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Geheime Verhandlungen zwischen den USA und der EU. Nur Konzerne reden mit. © ard

Sie liefern uns Konzernen und fremden Richtern aus

Natalie Perren /  In Geheimverhandlungen hebeln die USA und die EU fundamentale Bürgerrechte aus. Die Schweiz will mit den USA nachziehen.

Red. Obwohl die Schweiz stolz ist auf die demokratische Mitbestimmung und sich ungern fremden Richtern unterwirft, herrscht über die geheimen Verhandlungen unter USA, EU und Konzernen über ein sogenanntes Freihandelsabkommen (FHA oder TTIP) breites Schweigen. Dabei haben Schweizer Behörden bereits erklärt, dass die Schweiz in einem separaten Abkommen mit den USA sofort nachziehen müsste.
Es geht um den Abbau von «nichttarifären Handelshindernissen» zum Fördern des Wachstums. Im Klartext: Die Europäer sollen alle US-Produkte in ihre Länder lassen, auch wenn diese in Europa verbotene Hormone und Pestizide, gentechnisch veränderte Substanzen und anderes enthalten.
Das Magazin «Monitor» des ARD hat alarmierende Hintergründe recherchiert und das Ködern mit Wachstum und Arbeitsplätzen als PR-Masche entlarvt. Es lohnt sich, diese Dokumentation anzusehen.

Das Freihandelsabkommen mit den USA bringt einen Handelsboom, Hunderttausende neue Jobs, grenzenloses Wirtschaftswachstum, höhere Löhne für alle. Das behaupten die Politiker. Doch Experten misstrauen den vollmundigen Versprechen. Sie befürchten vielmehr, dass die Politik blind demokratische Rechte opfert, zugunsten der Macht multinationaler Konzerne. «Es handelt sich um einen Generalangriff auf Verbraucherschutzstandards, Umweltgesetze, Gesetze zur Stabilisierung der Finanzmärkte auf beiden Seiten des Atlantiks», sagt etwa Pia Eberhardt von der Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory.
Konzerne haben das Sagen
Für diese Befürchtungen gibt es gute Gründe, wie das ARD-Magazin «Monitor» aufdeckt. «Monitor» liegt ein geheimes Positionspapier der EU-Kommission vor. Danach soll ein «Rat für Regulierung» alle neuen Gesetze und Regeln daraufhin überprüfen, ob sie mehr Handel erzeugen. In diesem Gremium entscheiden Vertreter der Industrie-Lobby, noch bevor die eigentlichen Gesetzgeber wie das Parlament an der Reihe sind. Das bedeutet: Multinationale Konzerne werden künftig praktisch bei allem das Sagen haben. Das Billionen schwere Abkommen wird fast vollständig im Geheimen verhandelt. Dabei betrifft es nicht nur das Lebensmittelrecht, sondern auch Sozialstandards, Finanzmärkte und das Arbeitsrecht.
Besonders Konsumentenschützer sind entsetzt. Denn das wollen amerikanische Konzerne auf den europäischen Markt bringen: Hühner, die mit Chlor desinfiziert werden, oder Hormonfleisch – in Europa nicht erlaubt. Auch Chemikalien, die in der EU wegen Gesundheitsgefährdung verboten sind.
PR-Strategie der EU-Behörde
Doch darüber schweigen die Politiker. Man müsse das Abkommen nur besser verkaufen, heisst es in einem internen Papier der EU-Handelskommission. Die EU-Behörde wünscht, man solle nicht über die Sorgen der Verbraucher sprechen, sondern stattdessen nur über «das Ziel, Wachstum und Arbeitsplätze zu schaffen». Und diese PR-Strategie scheint voll aufzugehen.
Politiker werden nicht müde, das Freihandelsabkommen als «Jobwunder» und «Weg aus der Krise» anzupreisen. Um diese Behauptungen zu untermauern, gibt es gleich mehrere Studien. Die Rede ist von «erheblichen Effekten» – bis zu 160’000 neue Arbeitsplätze soll es allein in Deutschland geben. Die EU-Kommission verspricht auch ein riesiges Wirtschaftswachstum – 120 Milliarden Euro soll das Freihandelsabkommen der EU bringen.
Wachstumszahlen sind ein Bluff
Doch «Monitor» enthüllt: Mit dem versprochenen Wachstum dürfte es nicht weit her sein. Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich die schönen Zahlen als Bluff. Sogar der Hauptautor sämtlicher deutschen Studien, Professor Gabriel Felbermayr vom ifo-Institu in München, gibt offen zu, dass das Freihandelsabkommen unter dem Strich wenig neue Jobs bringt. «Die Effekte liegen etwa im Bereich von 0,4 Prozent der Beschäftigung», sagt er. Man könne der Politik durchaus einen Vorwurf machen, dass sie diese kleinen Zahlen als «Jobwunder» verkauft.
Auch das versprochene riesige Wirtschaftswachstum – eine reine PR-Masche. Denn selbst die Studie der EU-Handelskommission rechnet nur mit einem zusätzlichen Wachstum von winzigen 0,5 Prozent – und das in 10 Jahren. Das macht pro Jahr im Durchschnitt 0,05 Prozent.
Schon 2015 soll das Freihandelsabkommen unterschrieben werden. Bis dahin werden die Politiker wohl das Märchen von grossem Wachstum und den vielen Arbeitsplätzen weiter erzählen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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2 Meinungen

  • am 12.02.2014 um 13:46 Uhr
    Permalink

    Wenn ich früher von solchen geheimen Absprachen etwas schrieb, wurde ich in die Verschwörungstheorie-Ecke geschoben. So wie auch der Schriftsteller Armin Risi mit seinem hervorragenden Buch «Machtwechsel auf der Erde» über das schreibt, was eine gute Alternative zu diesem Raubtierkapitalismus und Wachstumswahn wäre. Nämlich Kooperation, Zusammenarbeit statt Konkurrenzkampf, und Gerechtigkeit. Für die Usa und für die USA-Hörige EU gibt es nur eines: Gewinn und Wachstum, bis zum Untergang. Da darf die Schweiz nicht mitmachen, auf keinen Fall. Es reicht schon dass in der Schweiz die Suizidrate höher ist als die Anzahl der Verkehrstoten, weil es hier so viele Sympathisanten gibt zu dem knallharten Materialismus. Wenn dann alles einstürzt wie ein Kartenhaus, werden die ehemaligen Superreichen dann auch wie die ehemaligen Nazis sagen, sie hätten nicht gewusst, dass ihre Wachstumsgier und Profitgier auf kosten von Menschenleben, Mitgefühl und Würde geht? Wir werden sehen. Republikaner wie Rockefeller, Rothschild, Carnegie, Harriman, Morgan, Schiff und Warburg, sie halten über 90% des Weltkapitales in den Händen, den anderen droht mit 60 der Herzinfarkt. Die Plutokratie lässt grüssen.

  • am 16.02.2014 um 15:28 Uhr
    Permalink

    Ähnlich hat schon vor einiger Zeit Herr Norbert Knobloch berichtet
    auf dem Gebiet Gesundheit, die health claims:
    Zitat: «Das Projekt steht unter der Leitung der Codex-Alimentarius-Kommission, der weltumfassenden Hauptinstitution, die den Generaldirektoren der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization [WHO]) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization of the UN [FAO]) bei allen Anliegen, welche die Nahrungsmittelstandard-Programme der WHO und der FAO betreffen, „Vorschläge“ macht und „Rat“ erteilt. ………..»

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