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Definitiv kein twitternder Show Master: Wladimir Putin kann auch zuhören © CdS

Putins Reformvorschläge – die Kommentare verraten die Schreiber

Christian Müller /  Neben fast durchwegs einäugigen Kommentaren gab es auch echt informative – einen besonders lesenswerten auch aus den USA.

Wladimir Putins Ankündigung vom 15. Januar, wie Russland künftig geführt werden soll, dass nämlich dem Präsidenten weniger Kompetenzen und dem Parlament mehr Kompetenzen zufallen sollen, kam in Russland in weiten Bevölkerungskreisen gut an. Wie aber reagierte das westliche Ausland, wie wurde Putins Plan für die Zeit nach 2024 kommentiert?

Die Psychologen kennen es aus dem Alltag: In der Beurteilung anderer Menschen projizieren wir unsere eigene Lebenseinstellung oft auch in unsere Umgebung. Der gutgläubige und ehrliche kleine Mann geht davon aus, dass auch alle anderen gutgläubig und ehrlich sind, – und macht dabei oft Fehler, weil er – als Naivling – auf die Tricks der Trickser dann eben reinfällt. Trickser dagegen gehen davon aus, dass auch alle anderen unehrliche Trickser sind, und leben entsprechend misstrauisch. Geldgierige Leute wiederum vermuten auch in ihrem Freundeskreis vor allem geldgierige Leute und haben deshalb schon gar keine Hemmungen, diesen ein paar Pennies oder Dollars abzuknöpfen.

Diesem psychologischen Mechanismus unterliegen naturgemäss auch die Journalisten und Journalistinnen. Wer selber gerne zu den Waffen greift, erkennt in anderen vor allem die Aggressivität. Wer selber eher der Mediator ist, erkennt in politischen Entscheidungen noch am ehesten Ansätze zur Vermeidung von Konflikten oder gar zur Förderung des Friedens.

Dieses Phänomen konnte man auch anlässlich Putins Ankündigung der künftigen Führungsstruktur Russlands wieder einmal deutlich beobachten. Viele – um nicht zu sagen: die meisten – Zeitungen grosser Medienhäuser wollten in den neuen Regeln nach Putins Plan nur eines erkennen: die Erhaltung seiner Macht. Klar, denn auch sie, diese Zeitungen, kämpfen verbittert um die Erhaltung ihrer Macht – der Markt-Macht nämlich, die ihnen Google, Facebook und andere US-Giganten als «Feinde» mehr und mehr abnehmen.

In der Schweiz am deutlichsten zeigten das die Tageszeitungen der CH Media Gruppe: «Putin will noch mehr Macht» stand da schlicht und einfach als Headline auf der Frontseite. Und dazu der Kommentar einer Frau: «Heuchlerischer Neustart». Inna Hartwich hat zwar, wie sie im NZZ-Feuilleton einmal ausführlich beichtete, selber das Problem zweier «Heimaten» – Russland und Deutschland. Aber in der Beurteilung Putins hat sie kein Dilemma. Sie schreibt, was die westlichen Zeitungen von ihr erwarten, und das ist immer das Gleiche: Westen gut, Putin böse.

Selbst die NZZ war ein klein bisschen vorsichtiger. «Putin lanciert ein grosses Experiment mit der Macht» stand da als Headline. Wenige Zeilen darunter allerdings auch hier der Satz: «Die radikale Verfassungsreform, die Präsident Putin vorschlägt, dient nicht der Liberalisierung des politischen Lebens. Sie ist vielmehr ein Kniff, mit dem die Kremlführung die Macht in ein neues Gewand hüllen will, ohne sie abgeben zu müssen.»

Das «Echo der Zeit» von Radio SRF war da schon etwas differenzierter. Die Frage der Interpretation der von Putin vorgeschlagenen Reformen ging an Ulrich Schmid, den für die Beobachtung Russlands an der Wirtschaftsuniversität St. Gallen zuständigen Professor. Und dieser machte, ohne dies wohl so verstanden haben zu wollen, Putin sogar ein Kompliment. Er erwähnte, dass Putin ein Bewunderer von Zar Alexander III. sei – und wer die Biographie von Alexander III. ein bisschen kennt, ist darüber nicht einmal erstaunt. Dieser Zar nämlich – als Kaiser im Amt von 1881 bis zu seinem Tod 1894 – verstand sich selbst tatsächlich als Diener seines Volkes, brachte Russland wirtschaftlich spürbar voran – er initiierte zum Beispiel die transsibirische Eisenbahn – und war ein grosser Förderer der Kultur. Alexander III. wusste, dass es seine Aufgabe war, Russland zu fördern, aber auch zu sichern – speziell auch gegenüber den westeuropäischen Ländern, die schon damals keine Freunde Russlands waren. Von daher stammt auch sein Spruch, wonach Russland nur «zwei Freunde» habe, «die Armee und die Marine». Probleme aber müssten diplomatisch gelöst werden, nicht mit Waffen, war stets seine Devise. Selber hat er denn auch keine Kriege angefangen, war aber immer bereit, Russland gegen Angriffe von aussen mit einer starken Armee zu verteidigen. Alexander III. wird noch heute in Russland verehrt, nicht nur von Putin.

Ulrich Schmid, selber Autor mehrerer Bücher (ein Beispiel hier), erkennt in Putins Reformplan allerdings noch etwas anderes: den Wunsch, in den russischen Geschichtsbüchern der Zukunft einen guten Platz zu erhalten – als der, der Russland nach dem Kollaps der Sowjetunion und den Chaos-Jahren unter Jelzin wieder stabilisiert und zu imperialer Grösse gebracht hat. Kann es sein, dass auch der prominente St. Galler Professor gerne als weiser Kopf in den Bibliotheken weiterleben würde?

