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Das Herbizid Dicamba befindet sich gerne auf Abwegen, schuld daran sind angeblich die Landwirte. © CC

«Wenn Du es nicht kaufst, wird es Dir schaden»

Daniela Gschweng /  Dicamba wandert gerne auf Nachbars Felder. Das bringt sogar treue Monsanto-Kunden gegen das Herbizid auf.

Weil gegen «RoundUp» immer mehr Resistenzen entstehen, so dass es Unkräuter nicht mehr genügend vernichtet, sollte ein älteres Pestizid Bauern vor Glyphosat-resistentem Unkraut retten: Seit 2016 sind genetisch modifizierte Baumwoll- und Sojapflanzen in Kombination mit dem Herbizid Dicamba auf dem Markt. Nun bringt es die Bauern gegeneinander auf – weil Dicamba nicht-resistente Felder schädigt.

10 Millionen Hektaren wurden bereits mit Monsantos neuester Kombination bepflanzt. Wer an der Erfolgsgeschichte nicht teilnehmen will, sollte sich das gut überlegen. Denn das Dicamba-System, Markenname «Xtend», lässt Landwirten fast keine andere Wahl.

Bauern fürchten um die Pflanzen

Der Grund dafür ist die hohe Mobilität von Dicamba, das nicht nur auf den damit behandelten Feldern alles tötet, was nicht dagegen resistent ist, sondern auch die Ernte des Nachbarn vernichten kann. Unter den Landwirten in einigen US-Staaten hat das bereits zu handfesten Auseinandersetzungen geführt.

Viele Bauern haben sich Sammelklagen gegen Monsanto angeschlossen, weil ihre Pflanzungen Schaden davongetragen haben, schreibt die «New York Times». Hergestellt werden Dicamba-Systeme derzeit von Monsanto und der BASF. Der fusionierte Konzern DowDuPont, der seine eigene Dicamba-resistente Saatgutserie produziert, stellt zudem Saatgut her, das resistent gegen 2,4-D, ein anderes älteres Herbizid, ist.

(Nicht nur) vom Winde verweht

Dass Dicamba auf andere Felder driften kann, ist lange bekannt. Durch eine neue Formulierung wollen BASF und Monsanto das Produkt weniger mobil gemacht haben. Monsanto gibt jedoch zu, dass Dicamba-Partikel mit dem Wind auf andere Felder gelangen können, wenn das Produkt «unsachgemäss angewendet» wird. Dazu später mehr.

Das ist nur die halbe Wahrheit. Dicamba ist flüchtig. Dass heisst, es kann gasförmig werden und sich so in der Luft verbreiten. Weil es den genetisch angepassten Pflanzen nicht schadet, kann Dicamba genau wie Glyphosat auch dann gespritzt werden, wenn sich auf den Feldern schon erstes Grün zeigt. Doch dann ist das Wetter meist heisser und feuchter, was die Verflüchtigung fördert.

Der Unkrautexperte Kevin Bradley von der University of Missouri, auf den das Agrarministerium von Arkansas verweist, hält die Gefährdung anderer Felder durch Flüchtigkeit für nur wenig kleiner wie durch Abdriften beim Sprühen. Bradley geht davon aus, dass bereits mehr als 1,2 Millionen Hektaren Kulturland betroffen sind (siehe auch Infosperber «Nach der Glyphosat-Resistenz die Dicamba-Wolke»).

Ein halb gelöstes Problem und zufriedene Kunden

Obwohl Monsanto und die BASF Änderungen an der Formulierung vorgenommen haben, lösen sie das Problem damit also höchstens zum Teil. Je mehr Dicamba verwendet wird, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass ein kleiner Teil der Gesamtmenge erheblichen Schaden anrichtet.

Der US-Staat Arkansas hat das Pflanzenschutzmittel diesen Sommer für einen Zeitraum von 120 Tagen verboten und erwägt, das 2018 ab Mitte April erneut zu tun. Missouri hat den Verkauf von Dicamba im Juli 2017 kurzzeitig untersagt. Die US-Regulierungsbehörde EPA (Environmental Protection Agency), die unter Trump eine industriefreundliche Führung erhielt, ist beunruhigt und erwägt ein saisonales Dicamba-Verbot.

Das wäre ein herber Schlag für den Saatgutkonzern Monsanto, der im kommenden Jahr die Anbaufläche auf 16 Hektaren vergrössern will. Das Unternehmen klagte gegen das Verbot in Arkansas – mit dem Argument, 99 Prozent der Kunden seien zufrieden.

Es kann nur an den Bauern liegen …

Alles gut mit dem Produkt also, das Problem seien die Anwender, sagt Monsanto. «Es braucht einige Zeit, um neue Technologien zu lernen», sagte Scott Partridge, Monsantos Vizepräsident für globale Strategie gegenüber der «New York Times» (NYT). Drei Viertel der Bauern hätten Dicamba einfach nicht vorschriftsgemäss angewendet, das hätte man im Feld gesehen. Mit einer besseren Unterweisung könne man das Problem lösen.

Fachleute widersprechen. Steve Smith, Agrarchef beim Tomatenverarbeiter «Red Gold» und Mitglied des Dicamba-Beratungsgremiums bei Monsanto hatte jahrelang versucht, das Unternehmen zu einem Kurswechsel zu bewegen. «Selbst die gewissenhaftesten Landwirte haben keine Kontrolle darüber, wo dieses Gift landen wird», hatte er schon 2010 bei einer Anhörung des US-Kongresses gesagt.

… oder an den Wissenschaftlern

Arkansas Entscheidung, Dicamba kurzfristig zu verbieten, sei beeinflusst von den beiden Wissenschaftlern Ford Baldwin und Jason Norsworthy, die Geschäftsbeziehungen zum Rivalen Bayer unterhalten würden, führte Monsanto an. Eine seltsame Aussage, wenn man bedenkt, dass Bayer derzeit dabei ist, Monsanto zu übernehmen. Die Übernahme wird zur Zeit kartellrechtlich geprüft.

Wer es nicht kauft, dem wird es schaden

Dicamba ist unbestritten effizient. «Es hat alles aufgeräumt», äusserte ein Landwirt aus Illinois lobend gegenüber der NYT.

Das Aufräumen geht gelegentlich auf Nachbars Feldern weiter. Was Landwirte vor eine schwierige Entscheidung stellt: Entweder sie kaufen die teure neue GMO-Herbizid-Kombination ebenfalls, oder sie riskieren, dass Dicamba mehr Schaden auf ihren Feldern anrichtet als jedes Unkraut, weil der Nachbar es benutzt.

«Wenn Du Xtend nicht kaufst, wird es Dir schaden», formulierte es ein Landwirt aus dem US-Bundesstaat Missouri kurz und bündig. Bauern, die keine gentechnisch modifizierten Pflanzen säen wollten, hätten das Nachsehen.

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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts der «New York Times» und anderer Quellen erstellt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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