Glenn Greenwald (links) und Richard B. Assange.acTVism

Glenn Greenwald (links) und Richard B. Assange © acTVsm

So will Assange’s Vater seinen Sohn freibekommen*

Red. /  Politiker in Australien und den USA sollen unter Druck gesetzt werden, damit Julian Assange freikommt, fordert Vater John Shipton.

Red. Glenn Greenwald, US-Journalist, Rechtsanwalt und Verbreiter der Snowden-Dokumente, interviewte John Shipton während dessen Besuchs in Brasilien. Er ist der leibliche Vater des in London ohne Urteil eingekerkerten Julian Assange. Shipton äusserst sich zu einer möglichen Freilassung seines Sohnes. Im Folgenden eine Übersetzung des gekürzten Interviews von acTVsm und Infosperber.


Glenn Greenwald:  Willkommen in Brasilien. Wie setzen Sie sich hier für Julian Assanges Sache ein?

John Shipton: Wir zeigen den Dokumentarfilm «Ithaka» über Julian und thematisieren die Verteidigung der Bill of Rights und des ersten Verfassungszusatzes (Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit). 

Greenwald: Der derzeitige Präsident Brasiliens Lula da Silva ist ein langjähriger Verteidiger Ihres Sohnes […] In der Zeit zwischen seiner ersten Amtszeit als Präsident und seiner erneuten erfolgreichen Kandidatur für das Amt des Präsidenten war er ein entschiedener Verteidiger von Julian Assange. Er verurteilte die Regierung Biden sowie die britische Regierung scharf für die Inhaftierung von Julian. Hatten Sie die Möglichkeit, mit seiner [Lulas] Regierung in Brasilia Kontakt aufzunehmen? 

Shipton: Nun, wir trafen uns mit dem Aussenminister, der sehr hilfsbereit war und sich eine halbe Stunde Zeit für das Treffen nahm und dann Fotos machte. Er leitete sie dann über das Internet und an die Pressedienste weiter. Es ist das Wichtigste, dass wir die Bevölkerung gewinnen. Denn Politiker schauen auf die Stimmung des Volkes, also im Sinne von Wählerstimmen. Die Zuneigung zu Julian ist in Lateinamerika sehr gross. Ein starker Unterstützer ist auch der mexikanische Präsident Andrés Manuel Obrador.

Greenwald: Was mir am wichtigsten erscheint, ist, dass Ihre und seine Regierung, die australische Regierung – man bedenke, dass Julian nie ein Bürger der USA war, sondern ein Bürger Australiens – sich endlich für die Rechte seiner Bürger einsetzt. Der australische Premierminister Anthony Albanese äusserte sich mehrmals mit deutlichen Worten: «Genug ist genug, es ist an der Zeit, die Sache zu beenden». Was glauben Sie, wie aufrichtig diese öffentlichen Einwände der australischen Regierung sind und wie viel sie in Wirklichkeit tut, um ihre amerikanischen Verbündeten unter Druck zu setzen, damit sie Julian freilassen? 

Shipton: Gute Frage. Zunächst einmal bezeichneten wir die letzte Wahl, bei der Anthony Albanese und die linke Labour-Regierung an die Macht kamen, als eine «Assange-Wahl». Die Bevölkerung unterstützt Assange zu etwa 88 Prozent. 

Greenwald: In Australien. 

Shipton: Ja, in Australien. Sie wollen, dass er nach Hause kommt. Anthony Albaneses Job hängt also bis zu einem gewissen Grad von positiven Äusserungen über Julian ab […] Wenn er sagt, er wünsche und erwarte eine Lösung dieser Angelegenheit, dann sollte dies in den Beziehungen zwischen Australien und den USA zu einem diplomatischen Streit werden. 

Caroline Kennedy, die US-Botschafterin in Australien, meinte gegenüber australischen Parlamentariern, es handle sich um eine rechtliche Angelegenheit. Sie sagte: «So wie ich es verstanden habe, beträgt die Höchststrafe, die Assange für das Eindringen in einen Computer erhalten kann, 60 Monate. Diese Zeit hat er jetzt mehr oder weniger abgesessen.» 
Daraus können wir schliessen, dass jemand einen Deal anbietet. 