Um in der Schweiz zu bleiben: Den Vogel abgeschossen hat – einmal mehr – Pascal Hollenstein, seines Zeichens «Leiter Publizistik» der CH Media Gruppe, also noch oben am Chefredaktor. Auch für ihn ist klar, dass es Putin nur um den Machterhalt geht. Aber er erkannte in Putins Vorschlag immerhin den Schritt zu mehr Demokratie. Seine wunderbare Schlussfolgerung: «Ironischerweise» seien Putins Vorschläge dazu geeignet, in Russland mehr Demokratie entstehen zu lassen. «Könnte ausgerechnet ein Autokrat wie er, gewissermassen versehentlich, verfassungsmässige Institutionen schaffen, die einen Übergang in eine demokratische Zukunft ermöglichen? Die Geschichte Russlands ist voller Ironie. Weshalb nicht auch jetzt?», so Hollenstein wörtlich. Denn dass Putin das tatsächlich so gemeint haben könnte, ist für ihn, aus der Macht-Position eines Über-Chefredaktors heraus, eben undenkbar.

Beachtenswerter sind die Kommentare der freien Journalistinnen und Journalisten

In kaum einer deutschsprachigen Zeitung fehlte das Wort «Macht» in der Headline, wenn es um die von Putin angesagten Reformen ging. Anders bei Kommentatorinnen und Kommentatoren, die nicht auf der Gehaltsliste eines mächtigen Medienunternehmens stehen. Nicht zum ersten Mal gehört Kai Ehlers, ein langjähriger deutscher Russland-Kenner und -Beobachter, zu jenen Kommentatoren, die die angekündigten Reformen ohne negative Vorurteile und ohne Macht-Projektion angingen:

«Kurze Notiz zu Putins strategischer Vorsorge»

«Nachdem Wladimir Putin inzwischen als globaler Krisenmanager im internationalen Establishment angekommen ist, scheint er die Zeit für reif zu halten, für seinen Abgang 2024 vorzusorgen. Langfristige Vorsorge ist für den weiteren Bestand Russlands in der Tat extrem wichtig. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass das ‹System Putin› ein äußerst labiles war – und ist. Putin muss seinen bevorstehenden Abgang, nach gut zwanzig Jahren an der Spitze des russischen Staates, klug und vorausschauend einleiten, wenn er das Erreichte nicht gefährden will.

Das Erreichte, das ist die Stabilisierung der nach dem Ende der Sowjetunion gänzlich zerrütteten Staatlichkeit Russlands. Möglich wurde die Stabilisierung auf Basis des von Putin geschaffenen Konsenses von Kräften, die bei seinem Antritt als Präsident im Jahr 2000 noch extrem auseinander trieben. Bestandteile des Konsenses waren im Wesentlichen:

  • die nach den wilden Jahren der Privatisierung wieder an die soziale Verantwortlichkeit herangeführten Oligarchen,
  • die Stütze der Regierung durch die ‹Silowiki›, die Angehörigen der Geheimdienste und des Militärs,
  • die Unterordnung der Regionalfürsten unter das Zentrum.

    Putin schaffte es, das Land in dieser Konstellation ruhig zu halten, solange die Erinnerung an die chaotischen Jahre des Zusammenbruchs die Bevölkerung noch gefangen hielt. Inzwischen sind die Jahre des Wiederaufbaus vorbei, sind junge Kräfte nachgewachsen, die auf Ablösung der autoritären Strukturen und auf Teilhabe an der Macht sowie an den Reichtümern des Landes drängen.
    Vor diesem Hintergrund erscheint die von Putin angekündigte Verfassungsreform, die dem Parlament und dem Föderationsrat mehr Einfluss einräumen soll, zusammen mit dem Auswechseln der Regierung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Präsidialstruktur und der Aufwertung des bisher kaum in Erscheinung getretenen und über allen anderen Strukturen schwebenden Staatsrates, als der Versuch, den Konsens der zurückliegenden Jahre über die Klippe der kommenden Wachablösung hinaus zu steuern.

    Die Annahme, der Rücktritt der Regierung, insbesondere des Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew, geschähe vor allem zur Ablenkung von aktuellen sozialen und wirtschaftlichen Problemen, scheint naheliegend, greift aber in dieser Gewichtung mit Sicherheit zu kurz. Im Vordergrund der Vorschläge Putins steht zweifellos die Vorsorge für die Aufrechterhaltung der langfristigen Stabilität des Landes. Da ist Medwedews Abgang gewissermaßen ein Kollateralschaden, zumal er in den Nationalen Sicherheitsrat an der Seite Putins hochgelobt wird.
    Vermieden werden müssen aus Putins Sicht zwei mögliche Extreme. Das eine Extrem bestünde in der Ablösung Putins durch einen Nachfolger aus den Reihen der ‹Silowiki›, der sich außenpolitisch aus der Rolle Russlands als Krisenmanager zurückzöge und innenpolitisch den labilen Konsens, insbesondere mit der nach sozialen Reformen und wirtschaftlicher Verbesserung verlangenden Bevölkerung, aufkündigte. Das andere wäre eine Schwächung des Zentrums mit daraus folgenden zentrifugalen ‹Diadochenkämpfen›. Die könnten nicht nur den Zusammenhalt im Lande schwächen, in sie könnte auch von außen interveniert werden.

