Sperberauge

AHV: Grüne-Vertreterin redet am Stimmvolk vorbei

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

Urs P. Gasche /  Ständerätin Maya Graf ist nicht die Einzige der Grünen und der SP, welche mit dem Argument «Koordinationsabzug» argumentierte.

Maya Graf ist Mitglied der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit, arbeitet bereits seit 2001 im Eidgenössischen Parlament und ist seit 2014 Co-Präsidentin von alliance F, der viele Frauenorganisationen angehören. Doch offensichtlich hat die Politikerin den Kontakt zur Basis etwas verloren, denn sonst würde sie am Fernsehen nicht «vor allem das Abschaffen des Koordinationsabzugs beim BVG» fordern, wie sie es in der Hauptausgabe der SRF-Tagesschau am Abend des Abstimmungssonntags erneut gemacht hat.

SRF TS Maja Graf
Ständerätin Maya Graf nach dem Abstimmungssonntag in der Tagesschau: «Koordinationsabzug abschaffen»

Ihre Forderung ist zwar mehr als berechtigt. Aber Maya Graf ist zu raten, auf der Strasse einmal zehn Frauen zu fragen, ob sie wissen, was der «Koordinationsabzug» ist. Neun von zehn Frauen werden es nicht wissen oder höchstens antworten, dass dies etwas mit der Zweiten Säule zu tun haben muss.

Mit «Koordinationsabzug» bezeichnen Technokraten der Sozialversicherungen die Tatsache, dass die ersten 25’095 Franken des jährlichen Lohnes bei den Pensionskassen gesetzlich nicht versichert sind. Betroffen und benachteiligt sind vor allem Teilzeitarbeitende und das wiederum betrifft grossmehrheitlich Frauen. Frauen, die im Jahr beispielsweise 40’000 Franken verdienen, sind bei ihrer Pensionskasse in der Regel nur für 14’905 Franken versichert, weil die ersten 25’095 Franken eben «abgezogen» werden. Das führt im Alter zu einer mickrigen Pensionskassenrente.

Man kann jedoch die Frauen für diese Benachteiligung kaum sensibilisieren und mobilisieren, indem man das «Abschaffen des Koordinationsabzugs» fordert.

Fordert man beispielsweise, die «massive Diskriminierung der Teilzeitarbeitenden bei den Pensionskassen zu beseitigen», dann wird klar, dass es sich nicht um irgendeinen «Abzug» handelt, sondern um eine Diskriminierung oder Benachteiligung vor allem von Frauen.

Maya Graf ist nicht die Einzige der Grünen und der SP, die im Abstimmungskampf unter anderem mit dem «Koordinationsabzug» argumentierten.

Um zu mobilisieren, kann eine ständig wiederholte, sich einprägende Wortwahl entscheidend sein. Das Wort «Koordinationsabzug» ist dazu sicher untauglich. Offensichtlich haben die Abtimmungsstrategen der Grünen und der SP entweder schlecht gearbeitet oder ihre Vorgaben wurden von den Exponentinnen und Exponenten ignoriert.

Die Bürgerlichen Parteien und namentlich die FDP-Frauen, welche für das Abstimmungs-Ja das Zünglein an der Waage waren, hatten versprochen, das Pensionskassengesetz so zu revidieren, dass Teilzeitarbeitende nicht mehr diskriminiert werden. Viele Ja-Stimmende haben dieses Versprechen für bare Münze genommen. Man darf sie jetzt nach diesem knappen Abstimmungsergebnis nicht im Stich lassen.

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PS. Journalistinnen und Journalisten im Berufsalter, die bei Infosperber in Teilzeit arbeiten und Honorare erhalten, werden bei der Pensionskasse nicht diskriminiert, weil die Stiftung SSUI bei der Pensionskasse freiwillig die gesamten Bezüge versichern lässt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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6 Meinungen

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 26.09.2022 um 11:49 Uhr
    Permalink

    Verständliches Vokabular hat bei solchen Abstimmungen seine Bedeutung.

    Das letzte Wochenende war in dieser Hinsicht kein Höhenflug.

