Sprachlupe: Gebt mir eine (deutsche) Pause!

Daniel Goldstein /  Für manche gilt: Hauptsache englisch, und sei es als wörtlich übersetzte Redensart in einem deutschen Zeitungstext.

«‹Gebt mir eine Pause›, denke ich.» So umschrieb eine Journalistin ihre Reaktion auf die «total kitschige» Geschichte einer «Liebe auf den ersten Blick». Liesse sich der Gedanke überprüfen, ich würde wetten, dass er anders lautete, nämlich «give me a break». Das kann man entgegnen, wenn die andere Person etwas Unglaubwürdiges oder Nervenaufreibendes von sich gibt. Deutsche Entsprechungen wären etwa «komm mir nicht mit sowas» oder «lass mich in Ruhe damit». Nur von einer Übersetzungsmaschine würde ich «gib mir eine Pause» erwarten und mich auch nicht wundern, sollte sie eine der vielen Spezialbedeutungen von «break» vorziehen. Da gäbe es etwa den Servicedurchbruch beim Tennis oder eine ununterbrochene Spielphase beim Billard.

Statt der komplizierten Umschreibungen bietet es sich bei diesen Sportarten an, auch im Deutschen von «Break» zu reden. Während im Englischen Sportbanausen meinen könnten, es gehe um eine Ruhepause, besteht bei uns diese Gefahr kaum. Jedenfalls so lange nicht, als Pausen bei uns noch Pausen heissen und nicht «Break». Die englische Bezeichnung soll mit den – hier sportlichen – Dingen verbunden bleiben, mit denen sie zu uns gekommen ist.

Einkauf mit «Button» oder «Hi»

Auch bei anderen Importen ist es oft sinnvoll, den Namen zu übernehmen. Zum Beispiel beim Scanner, mit dem man Einkäufe erfassen kann. Aber warum bloss wird man bei einem Grossverteiler angewiesen, zu diesem Zweck den «Button» zu betätigen? «Knopf» hätte ja auf dem Bildschirmchen noch besser Platz. Apps sind, inklusive Namen, etwas Praktisches. Beim andern Grossverteiler kann man damit verfolgen, wie die Hauslieferung naht. Allerdings begrüsst einen der Fahrer auf dem Bildschirm mit «Hi» – enorm platzsparend, aber da wäre auch Raum genug für den sehr passenden und althergebrachten Fährmannsruf «Hallo».

Zur Lieferung gehörten neulich auch Brownies, die mir eingedeutscht kaum munden würden – zumal es «Brownies à la française» waren. Meine Zunge hätte es nicht bemerkt, aber sie amüsierte mein Ohr beim Versuch, den Importnamen auszusprechen. Dem Betätigen des Scanners wiederum haben die Italiener eine Bezeichnung angedeihen lassen, die keinerlei Ausspracheprobleme bietet: «la scansione». Derlei Aneignungen mit leichter Hand sind doch viel geniessbarer als die hierzulande grassierende Übernahme schier beliebiger englischer Wörter ohne erkennbaren Mehrwert.

«Song» zum letzten Gefecht

So musste ich beim Bericht über eine Kundgebung zum 1. Mai lesen, am Ende sei ein «Song» erklungen: die «Internationale». Da wird das proletarische Kampflied gleich wie ein x-beliebiges Produkt des Musikkapitalismus bezeichnet! Der Refrain «Auf zum letzten Gefecht» müsste einmal beim Eurovision Song Contest erklingen. Als der noch Grand Prix Eurovision de la Chanson hiess, gefiel er mir besser, samt den Chansons – aber das mag eine Alterserscheinung sein.

Manchmal ist es wohl einfach Bequemlichkeit, wenn ein englisches Alltagswort nicht übersetzt wird. So war im Interview mit einer amerikanischen Historikerin zu lesen, manche Russinnen hätten Soldaten per (abgehörtes) Telefon aufgefordert, sie sollten «Shops plündern». Und aus den Läden «einen neuen Laptop» nach Hause bringen – als Billigbeschaffung abscheulich, als Billigübersetzung schier unvermeidlich. In einem andern Interview kamen die «amerikanischen Natives» vor, also die Ureinwohner. Nur könnten sich mit dem generischen Maskulinum im Deutschen die Ureinwohnerinnen übergangen fühlen, und die wörtliche sowie geschlechtsneutrale Übersetzung «Eingeborene» gilt heutzutage als geringschätzig. So leisten Korrektheiten aller Art der Denkfaulheit beim «Übersetzen» Vorschub. Daher: Gebt mir eine Pause – im englischen, aber auch im deutschen Sinn, bis mich die Anglizismen das nächste Mal zum Schreiben reizen.

Weiterführende Informationen

  • Indexeintrag «Anglizismen» in den «Sprachlupen»-Sammlungen, Abruf bei der Nationalbibliothek: tiny.cc/lupen1 bzw. /lupen2.
  • Stichwortsuche und Links funktionieren nur im heruntergeladenen PDF (linke Spalte, ganz unten) oder in der Online-Anzeige bei Issuu (issuu.com/sprachlust).

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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3 Meinungen

  • am 21.05.2022 um 11:57 Uhr
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    Diese Anglizismen gehen mir schon lange auf den Keks. Ganz besonders ärgert mich ständig «Public viewing». Ich frage mich dann immer welche Leiche beispielsweise bei einem Fußballspiel aufgebahrt wird.

  • am 22.05.2022 um 11:24 Uhr
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    Zwei europäische Länder geben sich seit ehe und je Mühe, Anglizismen zu vermeiden: Frankreich und Spanien. Zwei Beispiele: Rechner heisst ordinateur und computador, Software ist logiciel und programa informático. Give me a break wird zu laisse-moi tranquille und dame un respiro. Als die noch kleine EU den Euro einführen wollte, schrieb ich auf eine regionale Zeitung, dass zuerst hätte eine gemeinsame Sprache eingeführt werden müssen und schlug Französisch (damals die diplomatische Sprache) oder Spanien, die am meisten verbreite war, vor. Wir hätten nicht nur sehr viele Anglizismen vermieden, sondern auch ein Gleichgewicht zu USA und Osten gebildet.
    Giovanni Coda

  • am 23.05.2022 um 15:23 Uhr
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    Ich hatte einst eine Bedienungsanleitung für eine Computeranwendung zu schreiben. Auf der Suche nach einer korrekten Übersetzung des Hinweises «scroll down» kam ich nach einigem Hin und Her zur Schlussfolgerung, dass es «mit Bildlaufleiste nach unten bewegen» heissen müsste.
    Letztendlich entschied ich mich – Herr Goldstein möge mir das verzeihen – für den Hinweis «nach unten scrollen».
    Offensichtlich fanden dies die Programmanwender ganz «OK»!

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