    Beide Varianten würden Russland in seiner immer noch schwierigen ökonomischen Situation, seiner grundsätzlichen Angreifbarkeit als Vielvölkerorganismus und seiner Eingespanntheit in die großen globalen Wandlungsprozesse der Gegenwart in die Gefahr eines Rückfalls auf den Stand vor dem Jahr 2000, also vor Antritt Putins als Stabilisators und globalen Krisenmanagers bringen. Klar gesprochen, es würde Russland in die Gefahr bringen, doch noch zur Kolonie zu werden – inzwischen nicht mehr allein des ‹Westens›, sondern dann möglicherweise auch des erstarkenden China.
    Alle Spekulationen, Putin wolle vor allem seine eigene Macht über 2024 hinaus festigen, gehen an den Besonderheiten des nachsowjetisch-russischen Vielvölkerorganismus, der vom Konsens lebt, vorbei.

    Putins Vorschläge mögen vorübergehend auch seine Position stärken, zugleich stellen sie aber Weichen für die Einbeziehung neuer Kräfte in den bisherigen Konsens. Die Vorschläge haben eindeutig das Ziel, den Zusammenhalt dieses russländischen Organismus auch nach Putins Abgang zu wahren. Putin will keinen Zerfall der mühsam errungenen Stabilität hinterlassen. Ob das gelingt, wird die Zeit zeigen.

    Richtig ist sicher auch, dass Putin nach seinem Abgang als ‹guter Zar› in der Erinnerung seiner Landsleute weiterleben möchte. Aber wer wollte ihm das verdenken.»

    So weit der Kommentar von Kai Ehlers.

    … und eine kluge Stimme aus den USA

    Eine interessante und vor allem auch sehr informative Stimme kommt aus den USA. Natylie Baldwin schrieb auf Natylie’s Place (deutsche Übersetzung anschliessend an das englische Original, siehe unten):

    Putin proposes changes to constitution

    «There’s been a major shakeup this week in domestic Russian politics. It kicked off with Putin’s annual address to the Federal Assembly earlier this week, which usually happens in the spring, not in January. Among other topics, Putin announced changes he wanted made to the Russian constitution, which he had telegraphed during his December Q&A. This was followed by prime minister Dmitry Medvedev’s resignation (along with his cabinet) and the appointment of Mikhail Mishustin as his replacement.
    However, before we delve into the details of this turn of events, it’s important to review what Putin’s priorities have been for Russia since he came to power, which will help to place these latest events into a larger context.

    As I’ve discussed many times before, Russia was on the verge of being a failed state in 2000 when Putin took the helm. There were crises in every major area of state governance: the military was in shambles, the economy had collapsed, crime was rampant, massive poverty pervaded the country, and Russians were experiencing the worst mortality crisis since World War II.

    Having studied Putin’s governance and how Russia has fared over the two decades in which he has ruled, it’s clear that he’s had three main priorities for Russia in the following order:

    1. Ensuring Russia’s national security and sovereignty as an independent nation. In previous writings, I’ve explained the importance of national security to Russians as a result of their history and geography;
    2. Improving the economy and living standards for Russians; and,
    3. The gradual democratization of the country.

    These three priorities are reflected in this week’s Address to the Federal Assembly, the equivalent of the U.S. president’s annual state of the union. Putin reiterated to his audience that the first priority of national security and state sovereignty had been secured:
    ‹For the first time ever – I want to emphasise this – for the first time in the history of nuclear missile weapons, including the Soviet period and modern times, we are not catching up with anyone, but, on the contrary, other leading states have yet to create the weapons that Russia already possesses.
    The country’s defence capability is ensured for decades to come, but we cannot rest on our laurels and do nothing. We must keep moving forward, carefully observing and analysing the developments in this area across the world, and create next-generation combat systems and complexes. This is what we are doing today.›

    Putin goes on to emphasize that success on this first priority enables Russia to focus even more seriously on the second priority:

    ‹Reliable security creates the basis for Russia’s progressive and peaceful development and allows us to do much more to overcome the most pressing internal challenges, to focus on the economic and social growth of all our regions in the interest of the people, because Russia’s greatness is inseparable from dignified life of its every citizen. I see this harmony of a strong power and well-being of the people as a foundation of our future.›

    In light of the abysmal living conditions that Putin inherited in 2000, he did a remarkable job over the next decade of cutting poverty, improving infrastructure, restoring regular pension payments as well as increasing the amount, raising wages, etc. Russians, whether they agree with everything Putin does or not, no matter how frustrated they may get with him regarding particular issues, are generally grateful to him for this turnaround in their country. This progress on his second priority has underpinned his approval ratings, which have never dipped below the 60’s.
    But his comments during his address reflected mixed success currently as economic conditions for Russians have stagnated over the past few years. One contributing factor has been the sanctions imposed by the west in response to Russia’s reunification with Crimea as a result of the 2014 coup in Ukraine. Putin has done a respectable job of cushioning the Russian economy from the worst effects of the sanctions and even using them to advantage with respect to import substitution in the agricultural and industrial sectors. However, polls of the population have consistently shown over the past 2-3 years that Russians are losing patience with the lack of improvement in living standards.

    Another problem that is limiting economic progress is the pattern of local bureaucrats not implementing Putin’s edicts. For example, in his 2018 and 2019 addresses, Putin laid out an expensive plan for economic improvement based on infrastructure projects throughout the country as well as improving health and education. Budget allocations were made for these projects and the funds released, but many have only been partially realized. Confirming what has been reported in some quarters, Putin complained about the deficiencies in the roll-out of these policies during his address.

