Online

Internet-User in China: «Big Brother» liest mit © YouTube/TDC

Chinas Cyber-Polizei räumt auf

Peter G. Achten /  Chinas Führung verschärft die Internet-Zensur. Im Rahmen einer grossen Säuberungs-Kampagne wurden rund 15'000 Personen verhaftet.

Im analogen Zeitalter war alles viel einfacher. Die Kommunistische Partei Chinas konnte mit relativ geringem Aufwand ihr Informations-Monopol durchsetzen und die Deutungshoheit mittels Zensur von Presse, Radio und Fernsehen wahren. Mit dem Aufkommen des Internets wurde alles von Jahr zu Jahr komplizierter und aufwändiger für die Behörden. Mittlerweile sind Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende Internet-Polizisten damit beschäftigt, den chinesischen Cyberspace blitzsauber zu halten.
Bis vor wenigen Jahren konnten sich Chinesinnen und Chinesen in sozialen Netzwerken und Blogs relativ frei äussern. Seit dem Machtantritt von Staats-, Partei- und Militärchef Xi Jinping vor drei Jahren hat sich das markant verändert. Chinas Führung betreibt einen riesigen Aufwand, um das Internet zu überwachen und illegale Internet-Aktivitäten zu bekämpfen. Seit Juli läuft ein sechsmonatiger Sondereinsatz der Behörden gegen Internet-Kriminalität. Die Aktion hat hohe Priorität.
«Gerüchte» und «hitzige Debatten» im Netz
Mitte August meldete die amtliche Nachrichten-Agentur Xinhua (Neues China), dass die Polizei 15’000 Personen verhaftet habe, die angeblich in Verbindung mit Internet-Kriminalität stehen. Im ganzen Land habe die Polizei 190’000 Hinweise bekommen, 70’000 Websites und mehr als 7400 mögliche Fälle von Internet-Kriminalität untersucht. Es geht dabei um Betrug im Online-Handel, Hacking, den illegalen Verkauf von persönlichen Daten, um Verbreitung von Pornographie oder um Online-Geldspiele.
Die Fahnder haben aber auch Personen im Visier, die im Internet «Gerüchte verbreiten» und «hitzige Debatten» führen. In China bedeutet das: Wer sich kritisch äussert gegen Partei, Regierung, den Staat oder die Wirtschaft, muss mit Sanktionen rechnen. Der Börsen-Crash im August, die Chemie-Katastrophe in der Hafenstadt Tianjin oder die grosse Militärparade in Peking wurden in den sozialen Medien lebhaft, kontrovers, kritisch oder auch lobend diskutiert. Dutzende von «Gerüchte-Verbreitern» wurden von der Internet-Polizei dingfest gemacht.
Gesetz für die «nationale Sicherheit»
Für die Kommunistische Partei ist das Internet kein grenzenloser, freier, ja anarchischer Raum, sondern ein digitales Terrain, das mit Vorschriften und Gesetzen kontrolliert werden muss. Kein Wunder deshalb, dass der Nationale Volkskongress (Parlament) den Entwurf zu einem Internet-Sicherheitsgesetz vorgestellt hat, das den Behörden auf Provinz- und Nationaler Ebene weitgehende Vollmachten übertragen soll. Künftig kann bei «Bedrohung für die öffentliche Sicherheit», bei «Gefährdung der Nationalen Einheit» und bei «gesellschaftlichen Zwischenfällen» das Internet und das mobile Telefonnetz gar gekappt werden. Das ist übrigens bereits vor sechs Jahren einmal passiert – ohne Gesetz – bei den ethnischen Zwischenfällen in Urumqi und in der Autonomen Region Xinjiang.
Ziel des neuen Cyber-Gesetzes ist die Wahrung der «nationalen Souveränität im Internet und der nationalen Sicherheit». Auch soll das «Verbreiten schädlicher und illegaler Informationen» verhindert werden. Was «schädlich» und «illegal» ist, ist sehr breit definiert – wie immer, wenn es in China um nationale Sicherheit geht. Dazu gehört etwa «Unterstützung von Extremismus» oder «Aufruf zur Subversion der Staatsgewalt». Nach diesen Kriterien können viele Bürgerrechtler, Dissidenten, Anwälte, die auf dem chinesischen Rechtsstaat beharren – kurz, alle Missliebigen aus dem Verkehr gezogen werden. Jede auch nur in Ansätzen autoritätskritische Diskussion kann so im Keim erstickt werden.
Staat kontrolliert IT-Unternehmen
Bereits jetzt müssen sich alle chinesischen Internetportale, sozialen Netzwerke und Websites selbst zensieren. Tun sie das nicht, wird ihnen ein hohe Geldstrafe aufgebrummt, oder sie verlieren gar ihre Lizenz. Anders als im Westen gibt es im chinesischen Internet keine Anonymität. Jeder User muss sich mit seinem Namen und der Telefonnummer registrieren, das gilt auch für ausländische Touristen in einem Internetcafé.
Die Säuberungs-Kampagne betrifft auch die Wirtschaft. Die Polizei wird in grossen chinesischen IT-Unternehmen sogenannte Online-Wachen installieren. Das hat das Ministerium für öffentliche Sicherheit Anfang August angekündigt. Zu den laut Ministerium «bedeutenden» Firmen gehören unter anderem der mittlerweile weltbekannte Online-Händler Alibaba, der Tencent-Konzern, dessen WeChat (die chinesische Version von Whats-App) über 400 Millionen Chinesen nutzen oder die Eigner der Baidu-Suchmaschine. Aber auch weniger bekannte Unternehmen der innovativen chinesischen IT-Industrie werden von «Sicherheitsbüros» kontrolliert. Vize-Sicherheitsminister Chen Zhimin sagte, die Online-Wachen würden «Einbindung und Auftreten in die Aktivitäten der IT-Industrie steigern». Ziel sei es, die Konzerne «anzuleiten», um «Gerüchte und illegale Informationen» im Internet zu unterbinden.
Befreiung von der amerikanischen Technologie
Dass der Cyberspace für die allmächtige Kommunistische Partei Chinas eine grosse soziale und wirtschaftliche Herausforderung ist, belegen wenige Zahlen. In China tummeln sich mehr als 700 Millionen Menschen im Internet, fast eine Milliarde Chinesen und Chinesen besitzen ein mobiles Telephon, meist ein ausgeklügeltes Smartphone «made in China», und auf den sozialen Medien Sina Weibo und WeChat kommunizieren derzeit Hunderte Millionen Menschen.
Mit seiner langfristigen IT-Strategie der Abschottung will China die derzeitige Abhängigkeit von der amerikanischen Technologie überwinden. Nach dem Dafürhalten von Parteichef Xi muss China zu einer führenden Cybermacht werden, und dafür setzt die Pekinger Führung alle Mittel ein. Es geht, wie es ein Wissenschafter der Tsinghua-Universität neulich mit Hinweis auf die amerikanischen Geheimdienste formuliert hat, um «technologische Souveränität» angesichts der «aggressiven Cybermacht Amerika». Mit einem massiven Eingriff in die Wirtschaft und vor allem auch in die Privatsphäre bezahlt Peking einen hohen Preis.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Peter Achten arbeitet seit Jahrzehnten als Journalist in China.

