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Gerne würde man diesen Schweinen ein Extrahäppchen gönnen, doch es ist zu gefährlich. © Barbara Leyva/Pexels/CC

Essensreste: Seuche gegen Schweinesuppe 1:0

D. Gschweng /  Essensreste an Schweine zu verfüttern, ist seit fast zehn Jahren verboten. Dabei wäre es ökologisch sinnvoll - aber zu gefährlich.

Schweine fressen seit Jahrhunderten die Reste des Essens der Menschen, anscheinend ohne grössere Probleme. Was andernfalls weggeworfen worden wäre, landete lange als «Schweinesuppe» im Trog. Ein perfektes Modell im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Dann aber kam die Massentierhaltung, die einiges komplizierter machte. Anfang des Jahrtausends ging dann alles gründlich schief.

Millionen tote Tiere wegen infizierter Speisereste

Denn Pandemien gibt es auch im Tierreich. 2001 erlebte Grossbritannien den grössten Ausbruch der Maul- und Klauenseuche (MKS) seit 20 Jahren. Die ansteckende Virusinfektion breitete sich schnell auf das europäische Festland aus und hatte drastische wirtschaftliche Folgen. Millionen Tiere starben oder mussten getötet werden.

Zurückzuführen war die Krankheitswelle wahrscheinlich auf infizierte Speisereste. Sie verbreitete sich durch Gülle, Mist, Arbeitsgeräte und Transportfahrzeuge weiter. Das Verfüttern von Essensresten war da in der EU schon seit zwei Jahren verboten, das Verbot aber noch nicht in nationales Recht umgesetzt. Nach Ablauf der letzten Übergangsfristen in Deutschland und Österreich trat es am 1. November 2006 endgültig in allen EU-Ländern in Kraft.

Und dann die Schweinepest

Bereits zuvor war eine andere ansteckende Krankheit, die Klassische Schweinepest (KSP), bei deutschen Wildschweinen aufgetreten, noch im März 2006 waren in Nordrhein-Westfalen Zehntausende Nutzschweine deshalb gekeult worden. Wie die Maul- und Klauenseuche wird auch die Schweinepest durch Nahrung übertragen und schadet Menschen nicht. Seit 2006 gab es keine grösseren Ausbrüche bei Nutztieren mehr.

Die Schweiz zog das Verbot der Verfütterung von Essensresten nach. Seit dem 1. Juli 2011 ist der «Schweineeimer», vorher eine feste Einrichtung in den Grossküchen, auch in der Schweiz Geschichte. Oder fast. Abgeholt wird er immer noch, der Abfall wird seitdem zu Biogas verarbeitet.

Die Schweiz schützt damit die eigenen Tiere und auch die Exporte, denn die Ausfuhr von Tieren und Fleischwaren unterliegt den Hygienebestimmungen der EU.

Tierseuchen bleiben gefährlich

Die Gefahr ist damit keinesfalls gebannt. Die Schweiz gilt seit 1980 als frei von Maul- und Klauenseuche, es gibt jedoch immer wieder Ausbrüche in anderen Ländern, aktuell in der Türkei. Die Schweinepest trat in der Schweiz zuletzt 1999 bei Wildschweinen auf.

Das Tückische an vielen Tierseuchen ist, dass Menschen davon nichts bemerken. Schon eine weggeworfene Wurstscheibe kann die nächste Epidemie auslösen, unbedachtes Littering kann Wildtierpopulationen zerstören. Die krankheitserregenden Viren sind in gekühltem, gefrorenem, gepökeltem und auch in geräuchertem Fleisch lange haltbar.

«In den letzten Jahrzehnten hatten sämtliche Ausbrüche von Maul- und Klauenseuche oder Schweinepest ihren Ursprung im Schweinetrog, weil nicht oder ungenügend erhitzte Speiseresten verfüttert worden waren», bestätigt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV).

Das Erhitzen der «Schweinesuppe» auf 100 Grad, das bis 2011 vorgeschrieben war, tötet zwar die Viren von MKS und Schweinepest zuverlässig ab, erschien den EU-Behörden aber nicht als ausreichend. Vor allem Kleinbetriebe dürften sich auch nicht immer daran gehalten haben. Zwei Drittel der Entsorger setzten die Vorschrift nur mangelhaft um, dokumentierte eine Risikoabschätzung.

80 Grad könnten schon reichen

In verschiedenen europäischen Ländern gibt es Initiativen, die das Verfütterungsverbot aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen kippen wollen. Das könnte viele Hektaren Ackerfläche einsparen und in der Schweiz mehr als 120’000 Tonnen Foodwaste pro Jahr verhindern – so viele Essensreste wurden vor dem Verbot verfüttert.