    I believe this is connected to the subsequent resignation of Prime Minister Dmitry Medvedev who will now step into the newly created role of Deputy Chairman of the Security Council, while his cabinet remains in a caretaker capacity until a new government is formed. Medvedev has not been particularly effective as prime minister and has been very unpopular over the past several years as suspicions of corruption have swirled around him. He is also problematic ideologically as he has always embraced neoliberal economic policy which has no traction with most of the Russian people due to the experience of the 1990’s when neoliberal capitalists ran amok. He also lacks the charisma and creative problem-solving skills of Putin.

    But in all fairness, no prime minister will have an easy job in Russia if significant changes are needed or a transition is still in progress. Throughout Russia’s history, whenever leaders wanted to reform the system, they’ve always encountered the problem of implementation in terms of the bureaucracy. Whether out of malevolence, fear of losing perceived benefits, inertia, or incompetence, bureaucrats lower down the chain don’t always put the reforms effectively or consistently in place. Putin has complained at various times of local bureaucrats’ intransigence and its negative effects on average citizens whom they are supposed to be serving.

    Not much is known about Medvedev’s immediate replacement, Mikhail Mishustin, except that he is a former businessman and has served as head of Russia’s Tax Service since 2010. In his capacity leading the tax agency, he is held in positive regard, credited with modernizing and streamlining the historically onerous tax collection system.

    The third priority of Putin has been gradual democratization of the country. Putin is often characterized in the west as an autocrat and a dictator. However, as I’ve written before, there are many democratic reforms that have been implemented under Putin’s rule that are often ignored by western media and analysts. It is not that democracy has not been a priority for Putin, it’s that it was to be subordinated to the other two priorities. Putin, as well as many other Russians, have been nervous about possible instability. With their history of constant upheaval over the past 120 years – two revolutions, two world wars, numerous famines, the Great Terror, and a national collapse – this is understandable.

    Putin inherited a system of governance that featured a strong president and a weak parliamentary system as reflected in the 1993 constitution ushered in by Yeltsin – the origins of which are explained here. Putin has used this system effectively throughout his 20 years in power – 16 of them as president – to try to solve the various crises mentioned earlier. Such strong, centralized power is necessary when a state is dealing with multiple existential emergencies.

    At this point, I think Putin realizes that Russia, though it still has significant problems to be addressed, is no longer in a state of emergency. Therefore, it is no longer necessary to keep quite the same level of power concentrated in the office of the presidency, which is open to abuse by future occupants. Here is what Putin said about this:
    ‹Russian society is becoming more mature, responsible and demanding. Despite the differences in the ways to address their tasks, the main political forces speak from the position of patriotism and reflect the interests of their followers and voters.›

    The constitutional reforms Putin goes on to discuss include giving the parliament the right to appoint the prime minister and his/her cabinet, no foreign citizenship or residency of major office holders at the federal level (president, prime minister, cabinet members, parliamentarians, national security agents, judges, etc.), expanding the authority of local governmental bodies, and strengthening the Constitutional Court and the independence of judges. He also mentioned codifying certain aspects of socioeconomic justice into the constitution:

    ‹And lastly, the state must honour its social responsibility under any conditions throughout the country. Therefore, I believe that the Constitution should include a provision that the minimum wage in Russia must not be below the subsistence minimum of the economically active people. We have a law on this, but we should formalise this requirement in the Constitution along with the principles of decent pensions, which implies a regular adjustment of pensions according to inflation.›

    In other words, Putin realizes that the system as it is currently constructed has outlived its usefulness and some modest changes are needed to keep the country moving forward. Despite the constant nonsense that passes for news and analysis of Russia in the west, civil society is alive and well in Russia. Putin is aware of the citizen-led initiatives that have been occurring throughout the country to improve local communities and it appears that he is ready to allow more space for this new participation of average Russians to solve problems for which the official bureaucracy seems to be stuck:

    ‹Our society is clearly calling for change. People want development, and they strive to move forward in their careers and knowledge, in achieving prosperity, and they are ready to assume responsibility for specific work. Quite often, they have better knowledge of what, how and when should be changed where they live and work, that is, in cities, districts, villages and all across the nation.
    The pace of change must be expedited every year and produce tangible results in attaining worthy living standards that would be clearly perceived by the people. And, I repeat, they must be actively involved in this process.›

    How these changes will actually be instituted and what the results will be is, of course, unknown at this time. Putin suggested that the eventual package of constitutional amendments will be voted on by the Russian people. It also appears that Putin will indeed step down at the end of his presidential term in 2024, but it is still very likely that he will remain in an active advisory role.

    Unlike the knee-jerk malign motives that are automatically attributed to anything Putin does by the western political class, I see this as a calculated risk that Putin is ready to take to make further progress on his second and third priorities for Russia.»

    . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Und hier die deutsche Übersetzung, die naturgemäss schnell und in groben Zügen erfolgte:

    Putin schlägt Verfassungsänderungen vor

    «In dieser Woche gab es in der russischen Innenpolitik eine grosse Erschütterung. Den Auftakt bildete Putins jährliche Rede vor der Bundesversammlung Anfang dieser Woche, die normalerweise im Frühjahr und nicht im Januar gehalten wird. Unter anderem kündigte Putin Änderungen an der russischen Verfassung an, die er während seiner Fragestunde im Dezember per Telegramm mitgeteilt hatte. Darauf folgte der Rücktritt von Premierminister Dmitri Medwedew (zusammen mit seinem Kabinett) und die Ernennung von Michail Mischustin zu seinem Nachfolger.
    Bevor wir uns jedoch mit den Einzelheiten dieser Wende befassen, ist es wichtig, die Prioritäten Putins für Russland seit seiner Machtübernahme genauer anzuschauen, was dazu beitragen wird, diese jüngsten Ereignisse in einen grösseren Zusammenhang zu stellen.

