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«Anständige» Mode an der «Modest Fashion Week» in Dubai. © swr

Mit «Modest Fashion» Frauen diffamieren

Barbara Marti /  Mit dem Begriff «Anständige Mode» wird die Liste verharmlosender und diffamierender Begriffe noch länger.

Frauen wurden jahrhundertelang in «anständige» Ehefrauen und «unanständige» Prostituierte eingeteilt. Mit «Modest Fashion» ist diese Aufteilung in ehrbare und würdelose Frauen zurück. Der Begriff hat auch schon einen Wikipedia-Eintrag. Wer von «anständiger» Mode spricht, sagt indirekt, dass es auch «unanständige» Mode und damit unanständige Frauen gibt.

«Unanständige» Frauen in Lebensgefahr
Kleidung, die den Körper von oben bis unten verhüllt, ist ein riesiges Geschäft für die Modebranche. Fast alle Brands haben sie im Sortiment. Die Ausstellung «Contemporary Muslim Fashions» ist nach San Francisco jetzt auch in Frankfurt zu sehen. Pierre Bergé, Lebens- und Geschäftspartner von Yves Saint Laurent, sprach schon vor Jahren von einer Geschäftsmacherei auf dem Buckel von Frauen: «Designer sollten Frauen schöner machen, ihnen Freiheit geben und nicht kollaborieren mit Diktatoren, die sie unsichtbar machen wollen.» In muslimischen Ländern setzten Frauen ihr Leben aufs Spiel, wenn sie sich nicht «anständig» kleiden wollen.

Nur einer von zahlreichen verharmlosenden Begriffen
Der Begriff «Modest Fashion» wird von Medien meist unreflektiert übernommen. Kein Einzelfall, wie andere Beispiele zeigen:

  • «Sexskandal»: In Zusammenhang mit Übergriffen von prominenten Männern auf Frauen ist oft von «Sexskandal» die Rede. Ein verharmlosender Begriff, da es meist um Gewalt geht.
  • «Beziehungsdelikt»: Wenn ein Mann seine Partnerin ermordet, ist statt von Mord und Totschlag von «Beziehungsdelikt», «Familiendrama», «Eifersuchtstat» oder gar «Ehrenmord» die Rede. Diese Begriffe übernehmen die Sicht des Täters und schieben Opfern eine Mitschuld zu.
  • «Ungeborenes Leben»: Abtreibungsgegner spielen mit diesem Begriff das Selbstbestimmungsrecht der Frauen über ihren Körper gegen ein Lebensrecht des Embryos aus. Es könne kein «ungeborenes Leben» geben, schrieb die «Süddeutsche Zeitung». Wer diesen Begriff verwende, mache Propaganda für diejenigen, die Schwangerschaftsabbruch als Mord bezeichnen.

Diffamierende Begriffe
Salonfähig geworden sind auch Begriffe, die Frauen und Gleichstellungsanliegen in Misskredit bringen. Zwei Beispiele:

  • «Quotenfrau»: Dieser Begriff wird meist abschätzig verwendet. Er signalisiert, dass qualifizierte Frauen einzig wegen ihres Geschlechts einen Job oder ein Amt erhalten haben. Es gibt in Politik und Wirtschaft vermutlich viel mehr Quotenmänner, doch sie werden nicht so bezeichnet. Die «Tageszeitung» behauptete vor einiger Zeit keck, dass alle Männer in Führungspositionen wegen ihres Geschlechtes Karriere machen konnten: «Sie sind die Quotenmänner ihres jeweiligen Old Boys Clubs. Der Kriterienkatalog der Old-Boys-Quote wird nicht veröffentlicht, er ist offensichtlich: Bei der Rekrutierung von Führungspersonal sind Kandidaten zu bevorzugen, die uns möglichst ähnlich sind.»
  • «Gender-Wahn», «Gender-Wahnsinn»: Diese Begriffe von Antifeministen sind ebenfalls in renommierten Medien angekommen. Die Jury, welche jeweils in Deutschland das Unwort des Jahres kürt, hat sie öffentlich gerügt: «Mit dem Ausdruck ’Genderwahn’ werden in konservativen bis rechtspopulistischen Kreisen zunehmend Bemühungen um Geschlechtergerechtigkeit (von geschlechtergerechter Sprache über ’Ehe für alle’ bis hin zu den Bemühungen um die Anerkennung von Transgender-Personen) in undifferenzierter Weise diffamiert.»

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Barbara Marti ist Redaktorin und Herausgeberin der Online-Zeitschrift «FrauenSicht»

Zum Infosperber-Dossier:

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2 Meinungen

  • am 29.06.2019 um 16:27 Uhr
    Permalink

    Der Ausdruck «Gender-Gaga» hingegen bringt es im Zusammenhang mit dem zunehmend aus dem Ruder laufenden und mittlerweile ins Lächerliche abgleitenden Diskurs um die sogenannt «gendergerechte» Sprache ("StudentInnenfutter», «Führer_innenausweis», «Liebx Professx“, «Fussgängerinnen- und Fussgängerstreifen» usw. usf.) auf den Punkt. Der Diskurs bei welchem, befeuert durch Wortführerinnen dieser zunehmend totalitäre Züge annehmenden «Feministischen Linguistik», einer flächendeckenden Sprachverhunzung den Boden geebnet werden soll, rechtfertigt den Gebrauch dieses zugegebenermassen diffamierenden Ausdrucks vollauf.

  • am 1.07.2019 um 16:31 Uhr
    Permalink

    Anstand ist eine Frage der gesellschaftlichen Kultur. Frauen, Kinder und Männer, die sich nicht nach diesen gesellschaftlichen Regeln verhalten, gelten als unanständig. Anstands-Regeln sind so verschieden, wie gesellschaftliche Kulturen. Unser Anstands-Empfinden als allgemein gültig für sämtliche fremden Kulturen erklären zu wollen, das geht nicht. Also gibt es bei uns «anständige» Mode, die in anderen Kulturen als unanständig empfunden wird.
    Ich empfinde die im Bild gezeigte Mode als anständig. Ich möchte niemandem verbieten, es anders zu empfinden.
    Ich möchte aber auch niemandem erlauben, mir vorzuschreiben, wie ich das, was ich sehe, zu empfinden und zu werten oder was ich unter einem bestimmten Sprachgebrauch zu verstehen habe.
    Frauen-Diffamierung wird nicht durch den Sprachgebrauch geschaffen oder abgeschafft. Sie wird durch den Sprachgebrauch höchstens reflektiert. Tatsächlich wird sie nicht einmal durch den Sprachgebrauch reflektiert, sondern durch die Interpretation des Sprachgebrauchs.

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