Zum Infosperber-Dossier:

Flagge_China

Chinas Innenpolitik

Hohe Wachstumszahlen; riesige Devisenreserven; sozialer Konfliktstoff; Umweltzerstörung; Herrschaft einer Partei

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

2 Meinungen

  • am 16.10.2015 um 20:47 Uhr
    Permalink

    Logistisch zweifellos ein Meisterstück

  • am 17.10.2015 um 10:47 Uhr
    Permalink

    Zensur «nur» in China?
    EuGH führt offiziell die Zensur im europäischen Internet ein
    https://enigmabox.net/blog/2014/03/eugh-f%C3%BChrt-offiziell-die-zensur-im-europ%C3%A4ischen-internet-ein/

    Ein Beispiel vor der Haustüre:
    20 Minuten löscht Artikel die der Polizei nicht passt:
    https://web.archive.org/web/20101116144713/http://www.20min.ch/news/zentralschweiz/story/19805863
    Es ist ja nur ein Artikel über Müll. Inzwischen wird dem Laden die Parkplätze gekündigt (von der Gemeide) und ein Fahrverbot in die Zufahrt gestellt !!
    Klar auch das darüber keine Medien berichten wollen. Macht ja auch keinen Sinn mehr. Es wird ja sowieso zensu…………

    Und nicht vergessen das Internet Archiv steht nicht in Schweiz. Wir haben nicht mal so etwas.

    Zurück zu China.
    Befreiung von der amerikanischen Technologie, um das geht es tatsächlich.
    China ist das «C» bei BRICS. Da fehlt das UN entschuldigung das US. Also ein Feind des «Amerikanischen Internet Imperiums».
    Gruss aus dem Land mit der weissen Weste auf roten Grund.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...