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Die EU ringt um eine Bankenunion, darin eingeschlossen ein Einlegerschutz für Bankkunden. © Vectorportal/flickr/cc

«Die schlechtesten Banken holen den Jackpot»

Urs Birchler /  Auf den ersten Blick bestechend, beim zweiten Hinsehen gravierende Probleme. Das steckt im Modell einer EU-Einlagenversicherung.

(Red). Der morgige EU-Krisengipfel zum Euro diskutiert eine Haushalt- und Bankenunion. Darin eingeschlossen ist eine europaweite Einlagenversicherung von Bankguthaben. In der Schweiz garantiert die gesetzliche Einlagensicherung im Konkursfall pro Einleger und Bank eine Rückzahlung bis 100 000 Franken. Das Bankengesetz sieht eine Maximaldeckung von 6 Milliarden vor. Der Zürcher Bankenprofessor Urs Birchler (62) analysiert im untenstehenden Beitrag die vorgeschlagene einheitliche Lösung in der EU.

Die gegenwärtig populäre Idee einer Europäischen Bankenunion beinhaltet auch eine europaweite Einlagenversicherung mit einem Fonds, der Schadenfälle abdecken soll. Sie baut zum Teil auf die bestehende EU-Richtlinie zur Einlagensicherung. Eine wohlwollende Darstellung und Analyse findet sich in einem Working-Paper von Dirk Schoenmaker und Daniel Gros (siehe im Anhang). Die Autoren schätzen, dass für die 35 grössten Banken ein Fonds von 55 Milliarden Euro ausreicht, um 1,5 Prozent der versicherten Einlagen abzudecken.

Versicherungsfonds soll es bringen

Die Idee des gemeinsamen Versicherungsfonds wirkt auf den ersten Blick bestechend, hat aber ein paar gravierende Probleme:

• Erstens sollte man eine Versicherung einführen, bevor der Schaden eingetreten ist. Zur Lösung der gegenwärtigen europäischen Bankenprobleme kommt die gemeinsame Versicherung zu spät.
• Zweitens ist ein gemeinsamer Versicherungsfonds nur ein anderer Name für zentralisierte Eigenmittel. Die Eigenmittel werden nicht bei der einzelnen Bank gehalten, sondern in der gemeinsamen Kasse. Ein Pooling unabhängiger Risiken wäre vom Versicherungsgedanken her auf den ersten Blick plausibel. Nur handelt es sich nicht um unabhängige Risiken (gerade im Bankensektor kommt ein Unglück selten allein). Noch schlimmer: Die schlechtesten Banken holen den Jackpot ab, die guten sind die Geprellten.
• Drittens reicht eine Deckung von 1,5 Prozent der versicherten Einlagen nicht aus. Zwar arbeitet die US-Einlagenversicherung mit ähnlichen Werten (1,35 Prozent), muss aber nach Krisen immer wieder ex post Beiträge erheben. Zudem ist sie nur vertrauenswürdig, weil sie über eine Staatsgarantie verfügt.

Kein Konkursprivileg wie in der Schweiz

Schoenmaker und Gros weisen denn auch darauf hin, dass die europäische Einlagenversicherung nur funktioniert, solange die Staatshaushalte im Lot sind. Dies ist auf absehbare Zeit kaum der Fall. Auch die bestehenden nationalen Systeme, die ebenfalls mit Deckungen von gut 1 Prozent arbeiten, wandern auf dünnem Eis. Die absolut notwendige Absicherung der Einlagenversicherung via Konkursprivileg der versicherten Einlagen verwendet die EU nicht, im Gegensatz zur Schweiz, den USA, Australien und anderen Ländern, darunter EU-Beitrittskandidat Montenegro.

Fazit: Einmal mehr greift die EU unter dem Druck der Krise zu einem unausgegorenen Konzept, das auf Scheinlösungen beruht (Stopfen vorhandener Löcher mit Geldern Dritter) und die Probleme langfristig eher verschärft (Verleitung der Marktteilnehmer zu «moral hazard»).

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Leicht redigierte Fasssung des Artikels von Urs Birchler aus dem «Forum für Schweizer Wirtschaftspolitik» www.batz.ch.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Urs Birchler ist Professor am Institut für Banking und Finance der Universität Zürich.

Zum Infosperber-Dossier:

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