhört… Somit ist unsere Muttersprache mit den vielen Dialekten und überhaupt die Deutsche Sprache vor dem Aussterben bedroht, so wie einst Lateinisch und alt Griechisch, wie auch adere Sprachen.

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