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US-Schauspielerin Pamela Anderson besuchte Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London. © Arte

Arte greift CIA-Bespitzelungen von Julian Assange auf

Rafael Lutz /  Weder SRF, ARD noch ZDF informierten über neue Zeugenaussagen im Gerichtsverfahren in Spanien. Arte sendete eine grosse Reportage.

Die US-Administration liess bislang keine Gelegenheit ungenutzt, das Leben des WikiLeaks-Gründers zur Hölle zu machen. Seit Jahren führt sie einen schonungslosen Kampf gegen Julian Assange. Selbst in der ecuadorianischen Botschaft in London spähten die US-Geheimdienste Assange aus. Infosperber hatte in drei Teilen darüber berichtet. In die Botschaft war Assange 2010 geflüchtet, um einer Auslieferung an die USA zu entgehen.

Ende Juni informierte der deutsch-französische Kultursender Arte in der Reportage «Grossbritannien: Global Assange» ausführlich über die Bespitzelung Assanges. Die beiden Arte-Journalisten und Filmemacher Étienne Huver und Marina Ladous recherchierten seit diesem März zur Affäre. Sie sprachen mit mehreren involvierten Personen. Darunter mit Rafael Correa, dem Ex-Präsidenten von Ecuador, Aitor Martinez, dem spanischen Anwalt Assanges, Fidel Narváez, dem ehemaligen ecuadorianischen Konsul in London sowie auch mit John Shipton, dem Vater von Assange.

Zur Erinnerung: Vergangenen Sommer reichte Julian Assange in Madrid gegen David Morales, den CEO der spanischen Sicherheitsfirma UC Global, Strafanzeige ein. Morales hatte im Auftrag der US-Geheimdienste den WikiLeaks-Gründer in der ecuadorianischen Botschaft in London ausgespäht. Mittlerweile führt die spanische Justiz ein Untersuchungsverfahren. Ebenso wie Infosperber haben sich auch die Arte-Journalisten die spanischen Gerichtsdokumente beschafft.


Aitor Martinez (mit rotem Pullover), Anwalt von Julian Assange, in der ecuadorianischen Botschaft in London. Quelle: Gerichtsakten

UC Global-Mitarbeiter: «Ich weiss alles über dich»

In einem Arte-Interview mit Assanges Anwalt Aitor Martinez erfährt man, dass es zur Strafanzeige dank drei Ex-Mitarbeitern von UC Global gekommen ist: «Ich bekam einen Telefonanruf. Der Anrufer meinte: Du kennst mich nicht, aber ich kenne dich sehr gut. Ich weiss alles über dich. Ich habe deine Gespräche aufgenommen. Ich habe dich verfolgt. Ich weiss alles, was du in der Botschaft getan hast». Martinez zeigte sich nach dem Telefon mit dem ehemaligen UC Global-Mitarbeiter zunächst geschockt über die Praktiken der spanischen Sicherheitsfirma.

Die ehemaligen Mitarbeiter von UC Global liessen dem Anwalt Assanges daraufhin eine Unmenge an Dokumenten zukommen. Dazu gehörten unzählige Stunden Audio- und Videomaterial aus der ecuadorianischen Botschaft in London. Ein Teil davon liegt auch Infosperber vor. Daraus geht hervor, wie UC Global bei der Überwachung Assanges vorgegangen war. Aufgrund der Dokumente und Beweismaterialien reichte Martinez letzten Sommer Strafanzeige gegen UC Global ein.

Martinez war einer von vielen, die in die Fänge der Schnüffler kamen. Im Visier hatte die spanische Sicherheitsfirma, die laut den Gerichtsakten im Auftrag der CIA arbeitete, das gesamte Umfeld von Assange. Besonderen Fokus legten sie jedoch auf Assanges Anwälte.

Elfmal in Handschellen gelegt

Aufgegriffen hat die Arte-Reportage auch die laufenden Verhandlungen über die Auslieferung Assanges an die USA. Diese haben diesen Februar begonnen. Vor Ort in London waren auch die Arte-Journalisten.

Dort vermittelte der jetzige WikiLeaks-Chefredaktor Kristinn Hrafnsson (Bild) einen Einblick darüber, wie willkürlich das Verfahren gegen Assange geführt wird. «Assange wurde unterirdisch aus dem Gefängnis in den Gerichtssaal geführt. Er wurde zweimal entkleidet und durchsucht. Elfmal in Handschellen gelegt. Als er wieder in seine Zelle kam, hatte man all seine Dokumente beschlagnahmt. Darunter auch die Unterlagen für seine Verteidigung», erklärte Hrafnsson gegenüber der Presse vor dem Gericht in London.

Doch dies war längst noch nicht alles. Assange war während des Prozesses durch einen kugelsicheren Glaskasten räumlich getrennt von seinen Anwälten. Dadurch hatte er Mühe, dem Ablauf akustisch zu folgen. Dies berichtete der ehemalige britische Diplomat Craig Murray, der die Verhandlungen vor Ort mitverfolgte.

Assanges Vater: «Sie hätten Julian auf Kaution freilassen können»

Am 11. April 2019 verhaftete die britische Polizei Assange. Seit dann sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London. Das Vorgehen der britischen Behörden sucht seinesgleichen. Rafael Correa, Ex-Präsident von Ecuador, sagte gegenüber Arte dazu: «Zum ersten Mal in der Geschichte gestattet eine Regierung einer ausländischen Macht Zutritt in ihre Botschaft, um dort einen politischen Flüchtling zu verhaften.»

John Shipton, der ebenfalls in der Arte-Reportage zu Wort kommt, bezeichnet das Vorgehen der britischen Behörden als «kriminell». Er macht sich Sorgen um die Gesundheit seines Sohnes. «Wir dachten, dass die Richterin Assange sofort auf freien Fuss setze, wie viele andere Häftlinge auch. Denn Julian sitzt nur in Untersuchungshaft. Er ist nicht verurteilt. Er ist keine Gefahr für die Allgemeinheit. Sie hätten ihn auf Kaution freilassen können.» Die Verhandlungen um die Auslieferung Assanges werden im September weitergehen.

Die Überwachung Assanges wird in der Arte-Reportage auch als «Operation Hotel» geschildert. Diesen Decknamen gab UC Global-CEO David Morales der Spionageoperation. Gegenüber seinen amerikanischen Freunden sprach Morales stets vom «Hotel», wenn er von der ecuadorianischen Botschaft sprach.

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Siehe die dreiteilige Infosperber-Artikelserie über die Bespitzelung Assanges:

«US-Geheimdienste spähten Assange aus» (erster Teil)

«Die Damentoilette wird verwanzt» (zweiter Teil)

«‹Von der Vergiftung bis zur Entführung ist alles möglich›» (dritter Teil)


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Rafael Lutz arbeitet als Redaktor bei der Regionalzeitung «Der Tössthaler» und schliesst gerade ein Studium der Soziologie an der Universität Freiburg mit dem Master ab.

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2 Meinungen

  • am 25.07.2020 um 19:11 Uhr
    Permalink

    Was sagt uns das? Rechtsstaat, Datensicherheit, Demokratie, Menschenrechte etc., all die Errungenschaften des Kampfes um die Würde aller Menschen gegen die selbsternannten Kapitäne dieser Welt, gelten nur so lange, wie die Machtverhältnisse im aktuellen Gesellschaftssystem nicht in Frage gestellt werden.

  • am 1.08.2020 um 15:16 Uhr
    Permalink

    «Rechtsstaat», das ist nur eine leere Formel. Sie besagt nichts. Ich schliesse mich dem Kommentar von Hanspeter Gysin an.

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