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Oliver Schröm hat den milliardenschweren Betrug mit Cum-Ex-Geschäften aufgedeckt © Correctiv

CumEx-Affäre: Journalist betrieb keine Wirtschaftsspionage

Red. /  Die Staatsanwaltschaft Hamburg erteilt der Schweizer Justiz eine Abfuhr und beendet Ermittlungen gegen den «Correctiv»-Chef.

Seit März 2018 hatte die Hamburger Behörde auf Ersuchen der Schweizer Justiz gegen den Chefredaktor des Recherchenetzwerks «Correctiv», Oliver Schröm, ermittelt. Der Vorwurf: «Verdacht der Anstiftung zum Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen». Konkret: Der Journalist soll einen hochbezahlten Mitarbeiter der Privatbank Sarasin dazu angestiftet haben, ihm interne Unterlagen zu geben, die die Verwicklungen des Schweizer Geldinstitutes in dubiose CumEx-Geschäfte dokumentierten. (Mittlerweile wurde die Privatbank Sarasin in Deutschland wegen ihrer CumEx-Geschäfte zu ersten Schadenersatzzahlungen in Höhe von 45 Millionen Euro verurteilt.)
Schlappe für Zürcher Justiz
Vor kurzem hat die Staatsanwaltschaft Hamburg die Ermittlungen gegen den Journalisten eingestellt, wie «Correctiv» berichtet. Es bestehe «kein hinreichender Tatverdacht, der eine weitere Ermittlung oder gar Anklage rechtfertige», teilte die Behörde mit. In der Einstellungsverfügung geht die Hamburger Staatsanwaltschaft hart ins Gericht mit der Schweizer Justiz: Die Staatsanwaltschaft Zürich habe Akten offensichtlich nur unvollständig und geschwärzt nach Hamburg übersandt, mit der Begründung, sie würden in grossem Umfang «Geschäftsgeheimnisse enthalten». Die Hamburger Behörde schenkte auch den Aussagen des Belastungszeugen der Schweizer Justiz keinen Glauben, der wegen Weitergabe von CumEx-Unterlagen in der Schweiz in Untersuchungshaft sass.
Grosse Schweizer Medien haben über die Einstellung der Ermittlungen bisher nicht informiert.
Mit der Einstellungsverfügung aus Hamburg dürfte das Ermittlungsverfahren gegen Schröm auch für die Schweizer Justiz abgeschlossen sein. Am Rande des Prozesses in Zürich gegen den Ex-Banker und Belastungszeugen sowie zwei weitere Deutsche interviewte eine «Correctiv»-Reporterin den Zürcher Staatsanwalt, der die Ermittlungen gegen Oliver Schröm führt. Falls die Hamburger Staatsanwaltschaft die Ermittlungen einstellt, versicherte er, würde er das auch tun: «Wir haben den Fall sistiert, warten den Ausgang des deutschen Verfahrens ab. Aber eigentlich egal, wie die Deutschen den Fall erledigen, ist es für uns bindend.»
Angriff auf die Pressefreiheit
Auslöser des Ermittlungsverfahrens war eine Anzeige der Schweizer Privatbank Sarasin. Anfang 2014 hatte Oliver Schröm, damals Investigativ-Chef des Magazins «Stern», die millionenschweren CumEx-Geschäfte der Privatbank zulasten deutscher Steuerzahler aufgedeckt und darüber berichtet. Nach der Veröffentlichung von Schröms Recherchen ermittelte die Staatsanwaltschaft Zürich III gegen den Journalisten. Der Vorwurf: Wirtschaftlicher Nachrichtendienst und Verletzung des Geschäftsgeheimnisses.
Vier Jahre nach Beginn der Ermittlungen, bat die Behörde aus Zürich die Staatsanwaltschaft Hamburg um Übernahme des Verfahrens. Die Ermittlungen gegen den «Correctiv»-Chefredaktor stiessen in einer breiten Öffentlichkeit auf Kritik. «Correctiv» wertete die Ermittlungen als Angriff auf die Pressefreiheit. Denn kurz zuvor, im Oktober 2018, hatte unter Leitung von Oliver Schröm das Recherchezentrum «Correctiv» mit 18 europäischen Medienpartnern ihre Rechercheergebnisse zu den CumEx Files veröffentlicht und damit den wohl grössten Steuerraub in der Geschichte Europas aufgedeckt. Banker, Broker und Berater hatten zusammen mit schwerreichen Investoren die Staatskassen geplündert. Betroffen waren neben Deutschland mindestens zehn weitere europäische Länder. Nach Berechnungen der Journalisten belief sich der Schaden für den europäischen Steuerzahler auf mehr als 55 Milliarden Euro.
Es wird weiter betrogen
Mit den Recherchen der 39 europäischen Journalisten befasste sich das EU-Parlament und forderte die Europäische Finanzaufsicht ESMA und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA auf, die Geschäfte zu überprüfen. Die ESMA leitete daraufhin die erste Untersuchung in ihrer Geschichte zur Integrität des Finanzmarkts ein. In ihrem kürzlich veröffentlichten Zwischenbericht bestätigte sie die Recherchen der Journalisten und machte deutlich, dass steuergetriebene Geschäfte wie CumEx bis heute in Europa stattfinden.
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4 Meinungen

  • am 16.07.2019 um 14:55 Uhr
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    Grotesk und beschämend, mit welcher Willfährigkeit die schweizerischen Justizbehörden Beihilfe zur Knebelung der Pressefreiheit leisten !

  • am 17.07.2019 um 10:16 Uhr
    Permalink

    Es scheint mir an der Zeit, solches Gebahren auch wirklich zu ahnden. Damit meine ich die global stattfindende Veruntreuung von Steuergeldern. Das die Schweiz solchen «Geschäftsleuten» einen sicheren Hafen bietet, und dann auch noch (wiederum mit Steuergeldern) auf rechtlichem Weg zu helfen versucht und Menschen die solichges Verhalten publik machen zerstören will, gehört beendet!
    Es ist die Pflicht von uns allen zu beginnen, uns endlich darum zu kümmern!
    Danke Infosperber!

  • am 18.07.2019 um 19:05 Uhr
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    Beispiel wie die Schweizer Justiz dem Finanzplatz hofiert und der deutschen Justiz einmal mehr Unterlagen unvollständig liefert. In der Schweiz werden mit solchem Pfusch Prozesse durchgeführt und «Geschäftsgeheimnisse» höher gewichtet als geltendes Recht.

  • am 19.07.2019 um 09:34 Uhr
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    Beispiel auch wie die grossen Pressehäuser, TAmedia, Ringier, NZZ vor den Finanzhäusern kuschen. NZZ war schon immer unkritisch gegenüber dem Finanzplatz, bei Ringier verständlich da sitzen UBS Leute im VR, TAmedia hat sich längst, mit Ausnahmen, von der kritischen Berichterstattung verabschiedet und hat unter Führung von Frau Wittwer und Binswanger die Lebensberatung entdeckt. Und alle Redaktionen beklagen Leserschwund. Da kommt passend dass SP NR Matthias Aebischer diese Pressehäuser mit Steuergelder alimentieren will! Wo Leistung nicht mehr erbracht wird kommt der Steuerzahler zum Handkuss!

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