Würden alle Länder Europas die Zufütterung mit Resten wieder erlauben, müssten Millionen Tonnen Soja weniger hierher transportiert werden. Das würde die Regenwälder schonen, auf deren abgeholzten Flächen das Sojafutter wächst, das die Tiere jetzt fressen (siehe auch Infosperber: «So viel verbrannter Regenwald steckt im Steak»). Ethische Bedenken gibt es dabei eher weniger, auch wenn die Tiere mit den Resten auch Teile ihrer Artgenossen fressen würden. Schweine sind Allesfresser und fressen auch Kadaver.

Unter dem Strich nur ein schmackhaftes Häppchen

Essensreste drei Minuten lang auf nur 80 Grad zu erhitzen, würde die Viren töten, hat das Wissenschaftsmagazin «higgs» unter Bezug auf einen britischen Zoologen recherchiert. Ob das allerdings ausreicht, um auch in Gemischen, die grosse Brocken enthalten, Keime sicher zu töten, ist schwer zu sagen. Ein Risiko bliebe also. Vor allem dann, wenn nicht genügend durchmischt oder nicht lange genug erhitzt wird.

Um Erreger der Krankheit BSE («Rinderwahnsinn») abzutöten, die auch auf Menschen übertragbar ist, sind drei Minuten bei 80 Grad nicht ausreichend. Dazu sind höhere Temperaturen und höherer Druck notwendig.

Die Schweine jedenfalls würden sich freuen. Ihr Futtermix aus Getreide und Soja ist ein ziemlich langweiliger Einheitsbrei. Mehr als ein schmackhaftes Häppchen wäre die Zufütterung aber nicht, vor dem Verbot waren nur zehn Prozent des Schweinefutters Essensreste.

Ein Risiko bliebe und das nächste nähert sich

Die globale Gesundheitslage dürfte die Rücknahme des Verbots wohl verhindern. Insofern geht es dem armen Schwein nicht besser als uns mit COVID19: Die nächste Seuche ist schon auf dem Weg.

Die seit einiger Zeit grassierende Afrikanische Schweinepest (ASP) hat am 10. September über Osteuropa Deutschland erreicht und wurde bei einem Wildschwein nachgewiesen. Ein Fund, der umgehend Folgen hatte: Binnen Stunden erliess Südkorea ein Einfuhrverbot für deutsches Schweinefleisch.

Das BLV warnt seit mehreren Wochen ausdrücklich vor der Einfuhr von Fleischwaren aus Ländern wie Polen, Rumänien, Serbien, der Slowakei und Ungarn. Eine aktuelle Gefährdungskarte findet sich hier.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

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4 Meinungen

  • am 20.09.2020 um 14:32 Uhr
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    Die Schweinepest wie die Vogelgrippe ist nur uns Menschen geschuldet. Die Bauern müssten zuerst ihre Transporte einschränken, ihre Maschinen mehr reinigen ( nicht nur 1x im Jahr) Hände waschen usw. Mehr Hygiene und die Abfälle aus der Gastronomie und Haushalte wären kein Problem. Auch die Schweine und alle anderen Tiere nicht im eigenen Dreck stehen lassen!!

  • am 20.09.2020 um 17:43 Uhr
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    Schweinefleisch gehört nicht auf den menschlichen Speisezettel. Die Chance, die Covid-19 hier geboten hatte, damit wir endlich diesbezüglich aufgeklärt worden wären, wurde einmal mehr ganz bewusst vertan. Weil wegen Geld.

  • am 24.09.2020 um 04:51 Uhr
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    Subventionen richtig kanalisieren
    Restaurants und Händler liefern ihre Reste zB an die Landi. Diese wird subventioniert und bereitet die Suppe nach allen Regeln der Kunst, beimischen von Spurenelementen usw, der Koch sorgt für den guten Geschmack, ev steril wegen der Haltbarkeit. Die Bauern beziehen die gute Suppe, die leeren Kanister werden ausgedampft.

    Subventionen und Herdenschutz
    Die Hirten, innen subventionieren nicht die Bauern. Es braucht mehr Hirten, innen und mehr behüteten Weidegang. Der Tourismus lässt danken und die Biodiverisität profitiert. Die Bauern haben genug andere berechtigte? Subventionen

  • am 6.10.2020 um 10:04 Uhr
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    Moin, moin ~
    auch in Bezug auf sogenannte ‹Tierseuchen› bzw. angeblich durch ‹Viren› verursachte Tier-Krankheiten gilt das, was ich heute schon zum Beitrag «Rechtsextremisten kapern Corona-Demonstrationen» ausgeführt habe …
    Das Lebendige lässt sich NICHT mittels Kausalität-Gedanken erkennen & verstehen – dazu gehört viel, viel mehr dazu (!) – ungeachtet dessen, dass ‹Viren› selbstverständlich auch eine ‹Rolle› im jeweiligen ‹Krankheits-Geschehen› haben, spielen …
    HerzLichsT aus Ostfriesland (!)

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