  • am 26.09.2022 um 17:24 Uhr
    Permalink

    Der Koordinationsabzug stammt aus der Frühzeit des BVG (ca. 1987). Damals lag der Umwandlungssatz bei 7.2. Das führte dazu, dass in bestimmten Fällen die Rente der AHV plus die BVG-Rente zusammen höher geworden wären als der letzte Nettolohn. Deshalb wurde dieser Abzug eingeführt. Ich habe damals an Texten mitgearbeitet, die für die neu entstandenen Sammelstiftungen verständlich formuliert werden mussten. Deshalb weiss ich das noch.
    Heute muss dieser Abzug weg. Bei einem Umwandlungssatz von 6.0 (geplant) braucht es diesen sicher nicht mehr. Es gibt aber Kreise, die ihn nur halbieren wollen, weil sie wohl «Angst» haben, zuviel Rente bezahlen zu müssen – vor allem bei den Geringverdienern und Teilzeitangestellten.

  • am 26.09.2022 um 19:01 Uhr
    Permalink

    Aber mit Verlaub: Der Titel Ihres Artikels wie auch sein Inhalt soll beweisen, dass eine grüne Politikerin den Kontakt zur Basis verloren hat. Nur weil sie präzis argumentiert und die Sache beim Namen nennt? Das würde heissen, dass sie besser mit ungefähren Begriffen hantieren sollte und den Frauen – 9 von 10 sind ja gemäss Ihren Ausführung völlig unkundig – den Sachverhalt in einfache Sprache übersetzen sollte. Merken Sie eigentlich nicht, dass Sie da die gelbe Linie der Frauenfeindlichkeit überschritten haben und in den Chor derjenigen einstimmen, die das Volk für dumm halten?

    • Portrait_Josef_Hunkeler
      am 28.09.2022 um 20:26 Uhr
      Permalink

      Hätte BR Maurer gesagt, dass die Steuervorlage im wesentlichen die Diskriminirung im Ausland lebender CH-Obligationenbesitzer bedeutet, hätte er diese Abstimmung wohl gewonnen.

      Als ich das erste Mal für längere Zeit im Ausland lebte, n.b. in einem Land ohne Doppelbesteuerungsabkommen, konnte ich die zurückgehaltene Verrechnungssteuer nicht zurückfordern. Ich habe in der Folge meine CH-Obligationen durch Lux-Obligationen ersetzt und wieder den vollen Zinsertrag erhalten.

      Da ich jetzt wieder in der CH wohne, ist diese Vorlage für mich persönlich irrelevant, da ich die Verrechnungssteuer in der Steuererklärung voll in Rechnung geben kann.

      Aber im Ausland wohnende Investoren, werden sich hüten, VS-belastete CH-Obligationen zu kaufen. Der Aufwand, solche Steuern in der lokalen Steuererklärung anrechnen zu lassen ist unverhältnismässig hoch, wenn überhaupt möglich.

      Unsere Verrechnungssteuer ist so implizit eine Diskriminierung des CH-Obligationenmarktes zugunsten von Luxemburg.

  • am 27.09.2022 um 11:22 Uhr
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    Einmal unabhängig vom Inhalt des Artikels selbst, bleibt doch einfach festzustellen, dass das BVG selbst das Problem ist.
    Das BVG ist ein weiteres Beispiel der Privatisierung von Gewinnen und der Sozialisierung von Verlusten. Man hat es geschaffen, damit Versicherungen und Banken an der Altersvorsorge ihre Pfründe für sich abzweigen können.
    Wäre dies nicht so, hätte nicht schon diverse Male der Steuerzahlung zur Rettung in Schieflage geratener Pensionskassen in die Bresche springen müssen.
    Die Gelder zu Gunsten des BVGs wären in den Kassen der AHV hundertmal besser untergebracht. Damit könnten nämlich endlich bedarfsgerechte AHV- und IV-Renten ausgeschüttet werden.
    Stattdessen wird nun wieder die Leier angestimmt, dass man noch mehr Erwerbstätige ins löchrige Boot des BVGs reinholen soll.
    Ich beziehe seit 20 Jahren eine IV-Rente sowie eine Rente gemäss BVG – in all den Jahren wurde die Rente gemäss BVG (im Gegensatz zur IV-Rente) kein einiziges Mal erhöht!
    Das spricht doch für sich.

  • am 28.09.2022 um 12:15 Uhr
    Permalink

    Ich muss nicht jede Vorlage verstehen. Ich habe in meine Partei Vertrauen und in deren Fachleute und stimme analog deren Empfehlung ab.

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