    Wie ich bereits mehrfach erwähnt habe, stand Russland im Jahr 2000, als Putin das Ruder übernahm, kurz vor dem Scheitern. Es gab Krisen in allen wichtigen Bereichen der Staatsführung: Das Militär lag in Trümmern, die Wirtschaft war zusammengebrochen, die Kriminalität grassierte, massive Armut herrschte im Land, und die Russen erlebten die schlimmste Sterblichkeitskrise seit dem Zweiten Weltkrieg.

    Nachdem ich Putins Regierungsführung und die Entwicklung Russlands in den zwei Jahrzehnten, in denen er regiert hat, genauer angeschaut habe, ist es für mich klar, dass er für Russland drei Hauptprioritäten in der folgenden Reihenfolge hatte:

    1. Gewährleistung der nationalen Sicherheit und Souveränität Russlands als unabhängige Nation. In früheren Schriften habe ich die Bedeutung der nationalen Sicherheit für die Russen aufgrund ihrer Geschichte und Geographie erläutert.
    2. Die Verbesserung der Wirtschaft und des Lebensstandards der Russen.
    3. Die allmähliche Demokratisierung des Landes.

    Diese drei Prioritäten spiegeln sich in der Rede dieser Woche vor der Bundesversammlung, die der jährlichen Bilanz des US-Präsidenten entspricht, wider. Putin bekräftigte vor seinen Zuhörern, dass die erste Priorität der nationalen Sicherheit und der staatlichen Souveränität gehört:

    «Zum ersten Mal überhaupt – das möchte ich betonen – zum ersten Mal in der Geschichte der Atomwaffen, einschliesslich der Sowjetzeit und der Neuzeit, holen wir niemanden ein, sondern im Gegenteil, andere führende Staaten müssen erst noch die Waffen schaffen, die Russland bereits besitzt. Die Verteidigungsfähigkeit des Landes ist für die nächsten Jahrzehnte gesichert, aber wir können uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen und nichts tun. Wir müssen weiter voranschreiten, die Entwicklungen in diesem Bereich in der ganzen Welt sorgfältig beobachten und analysieren und Kampfsysteme und -komplexe der nächsten Generation entwickeln. Genau das tun wir heute.»

    Putin betont weiter, dass ein Erfolg bei dieser ersten Priorität Russland in die Lage versetzt, sich noch ernsthafter auf die zweite Priorität zu konzentrieren:

    «Zuverlässige Sicherheit schafft die Grundlage für Russlands fortschrittliche und friedliche Entwicklung und ermöglicht es uns, viel mehr für die Bewältigung der drängendsten internen Herausforderungen zu tun, uns im Interesse der Menschen auf das wirtschaftliche und soziale Wachstum aller unserer Regionen zu konzentrieren, denn Russlands Grösse ist untrennbar mit einem menschenwürdigen Leben jedes einzelnen Bürgers verbunden. Ich sehe diese Harmonie einer starken Macht und des Wohlergehens des Volkes als Grundlage unserer Zukunft an.»

    Angesichts der katastrophalen Lebensbedingungen, die Putin im Jahr 2000 geerbt hat, leistete er in den anschliessenden zehn Jahren eine bemerkenswerte Arbeit, indem er die Armut verringerte, die Infrastruktur verbesserte, die regelmässigen Rentenzahlungen wiederherstellte und die Renten erhöhte, die Löhne erhöhte usw. Die Russen, ob sie mit allem, was Putin tut, einverstanden sind oder nicht, sind ihm, egal wie frustriert sie in bestimmten Fragen seinetwegen sein mögen, im Allgemeinen dankbar für diese Wende in ihrem Land. Diese Fortschritte bei seiner zweiten Priorität haben seine Zustimmungswerte gestärkt, die nie unter die 60-Prozent-Marke gefallen sind.

    Seine Bemerkungen während seiner Rede spiegeln jedoch einen gemischten Erfolg wider, da die wirtschaftlichen Bedingungen für die Russen in den letzten Jahren stagniert haben. Dazu haben allerdings auch die Sanktionen beigetragen, die der Westen als Reaktion auf die Wiedervereinigung Russlands mit der Krim als Folge des Putsches in der Ukraine im Jahr 2014 verhängt hat. Putin hat eine respektable Arbeit geleistet, um die russische Wirtschaft vor den schlimmsten Auswirkungen der Sanktionen zu schützen und diese sogar zur Reduktion des Imports im landwirtschaftlichen und industriellen Sektor zu nutzen. Umfragen in der Bevölkerung haben jedoch in den letzten zwei bis drei Jahren immer wieder gezeigt, dass die Russen die Geduld mit der mangelnden Verbesserung des Lebensstandards langsam verlieren.

    Ein weiteres Problem, das den wirtschaftlichen Fortschritt einschränkt, ist das Muster der lokalen Bürokraten, die Putins Erlasse nicht umsetzen. In seinen Ansprachen 2018 und 2019 legte Putin beispielsweise einen kostspieligen Plan zur wirtschaftlichen Verbesserung vor, der auf Infrastrukturprojekten im ganzen Land sowie auf der Verbesserung von Gesundheit und Bildung basiert. Für diese Projekte wurden Haushaltszuweisungen vorgenommen und die Mittel freigegeben, aber viele wurden nur teilweise realisiert. Putin bestätigte, was in einigen Kreisen dazu kritisiert wurde, und beklagte sich in seiner Rede über die Mängel bei der Umsetzung dieser Politik.