Greenwald: Ich habe auch schon davon gehört, dass jemand im US-Justizministerium im Strafverfahren eine Art Deal anbietet. Julian müsste sich für schuldig bekennen im Austausch dafür, dass er die maximale Zeit für dieses Verbrechen bereits abgesessen hat. 

Shipton: Ja, genau. Aber ich würde es nicht einen Deal nennen. Ich sehe es eher als eine diplomatische Vereinbarung zwischen den USA und Australien, die beide aus dem Konflikt zwischen Australien und den Vereinigten Staaten herausführt. 

Greenwald: Australien ist, wie ich im Economist gelesen habe, zu einem zentralen Punkt der militärischen Haltung der USA gegenüber China geworden. Die USA wollen ihre Militärpräsenz in Australien erhöhen und versprechen Australien alles Mögliche. Es gibt also ernste Verhandlungen, die für die Regierung höchste Priorität haben. Deshalb sollte man meinen, dass Australien über mehr als genug Druckmittel verfügt, wenn es der Regierung ernst wäre. 

Shipton: Ich sehe das etwas anders […] Die USA haben in den letzten 13 Jahren so viel Aufwand investiert, um Julian zu verfolgen. Sie halten es für sehr wichtig, potenzielle Verleger und Journalisten einzuschüchtern […]

Greenwald: Aber Australien könnte sagen, dass es ihren Bürger zurückbekommen hat. Und die USA könnten sagen, dass sie Julian Assange für die Verbrechen verurteilt haben, für die er sich schuldig bekannt hat. Julian war zuerst acht Jahre lang in einem Quasi-Gefängnis in der ecuadorianischen Botschaft und seither in einem sehr strengen Gefängnis in Belmars […] Julian ist offensichtlich jemand, der in seinem Leben entschieden hat, sich mit den Mächtigsten anzulegen. Glauben Sie, dass er dazu bereit wäre, sich für Verbrechen schuldig zu bekennen, die er nach allem, was ich über diesen Fall weiss, nicht begangen hat, um endlich aus der Haft zu entkommen? 

Shipton: Ich kann es nicht sagen. Im Fall Assange wurden die Rechte aus den Konventionen des Asylrechts ausser Kraft gesetzt. Jetzt soll Julian dem Justizministerium der USA vertrauen, dass es sein Wort hält. Das ist wirklich sehr schwierig. 

Greenwald: Damit meinen Sie, dass er sich in die USA vor Gericht verantworten oder vor einem Bundesgericht in den USA erscheinen müsste, um sich schuldig zu bekennen, und dann auf ihr Wort vertrauen müsste, dass er auf der Grundlage dieser Vereinbarung wieder nach Australien entlassen würde. Ist dies das Element des Vertrauens, von dem Sie sprechen? 

Shipton: Eine Reise in die USA kommt nicht in Frage. Man kann sich nicht Menschen ausliefern, die offensichtlich versuchen, einen zu töten. Aber wenn sie sagen: «Okay, du kannst nach Australien zurückkehren, du kannst gehen», und in dem Moment, in dem er in Australien ankommt, heisst es dann: «Oh, aber wir haben einen Anklagepunkt vergessen und es versäumt, ihn vorzubringen» und so weiter.
Ich kann mir vorstellen, dass Julian glaubt, dass der Druck wächst, die Angelegenheit auf diplomatischem Wege zu lösen. Ein bisschen Geduld könnte also von Vorteil sein. 

Andere sagen mir allerdings: «Oh, weisst du, da öffnet sich eine Tür oder ein Fenster und es wird sich bald schliessen. Man muss die Gelegenheit nutzen und entscheiden.» Aber ich glaube, dass die Aktivitäten von Präsident Lula und Präsident Obrador in Abstimmung mit den Interessen Australiens eine bessere Lösung bringen werden. Damit meine ich nicht, dass sich die Vereinigten Staaten entschuldigen werden und sagen, es tue ihnen schrecklich leid, dass sie hier einen Fehler gemacht haben. Aber ich sehe die Möglichkeit, dass das Weisse Haus das Justizministerium bittet, die Spionagevorwürfe unter dem Vorwand zu überprüfen, dass sie den ersten Zusatzartikel der Verfassung der Vereinigten Staaten gefährden und in Verruf bringen (Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit). 

