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Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Sprachlupe: Teradollars – so wird die «trillion» keine Trillion

Daniel Goldstein /  Weil es im amerikanischen Englisch keine «milliards» gibt, springen dort die «billions» ein und sorgen für Übersetzungsfehler.

Eine Million Menschen oder Franken können sich die meisten vorstellen, eine Milliarde wohl auch noch irgendwie, aber nachher hört die Übersicht bald einmal auf. Und so hat vermutlich diese Meldung der Tamedia-Blätter kaum mehr als ein Achselzucken ausgelöst: «Eine Blockade der Taiwan-Strasse für ein Jahr würde laut einer Studie der Forscher der New Yorker Rhodium Group Kosten von rund 2,5 Trillionen Dollar für die Weltwirtschaft verursachen.» Das klingt nach richtig viel – und wäre es auch bei richtig übersetzter Schätzung. Die Weltbank veranschlagt die globale Wirtschaftsleistung für 2021 auf knapp 100 Billionen Dollar; demnach würde es die Welt 25’000 Jahre kosten, bei anhaltender Leistung (und ohne jeden Konsum) den Schaden wettzumachen. So schlimm kann eine Sperre des fernöstlichen Seewegs, und das noch ohne Krieg, dann doch nicht sein. Ein Schaden von 2,5 Billionen wäre weit eher plausibel.

Milliarden in Gefahr

Ein Besuch auf der Website des zitierten Instituts bestätigt denn auch die Vermutung, dass hier (wieder einmal) eine amerikanische «trillion» bequem übersetzt wurde, nämlich gar nicht, sondern einfach mit einem grossen T versehen. Und dann kommt statt einer Million Millionen nochmals das Millionenfache heraus. Denn oberhalb einer Million scheiden sich weltweit die Sprachen (sogar innerhalb des angelsächsischen Sprachraums, aber da wird’s echt kompliziert). Tausend Millionen werden bei uns zur Milliarde, in den USA aber bereits zur «billion». Tausend von diesen ergeben eine «trillion», während wir dann erst bei der Billion sind und danach den Faktor Tausend noch zweimal anwenden müssen, um via Billiarde («quadrillion») eine Trillion zu schaffen, mithin eine «quintillion» (10 hoch 18, also 1’000’000’000’000’000’000).

Erstaunlicherweise scheinen die Fake-Trillionen noch nicht in die laufende Berichterstattung über die Obergrenze der US-Staatsschulden übergeschwappt zu sein: Da werden in Schweizer Zeitungen die 31,4 «trillions» korrekt mit Billionen Dollars wiedergegeben. Dagegen hat eine Fehlermeldung an die Tamedia-Website nicht zur Korrektur des Taiwan-Alarms geführt; die Billionen bleiben dort falsche Trillionen. Ist ja auch nicht der Mühe wert, wer merkt sowas schon? Ich vermute ohnehin, früher oder später werden die zwischengeschalteten «…arden» der Globalisierung zum Opfer fallen, obwohl sie in germanischen und romanischen Sprachen (noch) weit verbreitet sind. Dann entfiele auch der Übersetzungsfehler, allerdings erst nach einer Übergangszeit, in der er vermutlich immer häufiger aufträte.

Mega, Giga, Tera, Peta, Exa

Einfacher wäre es, die Riesenzahlen nicht mit einer Litanei von «…onen» und bis auf Weiteres auch «…arden» wiederzugeben, sondern mit den Präfixen, von denen uns manche schon vertraut sind: Mega-, Giga-, sogar Tera(-byte, -wattstunden). Die US-Schuldengrenze liegt demnach bei 31,4 Teradollars. Die geschätzten Schäden durch eine einjährige Sperre der Taiwan-Strasse wären ebenfalls in Teradollars richtig angegeben. Die im Artikel behaupteten Trillionen wären Exadollars, und diese unvertraute Grössenordnung wäre womöglich eher aufgefallen. Nur schon Billiarden müssten in Form von Petadollars misstrauisch machen (oder als Petrodollars missverstanden werden).

Die weltweit einheitlichen Präfixe verdanken wir dem Internationalen Büro für Mass und Gewicht in Paris, gegründet 1875. Kurz zuvor hatten Mega- für eine Million, Mikro- für einen Millionstel internationale Geltung erlangt. Deka-, Hekto- und Kilo- bzw. Dezi-, Centi- und Milli- waren der französischen Revolution entsprungen. Erst ab 1960 kamen weitere Bezeichnungen dazu, zunächst Giga- und Tera- sowie ihre Zwergpendants Nano- und Pico- (Milliardstel- bzw. Billionstel). Wie es weiterging, steht z. B. in der Wikipedia. Letztes Jahr gelangte man bis zu 10 hoch 30 (und minus 30). Erst von der Trilliarde an (Zeta-/Zepto-) hielt man sich an die naheliegende Regel, riesige und winzige Einheiten mit demselben Buchstaben beginnen zu lassen. Zählen wird also immer leichter.

Weiterführende Informationen


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Keine
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Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

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Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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2 Meinungen

  • am 11.02.2023 um 11:57 Uhr
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    Gute Vorschläge. Am besten ist es bei Texten und Übersetzungen gar keine «Billionen» oder darüber zu verwenden. Ich schreibe auf englisch «milliards» für «Milliarden», was zwar selten aber nicht verwechselbar und erlaubt ist, und für grössere Einheiten die erwähnten wissenschaftlichen oder mathematischen Schreibweisen oder Umschreibungen wie «tausend Milliarden».

  • am 12.02.2023 um 00:27 Uhr
    Permalink

    1‘000 Millionen werden in unsern Breitengraden also zu einer Milliarde , also zu 1‘000‘000‘000. Bin ich da richtig? Hauptsache, wir kommen in unserer kontinentaleuropäischen Zählweise auf einen Nenner. Was die Anerikaner zählen mögen, ist mir egal. Aber was bei uns gilt, ist wichtig, auch wenn es oft die Vorstellungskraft übersteigt.

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