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Deutsche Hymne: Der Vorschlag für geschlechtergerechte Sprache sorgte im Frühjahr für Aufregung © ard

Deshalb wird der Genderstern* nicht amtlich

Barbara Marti /  Der Rechtschreiberat verzichtet auf ein Machtwort zur geschlechtergerechten Sprache. Die hitzige Debatte geht weiter.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung gibt vorerst keine Empfehlung für geschlechtergerechte Sprache ab. Man wolle die gesellschaftliche «Erprobungsphase» verschiedener Schreibweisen nicht durch eine verfrühte Empfehlung beeinflussen, heisst es in der Antwort auf eine Anfrage des Bezirksparlaments Berlin-Mitte. Dem Rat gehören 41 Mitglieder aus sieben Ländern und Regionen an. Seine Aufgabe ist es, Empfehlungen für eine einheitliche Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu machen.

Mehrere Möglichkeiten
Für den Rat ist das Recht aller Menschen auf angemessene sprachliche Bezeichnung ein Anliegen, das sich auch in der geschriebenen Sprache abbilden soll. Dafür gebe es verschiedene Möglichkeiten, die «in unterschiedlichem Umfang den Kriterien für geschlechteregerechte Sprache» entsprechen. Der Rat erwähnt das generisches Maskulinum und orthographische Varianten wie Schrägstrich (Student/-innen), Stern (Student*innen) und Unterstrich (Student_innen). Möglich seien auch Zusätze zum generischen Maskulinum wie «divers».

«Männer müssen Macht abgeben»
Traditionalistinnen und Traditionalisten lehnen sprachliche Neuerungen grundsätzlich ab und sprechen von «Genderwahn» oder «Gaga-Sprache». Das generische Maskulinum bezeichne kein biologisches Geschlecht und diskriminiere deshalb niemanden.
Reformerinnen und Reformer sagen, das generische Maskulinum zementiere die männliche Form als Norm und mache Frauen unsichtbar. Kathrin Kunkel-Razum, Mitglied des Rechtschreibrates und Leiterin der Duden-Redaktion, sagte gegenüber «Spiegel Online», dass es auch um Macht gehe, die Männer abgeben müssen. Deshalb werde die Debatte oft emotional geführt: «Wenn Dinge, die einem so selbstverständlich sind, ins Wanken geraten, ruft das fundamentale Verunsicherung hervor.»

Höchtsgerichte als Tempomacher
Der Rechtschreiberat erwartet, dass aktuelle Gerichtsentscheide in Deutschland und Österreich die Diskussion über geschlechtergerechte Sprache beschleunigen. In Deutschland hatte das Höchstgericht im Frühjahr entschieden, dass eine Sparkasse ihre Kundinnen weiterhin als «Kunden» ansprechen darf. In Österreich schreibt der Verfassungsgerichtshof neu vor, dass es für Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, im Personenstandsgesetz auch eine Bezeichnung geben muss.

Geschlechtergerechte Sprache ist nicht nur im deutschen Sprachraum Anlass für hitzige Debatten. In Frankreich sorgt ein Schulbuch mit geschlechtergerechten Sprachformen wie «agriculteur·rice·s» seit einem Jahr für Kontroversen. Die Académie française, Wächterin über die französische Sprache, bezeichnete die inklusive Sprache (écriture inclusive) als Ende der französischen Sprache.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Die Autorin ist Redaktorin und Herausgeberin der Online-Zeitung «FrauenSicht».

Zum Infosperber-Dossier:

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Gleiche Rechte für Frauen und Männer

Gleichstellung und Gleichberechtigung: Angleichung der Geschlechter – nicht nur in Politik und Wirtschaft.

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5 Meinungen

  • am 30.12.2018 um 12:10 Uhr
    Permalink

    In unseren Auftragsdokumenten (Organisationshandbücher + Produktedokumentationen + Dienstleistungsdokumentationen + Betriebsanleitungen + Verträgen) nutzen wir seit Mitte der 90-er-Jahre systematisch eine Gender-konforme Sprache + Schreibweise.
    – Alle unsere Kund:Innen machten mit, zT mit inneren Widerständen. Im Zweifelsfall hätten sie den Dienstleister wechseln müssen …
    – Das eigentliche Problem in unserer Erfahrung besteht in der deutschen Sprache, wie DUDEN sie festschreibt: Sie ist voller sprachlicher Mängel ¦ Begrenzungen, so wie er sie uns vorschreibt wenn wir Gender-gerecht schreiben (diverse sprachliche Ungereimtheiten).
    — Wir sollten Deutsch neu denken, ausbrechen aus dem aktuellen Sprachgebrauch, um die Gender-Fallen endlich + komplett loszuwerden.
    — Wieso gibt es an unseren Unis nicht längst einen Lehrstuhl für eine neue Gender-konforme deutsche Sprache?
    — Es kann doch nicht sein, dass wir ‹die Frauen unsichtbar machen›, einfach aus einer Jahrhunderte-alten Tradition heraus, welche unsere Frauen leider viel zu lang tolerierten.

  • billo
    am 30.12.2018 um 12:57 Uhr
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    Wenn Schriftsprache unsprechbar wird, mutiert sie zur Unsprache bzw. zu einem Kodex für Priesterinnen, Priester und andere ihnen verwandte Figuren beliebigen Geschlechts.
    Ein Vorschlag für eine geschlechtsneutrale Grammatik, die sich auch verrenkungslos aussprechen lässt, am Beispiel «Konsument»:
    der Konsument, die Konsumentin, das Konsumenten;
    die Konsumenten, die Konsumentinnen, die Konsumentenen
    In dieser Richtung müsste weitergesucht werden, bevor abgehobene Sprachpäpste auch die nächste Rechtschreibreform verbocken.
    http://communicum.ch/blog/?p=2250

  • am 30.12.2018 um 13:52 Uhr
    Permalink

    «Gaga-Sprache» ist der treffende Ausdruck für den ganzen feministisch-linguistischen Mist. – In einer Zeit, in welcher drängende, teilweise weltbewegende Probleme zur Diskussion stehen, wirkt dieser sterile Sprachenstreit um Gendersternchen, Unterstrichlein und Schrägstrichlein völlig deplatziert. Es sind beileibe nicht bloss Modernumgangssprachtraditionalistinnen und Modernumgangssprachtraditionalisten, die sich ob dieser läppischen Debatte zunehmend genervt fühlen, zu Recht bockig reagieren und sich in ihrer Schreibe der «feministischen Sprachsittenpolizei» aktiv widersetzen.

  • am 30.12.2018 um 15:29 Uhr
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    Ist es nicht schon dekadent, wenn wir uns mit derartigen Fragen auseinandersetzen und in Afrika junge Mädchen während der Periode die Schule nicht besuchen können, weil sie keine Toiletten haben oder jede Minute Kinder an Hunger sterben? Sollten wir uns nicht schämen über solchen Unsinn zu streiten? Sind dies nicht die Vorboten der letzten Zeit? Lieblosigkeit, Habgier, Unzucht, schlicht der Gottlosigkeit? Wer aber an Jesus glaubt, der wird gerettet werden!

  • am 31.12.2018 um 05:44 Uhr
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    Interessant, dass sich lauter Männer zum Anliegen einer Gender-konformen Sprache äussern.
    – Geht das bei Euch, liebe Frauen?
    – Wieso steht Ihr nicht endlich auf?

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