    Ich glaube, dass dies mit dem darauf folgenden Rücktritt von Ministerpräsident Dmitri Medwedew zusammenhängt, der nun in die neu geschaffene Rolle des stellvertretenden Vorsitzenden des Sicherheitsrates eintritt, während sein Kabinett bis zur Bildung einer neuen Regierung in einer Verwalterfunktion verbleibt. Medwedew war als Premierminister nicht besonders effektiv und in den letzten Jahren sehr unbeliebt, da der Verdacht auf Korruption um ihn herum erhoben wurde. Er ist auch ideologisch problematisch, da er stets eine neoliberale Wirtschaftspolitik verfolgte, die bei den meisten Russen aufgrund der Erfahrungen der 1990er Jahre, als neoliberale Kapitalisten Amok liefen, keine Anziehungskraft hat. Ihm fehlt auch das Charisma und die kreative Problemlösungskompetenz Putins.

    Aber in aller Fairness: Kein Premierminister wird in Russland eine leichte Aufgabe haben, wenn bedeutende Veränderungen erforderlich sind oder ein Übergang noch im Gange ist. In der gesamten Geschichte Russlands sind die Staats- und Regierungschefs immer dann, wenn sie das System reformieren wollten, auf das Problem der Umsetzung in der Form der Bürokratie gestossen. Ob aus Böswilligkeit, aus Angst vor dem Verlust wahrgenommener Vorteile, aus Trägheit oder aus Inkompetenz, die Bürokraten am unteren Ende der Kette setzen die Reformen nicht immer effektiv oder konsequent um. Putin hat sich zu verschiedenen Zeiten über die Unnachgiebigkeit der lokalen Bürokraten und ihre negativen Auswirkungen auf den Durchschnittsbürger, dem sie angeblich dienen, beklagt.

    Über Medwedews unmittelbaren Nachfolger Michail Mischustin ist nicht viel bekannt, ausser dass er ein ehemaliger Geschäftsmann ist und seit 2010 als Leiter der russischen Steuerverwaltung fungiert. In dieser Eigenschaft wird er positiv bewertet, da ihm die Modernisierung und Straffung des historisch belasteten Steuererhebungssystems zugeschrieben wird.

    Die dritte Priorität Putins ist die allmähliche Demokratisierung des Landes. Putin wird im Westen oft als Autokrat und Diktator charakterisiert. Wie ich jedoch bereits früher geschrieben habe, gibt es viele demokratische Reformen, die unter Putins Herrschaft durchgeführt wurden, die aber von den westlichen Medien und Analysten meist ignoriert wurden. Es ist nicht so, dass die Demokratie für Putin keine Priorität gehabt hätte, sondern dass sie den beiden ersten Prioritäten eben untergeordnet wurde. Putin, wie auch viele andere Russen, waren ob der möglichen Instabilität oft nervös. Bei ihrer Geschichte der ständigen Umwälzungen in den letzten 120 Jahren – zwei Revolutionen, zwei Weltkriege, zahlreiche Hungersnöte, der Grosse Terror und ein nationaler Zusammenbruch – ist dies leicht nachvollziehbar.

    Putin erbte ein Regierungssystem mit einem starken Präsidenten und einem schwachen parlamentarischen System, wie es sich in der von Jelzin eingeführten Verfassung von 1993 widerspiegelt, deren Ursprünge auch hier erläutert wurden. Putin hat dieses System während seiner 20 Jahre an der Macht – davon 16 Jahre als Präsident – effektiv genutzt, um zu versuchen, die verschiedenen oben erwähnten Krisen zu bewältigen. Eine derart starke, zentralistische Macht ist notwendig, wenn ein Staat mit mehreren existenziellen Notlagen konfrontiert ist.

    In diesem Punkt, so meine Meinung, ist für Putin klar, dass Russland nicht mehr im Ausnahmezustand ist, auch wenn es noch erhebliche Probleme zu lösen gilt. Daher ist es auch nicht mehr notwendig, die Macht in gleichem Masse im Amt des Präsidenten zu konzentrieren, was auch für Missbräuche durch künftige Amtsinhaber offen wäre. Hier ist, was Putin dazu gesagt hat:

    «Die russische Gesellschaft wird reifer, verantwortungsbewusster und anspruchsvoller. Trotz der Unterschiede in der Art und Weise, wie sie ihre Aufgaben angehen, sprechen die wichtigsten politischen Kräfte aus der Position des Patriotismus und spiegeln die Interessen ihrer Anhänger und Wähler wider.»

