Sprachlupe: «LeihBar» gibt’s nur dank «Bar»-Ausleihe

Daniel Goldstein /  Das Ausleihen, jetzt als «sharing economy» im Schwang, hat in der Sprache Tradition und kann sogar zur Wertvermehrung führen.

Kommenden Monat wird in Bern die LeihBar eröffnet, die «Gegenstände aller Art günstig verleiht». Ihr Name ist ein treffendes Wortspiel: Es verbindet diese «Bar» mit dem Ausleihen der angebotenen Gebrauchsgüter. Darüber hinaus aber öffnet das Wort den Blick auf etwas, das man ausleihen und behalten kann – Wörter nämlich, die aus einer anderen Sprache kommen. Solche Fremdwörter fallen meist auf, weil sie anders klingen, geschrieben oder gebeugt werden als altvertraute. Gleichen sie sich an die so bereicherte Sprache an, so nennt man sie nicht mehr Fremd-, sondern Lehnwörter. Zuweilen wandert die neue Form in die Ursprungssprache zurück – wie «Boulevard», entstanden aus «Bollwerk».
«Bar» als Bezeichnung für ein Lokal wird kaum noch als fremd empfunden, höchstens das -s im Plural deutet noch darauf hin. Allerdings sind solche Mehrzahlbildungen auch aus dem Niederdeutschen südwärts gewandert, oft umgangssprachlich wie bei Kumpels oder Jungs. Im Englischen wurde «bar» einst von der Theke aufs Lokal übertragen. Das Wort geht zurück aufs Altfranzösische «barre», dem wir auch den Barren verdanken. Noch tiefer in die Vergangenheit weisen Lexika für Etymologie nur mit Vermutungen, die aber nichts mit «-bar» zu tun haben. Das Adjektiv «leihbar» hingegen lässt sich in beiden Bestandteilen durch die ganze germanische Sprachgeschichte verfolgen.
Wunderbare Bars
Mit «bar» im Sinn von «nackt» ist «-bar» nicht verbandelt; vielmehr beruht es auf der Grundbedeutung «tragen» und hat damit eine weitläufige Verwandtschaft. Pfeifers Etymologisches Wörterbuch (zitiert nach dwds.de) beschreibt sie so: «Mit gebären sind u. a. verwandt Geburt, Gebärde, gebaren, Gebühr, gebühren, Bahre, entbehren (eigentlich ‹nicht tragen›) und das Suffix bar, z. B. fruchtbar, eigentlich ‹Frucht tragend, bringend›.» Nebenbei sieht man hier auch, dass das Dehnungs-h nicht eben konsequent in die Rechtschreibung gelangt ist. Die Silbe «-bar» – früher auch «-bahr» – hat ihren Sinn weit ausgedehnt: Sie «drückt in Bildungen mit Verben (Verbstämmen) aus, dass: … mit der beschriebenen Person oder Sache etw. gemacht werden kann / … die beschriebene Person oder Sache etw. machen kann / … die beschriebene Sache zu etw. geeignet ist».
Dieser Wortbestandteil ist also, wie Sprachwissenschafter sagen, äusserst produktiv. Kein Wunder, inspiriert er dank dem Mitläufer «Bar» da und dort Leute, die für ihr Lokal einen auf- und sinnfälligen Namen suchen. Die Berner Fruchtsaftbar soll wohl einfach als Fruchtsaft-Bar verstanden werden, aber es ist nicht verboten, dabei an «Frucht, saftbar» zu denken. Das Brockenhaus Begeh-r-bar im aargauischen Riniken eignet sich offenbar zum Spazieren. Was aber widerfährt einem in der ESSBAhR in Korschenbroich (D)?

Gelobtes Deutsch: «DenkBar»

Coiffeurgeschäfte namens Haarbar gibt’s in der Deutschschweiz mindestens neun, in vier verschiedenen Schreibweisen. Ob man in jedem dieser Etablissements auch seinen Durst stillen kann, habe ich nicht überprüft, und auch nicht, ob be- oder enthaarbare Kundschaft dort auf ihre Rechnung kommt. In St. Gallen heisst ein Kulturlokal DenkBar. Es ist durchaus denkbar, dass es für diesen Namen einen Preis verdient hat. Das muss sich auch die neu eingerichtete Regionalvertretung Schweiz des Vereins Deutsche Sprache gedacht haben, als sie vor einem Jahr dem Genossenschaftsbetrieb einen Preis für den «fantasievollen Namen» verlieh.

Seltsamerweise stand die Einladung zur Zeremonie unter dem Motto «Wer mag auch kein Denglisch?» Der in Deutschland heimische Verein zeichnet sich durch den Kampf gegen Anglizismen (und gegen Grossbuchstaben im WortInneren) aus. Der englische Ursprung der halben DenkBar stand der Preisverleihung indessen nicht im Weg. «Bar» sagt man ja hierzulande längst in deutscher Lautung. Zum Glück, denn mit englischer Aussprache würde aus dem Namen der St. Galler Preisträgerin so etwas wie «Denk? Bah!».
— Zum Infosperber-Dossier «Sprachlupe»
— darin: Wörter, die eine Rückreise tun


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Redaktor der Zeitschrift «Sprachspiegel» und schreibt für die Zeitung «Der Bund» die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.

Zum Infosperber-Dossier:

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Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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