Der Vater kämpft für die Freilassung von Julian Assange

Der leibliche Vater und Antikriegsaktivist John Shipton hatte sich schon vor der Geburt seines Sohnes Julian von dessen Mutter getrennt. Im Sommer 2022 besuchte der Vater kurz vor dem G-7-Treffen Berlin und appellierte an die Bundesregierung, sich für die Freiheit seines Sohnes einzusetzen.

Als Julian ein Jahr alt war, heiratete seine Mutter Richard Brett Assange. Dieser starb im Jahr 2012

Greenwald: Was halten Sie von der Hypothese, dass die Regierung Biden kein Interesse daran hat, Julian Assange auf amerikanischen Boden zu bringen und ihn in einem Bundesgericht im östlichen Bezirk von Virginia vor Gericht zu stellen. Die Welt würde erfahren, dass Joe Biden als erster Präsident überhaupt versucht, einen Verleger nach dem Espionage Act zu verfolgen und dass jeder ausländische Staatschef auf diesen Fall verweisen könnte, wenn die USA versuchen, andere Regierungen zu kritisieren.
Was die USA wirklich wollten, haben sie bekommen, nämlich die Zerstörung von WikiLeaks und die körperliche und geistige Entmündigung von Julian über all die Jahre. Die USA waren zufrieden, dass sich die Sache durch das britische Gerichtssystem schlängelte, wo Julian einfach nur festgehalten und nicht vor Gericht gestellt wurde. Ich kann mir kein Szenario vorstellen, in dem sie Julian tatsächlich in die USA bringen und ihn vor Gericht stellen wollen. Sehen Sie dies auch so? 

Shipton: Ja, sehr sogar […] Die USA haben in den letzten 21 Jahren siebeneinhalb Länder zerstört. Laut Brown University sind deswegen 4,6 Millionen Menschen direkt gestorben. Eine andere Studie der Brown University spricht von 38 Millionen Flüchtlingen. Wir können in keiner Weise guten Gewissens oder in gutem Glauben für bestimmte Aspekte dieser Regierung eintreten. Diese Teile der Regierung, der sogenannte «tiefe Staat», wenn Sie das FBI, die CIA und die NSA so nennen wollen, sind die Urheber dieser Verfolgung. Sie sind sehr fähig, einfallsreich und in einigen Fällen arglistig. Sie werden einen Weg zur Durchsetzung ihrer Interessen finden – falls nötig, indem sie ihren Einsatz erhöhen.

Greenwald: Trotzdem klingt es danach, dass Sie, zumindest mit Vorsicht, die gleiche Ansicht vertreten und eine Lösung sehen […] Was können Unterstützende für die Sache von Julian tun? 

Shipton: Zwei Dinge. Das eine ist der Lógos: Sprechen Sie weiter über die Angelegenheit und insbesondere über die versuchte Zerstörung des ersten Verfassungszusatzes der USA in Bezug auf Julian Assange. Das andere ist, mit den Menschen im Kongress zu sprechen. Schliesslich leben die Kongressmitglieder von den Wählerinnen und Wählern in den USA und müssen ihre Politik an die Umstände anpassen. 


Das Original-Interview auf Englisch mit deutscher Übersetzung (27 Minuten):

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*Irrtümlicheerweise hiess es hier, es sei ein Interview mit Julian Assanges Stiefvater. Es handelt sich jedoch um ein Interview mit dem leiblichen Vater John Shipton. Grund war eine falschen Angabe im Internet. Stiefvater Richard Brett Assange ist im Jahr 2012 gestorben.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 6.10.2023 um 07:06 Uhr
    Permalink

    Hoffentlich wird diesem Trauerspiel endlich ein Ende bereitet und Julian Assange erhält endlich seine schon lange fällige Freiheit.

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