Kommentar

Opferrolle einnehmen, den Gegner verteufeln, Krieg

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsKeine. Ernst Wolff ist freier Journalist und Autor des Buches «Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs», ©

Ernst Wolff /  Bei der Kündigung des Klimaabkommens hat Trump zu einer Taktik gegriffen, die in den USA eine über hundertjährige Tradition hat.

Bei seiner medienwirksam inszenierten Kündigung des Klimaabkommens stellte Präsident Trump andere Länder als Bedrohung für die USA dar und rückte das eigene Land in eine Opferrolle. Während seiner Rede im Rosengarten des Weissen Hauses wies Trump immer wieder darauf hin, dass zahlreiche internationale Abkommen die USA gegenüber ihren Konkurrenten am Weltmarkt benachteiligten und dass es daher aus reinem Selbstschutz notwendig sei, sie zu kündigen.

Diese Aussagen entbehren jeder Grundlage und treffen weder auf das Pariser Klimaabkommen noch auf das bereits gekündigte Transpazifische Abkommen TPP, noch auf das mit Europa ausgehandelte TTIP zu. Sie dienen aber dazu, die wenig informierte Mehrheit der US-Bevölkerung gegen das Ausland aufzubringen und die Probleme der USA als Folge der US-feindlichen Politik ausländischer Mächte darzustellen. Diese Strategie hat diverse historische Parallelen, darunter das Verhalten der USA in beiden Weltkriegen.

Als es 1917 so aussah, als könne Deutschland den Ersten Weltkrieg gewinnen, fürchteten die USA um ihre an Grossbritannien und andere Länder vergebenen Kredite. Doch US-Präsident Woodrow Wilson war 1916 mit dem Versprechen gewählt worden, die USA aus dem Krieg herauszuhalten. Deshalb entfachte die US-Regierung die bis dahin grösste PR-Kampagne in der Geschichte des Landes und verteufelte Deutschland unter Einsatz aller Medien als «Hort des Bösen». Das Ergebnis: Die US-Bevölkerung nahm den Kriegseintritt widerspruchslos hin.

Im Zweiten Weltkrieg nutzte Präsident Roosevelt den japanischen Angriff auf den Hafen von Pearl Harbor, um die bis dahin mehrheitlich isolationistische und pazifistische Bevölkerung für einen Einstieg in den Zweiten Weltkrieg umzustimmen. Beim Angriff kamen über tausend junge Amerikaner ums Leben. Vereinzelte Historiker behaupteten sogar, das US-Militär sei über japanische Angriffspläne informiert gewesen.

In späteren US-Kriegen wurde die Taktik der Opferrolle aktiv angewandt:

  • Der Einstieg in den Vietnamkrieg wurde damit begründet, dass Nordvietnam die US-Flotte im Golf von Tonkin beschossen habe – eine inzwischen als Lüge entlarvte, aber von der US-Regierung jahrelang aufrecht erhaltene Version.
  • Zum Einstieg in den Irakkrieg wurde vor den Kameras der gesamten Welt behauptet, Saddam Hussein bedrohe die Welt durch Massenvernichtungswaffen – eine inzwischen ebenfalls als Lüge entlarvte Fabrikation der US-Geheimdienste.

Dass Trump derzeit alle Register zieht, wenn es um die Verteufelung des Auslandes geht, ist kein Zeichen der Stärke, sondern verdeutlicht, wie gross die Probleme der Noch-Supermacht USA sind.
Präsident Trump hat im Januar die Führung eines Landes übernommen, das sich in einem historischen Abwärtsstrudel befindet: Zwanzig Billionen Dollars Staatsschulden, eine zerfallende Infrastruktur, eine stagnierende Wirtschaft, Blasen an den Anleihe-, Aktien- und Immobilienmärkten sowie ein kaum mehr zu kontrollierender Finanzsektor. Dazu eine Zentralbank, der nach mehreren Runden des Gelddruckens und jahrelangen Zinssenkungen die Mittel zum Eingreifen ausgehen – die USA stecken in den grössten Problemen in ihrer zweihundertjährigen Geschichte.
Dem «vergessenen kleinen Mann», den Trump und sein Team so oft beschwören, stehen härtere Zeiten als unter vorhergehenden Präsidenten bevor. In dieser Situation bleibt eine Option: Krieg. Zum einen, um seine Anhängerschaft von den wahren Problemen der USA abzulenken, zum anderen, um im Rüstungssektor Arbeitsplätze zu schaffen und die Produktion anzukurbeln, um so den Verfall der USA über eine auf Kriegsproduktion umgestellte Wirtschaft zumindest vorübergehend aufzuhalten.

Einige Weichen hierfür sind bereits gestellt. Die Auftragsbücher der US-Waffenproduzenten sind prall gefüllt, mit dem Nahost-Verbündeten Saudi-Arabien wurde der Krieg im Jemen ausgeweitet, und Nordkorea hat die grösste Zusammenziehung von US-Streitkräften im Ausland seit Langem gesehen. Gleichzeitig nehmen die Provokationen gegen Russland, China und Iran zu. Die bisher grösste Provokation war neben dem Aufmarsch vor Korea der Abwurf der Mega-Bombe auf Afghanistan.

Übrigens: Wenn europäische Politiker Trumps Kündigung des Klimaabkommens kritisieren, dann liegt das weniger daran, dass ihnen das Klima oder der Umweltschutz so sehr am Herzen liegen, sondern wesentlich daran, dass sie jede Gelegenheit ergreifen, um von dem horrenden Berg von Problemen in Europa, vor dem sie selber stehen, abzulenken.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Ernst Wolff ist freier Journalist und Autor des Buches «Weltmacht IWF – Chronik eines Raubzugs», erschienen im Tectum-Verlag, Marburg, 26.90 CHF.

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US-Politik unter Donald Trump

Weichenstellungen: An seinen Entscheiden ist Trump zu messen, nicht an seinen widersprüchlichen Aussagen.

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Eine Meinung zu

  • am 11.06.2017 um 21:40 Uhr
    Permalink

    Über das Mittel «Krieg» als Ablenkung von den internen Problemen habe ich hier geschrieben: https://thieblog.wordpress.com/2017/01/29/a-strange-deja-vu/
    Interessant wäre noch zu analysieren, inwieweit grosse Konzerne verpflichtet wären, einen grösseren Krieg zu befürworten, da dadurch die Dividenden erhöht würden. Eine Aktiengesellschaft ist ihren Aktionären ja zu Gewinn verpflichtet …

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