    Die Verfassungsreformen, die Putin weiter vorschlägt, umfassen u.a. das Recht des Parlaments, den Premierminister und sein Kabinett zu ernennen, das Verbot ausländischer Staatsangehörigkeit und ausländischen Wohnsitzes wichtiger Amtsträger auf Bundesebene (Präsident, Premierminister, Kabinettsmitglieder, Parlamentarier, nationale Sicherheitsbeamte, Richter usw.), die Ausweitung der Befugnisse der lokalen Regierungsbehörden sowie die Stärkung des Verfassungsgerichts und die Unabhängigkeit der Richter. Er erwähnte auch die Kodifizierung bestimmter Aspekte der sozioökonomischen Gerechtigkeit in der Verfassung:

    «Und schliesslich muss der Staat seine soziale Verantwortung unter allen Umständen im ganzen Land wahrnehmen. Deshalb bin ich der Meinung, dass die Verfassung eine Bestimmung enthalten sollte, dass der Mindestlohn in Russland nicht unter dem Existenzminimum der wirtschaftlich aktiven Menschen liegen darf. Wir haben ein Gesetz dazu, aber wir sollten diese Forderung zusammen mit den Grundsätzen einer angemessenen Rente in der Verfassung formalisieren, was eine regelmässige Anpassung der Renten an die Inflation erfordert.»

    Mit anderen Worten, Putin ist sich bewusst, dass das System, wie es derzeit aufgebaut ist, seinen Nutzen überlebt hat und dass einige bescheidene Änderungen erforderlich sind, um das Land weiter voranzubringen. Trotz des ständigen Unsinns, der im Westen als Nachrichten und Analysen über Russland verbreitet wird, ist die Zivilgesellschaft in Russland lebendig und gut. Putin ist sich der bürgerlichen Initiativen bewusst, die im ganzen Land zur Verbesserung der lokalen Gemeinschaften ergriffen wurden, und es scheint, dass er bereit ist, dieser neuen Beteiligung von Durchschnittsrussen mehr Raum zu geben, um Probleme zu lösen, die zu lösen die offizielle Bürokratie offensichtlich nicht angeht:

    «Unsere Gesellschaft fordert eindeutig Veränderungen. Die Menschen wollen Entwicklung, und sie streben danach, in ihrer Karriere und ihrem Wissen, bei der Erzielung von Wohlstand voranzukommen, und sie sind bereit, Verantwortung für bestimmte Arbeiten zu übernehmen. Oft haben sie bessere Kenntnisse darüber, was, wie und wann dort, wo sie leben und arbeiten, also in Städten, Bezirken, Dörfern und im ganzen Land, verändert werden sollte. Das Tempo der Veränderungen muss jedes Jahr beschleunigt werden und zu greifbaren Ergebnissen bei der Erreichung eines würdigen Lebensstandards führen, der von den Menschen klar wahrgenommen wird. Und, ich wiederhole, sie müssen aktiv in diesen Prozess einbezogen werden.»

    Wie diese Veränderungen tatsächlich in Gang gesetzt werden und welche Ergebnisse sie bringen werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt natürlich noch offen. Putin schlug vor, dass das russische Volk über das mögliche Paket von Verfassungsänderungen abstimmen wird. Es scheint auch, dass Putin am Ende seiner Amtszeit als Präsident im Jahr 2024 tatsächlich zurücktreten wird, aber es ist auch sehr wahrscheinlich, dass er weiterhin eine aktive, beratende Rolle spielen wird.

    Die westliche politische Klasse interpretiert reflexartig alles, was Putin tut, als auf böswilligen Motiven beruhend. Im Gegensatz dazu sehe ich darin ein kalkuliertes Risiko, das Putin einzugehen bereit ist, um weitere Fortschritte bei seiner zweiten und dritten Priorität für Russland zu erzielen.»

    Ergänzende Informationen

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    Der Umgang mit Putins Russland

    Russland zwischen Europa, USA und China. Berechtigte Kritik und viele Vorurteile.

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    • am 25.01.2020 um 13:01 Uhr
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      Ausgezeichneter Artikel. Es ist wirklich bedenklich, dass fast alle westliche Medien, auch die schweizerischen, nur Putin-"Bashing» betreiben und eine falsche Darstellung der Geschehnisse in Russland verbreiten. Paradoxerweise ist heute die Berichterstattung aus russischen Quellen oft akkurater als aus westlichen Medien, z.B. über den Mittleren Osten. Paradox deshalb, weil zur Zeit der Sowjetunion die sowjetischen Medien ungeniessbar waren.

    • Portrait_Pirmin_Meier
      am 25.01.2020 um 13:32 Uhr
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      Für diesen Kommentar mit echt analytischem Charakter bin ich Infosperber und ganz besonders Christian Müller dankbar. Habe selber höchst glaubwürdige, übrigens nicht puthinhörige Informanten aus höchstem Niveau von russischen Gelehrten, deren Informationsgrad keineswegs mit der von CM charakterisierten Russland-Korrespondentin zu vergleichen wäre.

    • am 25.01.2020 um 14:10 Uhr
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      Bin voll einverstanden mit dem Artikel.

    • am 25.01.2020 um 14:50 Uhr
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      Einmal mehr lese ich bei IS mehr Lesenswertes als in 20 Artikeln und Sendungen von SRF, CNN und Konsorten. Ich habe x mal gelesen, dass Putin einen Staatsrat einführen wolle, jedesmal mit Betonung dass es diesen auch im Tsarenreich gab, aber nie hätte einer erklärt, was dieser Rat tut und wo damit das Problem ist.
      Bei den Unterstellungen stimme ich auch völlig zu. Ich sehe das gleiche Problem bei den Texten zu China, wo Leute aus einem System, wo Politiker per Definition pausenlos um Machterhalt kämpfen und kaum mehr Zeit für Politik haben, beurteilen versuchen, was die Ziele einer Regierung sind (Xi Jinping), für die die Machtfrage im Alltag gar kein Thema ist, mit einer Bevölkerung die im Gegensatz zu Europa zu mindestens 80% findet die Regierung mache einen guten Job. In der Situation ist Führung einfach ganz etwas anderes als bei uns, und wer den Kontext nicht begreift wird auch nie richtig interpretieren und voraussehen was diese Regierungen tun.

    • am 25.01.2020 um 21:28 Uhr
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      Putins aufgabe war und ist sicher nicht leicht. Und russland, so wie es heute ist, braucht(e) möglicherweise einen solchen präsidenten. Ob es ihm tatsächlich nicht einfach um den machterhalt geht, werden wir sehen. Es ist ja wohl nicht so, dass alle anderen kommentatoren dummköpfe sind, und nur herr müller die wahrheit kennt.

    • am 26.01.2020 um 08:27 Uhr
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      Ich lese die Artikel von infosperber gerne, auch wenn ich nicht immer mit der Sichtweise einverstanden bin. Aber ich halte es für wichtig, auch Informationen abseits der bekannten Massenmedien zu verfolgen. Dieser Pauschal-Verurteilung der Russland-Korrespondenten, die Putin angeblich böse gesinnt sind, möchte ich aber einfache Fakten entgegenhalten: Bevor Putins Verfassungsänderungen und die diesbezüglichen Kommentare beurteilt werden, sollte man sich die Mühe machen und sie im Original auf der Internetseite des Kremls lesen: dort steht schwarz auf weiss, was Putin tatsächlich vorhat: nämlich vor allem das Präsidenten-Amt weiter zu stärken und nicht das Parlament oder die Regierung. Unter anderem darf der Präsident neu Verfassungs- und Höchstrichter abberufen (lassen), was die Abhängigkeit der Justiz in der Verfassung festschreibt. Er darf neu auch das Parlament überstimmen, wenn ihm ein dort beschlossenes Gesetz nicht gefällt. Man kann das gut oder schlecht finden, aber eine Aufwertung des Parlaments ist das nicht. Was auch unter russischen Juristen unumstritten ist. Zudem ist es auch der Präsident, der den potenziell mächtigen Staatsrat, der noch nicht näher definiert wird, gestalten darf. Man sollte sich in journalistischen Kommentaren nicht auf die Worte von Politikern beziehen (ob Putin oder andere), sondern auf das, was sie konkret tun. Die vom Kreml veröffentlichten Verfassungsänderungen haben jedenfalls mit der von Putin versprochenen Demokratisierung nichts zu tun.

    • Christian Müller farbig x
      am 26.01.2020 um 11:13 Uhr
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      @Carola Schneider: Guter Einwand. «An ihren Taten sollt Ihr sie erkennen.» So steht es schon im Neuen Testament. Bin auch ganz dieser Meinung. Aber: Wären die Reformen tatsächlich eine Stärkung des Präsidenten, dann würde Putin, der 2024 als Präsident abtreten wird, ja gegen sich selber operieren. Im Übrigen: Selbst in der Schweiz, dem demokratischsten Land der Welt, wo die Stimmberechtigten sogar darüber abstimmen dürfen, ob die Kühe Hörner haben sollen oder nicht, können die obersten Richter abgewählt werden. – Es geht ja nicht darum, Putin als halben Heiligen darzustellen, aber die reflexartig ablehnende Haltung der meisten westlichen Politiker und fast aller grossen Medien auf was immer Putin sagt oder tut, wie auch Natylie Baldwin es beobachtet und in ihrem Kommentar erwähnt, bedarf doch einer genaueren Analyse. Mit kollegialem Gruss, Christian Müller.

    • am 27.01.2020 um 15:16 Uhr
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      Es waren in den 90′ gerade die neoliberalen Kriminellen welche die Position des Präsidenten über die ganze Zeit zu der machtvollen Position aus- und umgebaut haben als welche diese heute existiert. Der Grund war so simpel und listig wie gierig, ein schwacher Präsident sollte die Wünsche der in- und ausländischen kriminellen Oligarchie qua seiner legalen Macht per Dekret einfach umsetzen.
      Auch verstehen blos wenige das die Russen sich in Abstimmungen für das sozialistische System ausgesprochen haben. Anstatt die Plebiszite umzusetzen wurde Gewalt angewendet und ein unbekannter Bürokrat als künftiger Präsident zur möglichen Wahl vorgeschlagen. Der unbekannte Bürokrat war V. Putin…
      Was den sogenannt westlichen Demokratien noch bevorsteht hat die UdSSR bereits hinter sich. Eine totale Revolution von allem was einst war. Die Ursachen liegen wie überall zum grössten Teil in der neoliberalen Ideologie die hier bereits seit 50 Jahren gut versteckt als politische Mitte umsetzt was kaum ein normal empfindender Mensch möchte. Wie absolut verwerflich das aussieht kann man an den ex. Sateliten der UdSSR und deren Zerfall seit dem Fall der Mauer gut sehen. Armut, Korruption, Plünderungen, Zerstörung

    • am 28.01.2020 um 16:52 Uhr
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      Danke Frau Schneider. Dies deutet in die Richtung, die vermutet werden durfte. Das Intrigenspiel mit den Wechseln zwischen Putin und Medwedew in den vergangenen Jahren hat ja nicht gerade das Bild vermittelt, als würde sich Putin nicht mit allen Mitteln an die Macht klammern. Und dass Putin (wie notabene auch andere Politiker) kein Problem mit lügen hat, wurde unter anderem mit den unsäglichen grünen Männchen eindrücklich demonstriert. Sich an die Macht zu klammern ist nicht verboten, so lange es rechtmässig geschieht. Es ist den Medien aber (bei uns) auch nicht verboten, dies offen auszusprechen.

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