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SRF-«Arena»: SGV-Direktor Bigler sorgt mit Fehlleistung für Unterhaltung. © srf

Die Kampagne der Lobbyisten

Robert Ruoff /  In der SRF-«Arena» treffen Lobbyisten auf eine sachkundige Bundesrätin und einen engagierten SP-Präsidenten. Das Resultat ist klar.

Ich bin ein «Public Service Man». Nicht, weil ich mehr als 20 Jahre an ganz verschiedenen Orten für die SRG gearbeitet habe. Im Gegenteil: Ich hatte Kritik genug, bis an die Schmerzgrenze. Ich bin ein «Public Service Man», weil ich ein öffentlich finanziertes, unabhängiges, starkes Mediensystem wie die SRG (oder ARD und ZDF, BBC und viele andere) für unverzichtbar halte für eine Gesellschaft, die demokratisch sein will und vielfältig. Also nicht eine Gesellschaft, in der am Ende nur einige wenige mit viel Kapital in den Medien das Sagen haben. Wie der FAZ-Herausgeber Paul Sethe (1901 – 1967) in einem Brief an den «Spiegel» vom 5. März 1965 für Deutschland sagte: «Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.» In der Schweiz wären es im Verhältnis zehn bis zwanzig Leute, und wir wissen so ungefähr, welche.

Der Wunsch nach Konkurrenz

Trotzdem werde ich den Wunsch und die Sehnsucht nach Konkurrenz für die SRG nicht los. Eine Konkurrenz, die ihr die immer wiederkehrende Provinzialität der Nachrichtengebung austreibt und den Sinn für Kritik, Hintergründe und Zusammenhänge schärft, wie zum Beispiel das «arte-journal». Oder eine Konkurrenz für DOK und (auch digitale) Gesellschaftspolitik wie das arte-Projekt «Future« mit den Themen, die bei SRF und anderen immer wieder erst kommen, wenn sie schon fast «Passé» sind. Eine Konkurrenz für Serien oder interaktive Programme, mit dem Publikum mit der Offenheit und den Ideen der (privaten) britischen ITV. Oder schliesslich ein Programm, das zeigt, was Innovation und kritische Distanz im Sportprogramm bedeuten könnte.

Weil mir all das fehlt, verfolgt auch mich der Gedanke, dass die SRG mit ihrer allzu grossen Nähe zu Politik und Sport und Wirtschaft einen Kurswechsel braucht. Und es packt mich immer wieder die Lust zu einem Schuss vor den Bug dieses Grosstankers der schweizerischen Medienflotte. Also versuche ich jetzt, vor der Abstimmung, meine Meinung und meine Gefühle zu prüfen. Ich habe mir die «Arena» über die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes angesehen, also die Debatte über die Abschaffung der Billag und die Einführung einer Abgabe für alle.

Gefunden habe ich Lobbyisten und Unbedarfte auf der einen, Sachkenner und Pragmatiker auf der anderen Seite, also die Welt von gestern gegen die Welt von heute und vielleicht sogar für morgen. Wenn mich die Hoffnung nicht enttäuscht.

Phantasie und Lüge als Politik

Die Lobbyisten: Das ist zum Beispiel der Bigler Hans-Ulrich (FDP), Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands. Er will in den Nationalrat, und er hat gerade noch rechtzeitig ein Thema entdeckt, mit dem er sich profilieren kann. Er will festhalten an dem polizeistaatlichen, überholten Billag-System, und weil ihm dafür die Argumente fehlen, arbeitet er mit Reizworten wie: «neue Steuer», von der Bundessteuer bis zur Hundesteuer. Und nun käme also auch noch eine «Billag-Mediensteuer». Steuern mögen Bürgerinnen und Bürger selbstverständlich nicht, und darauf baut er.

Wenn man ihm sagt, dass das neue Verfahren billiger wird – die Gebührenzahler bezahlen im Jahr mindestens 60 Franken weniger, und der zuständige Bundesrat garantiert das zumindest bis 2020 – saugt Bigler zu seiner Rechtfertigung den Vergleich mit den Krankenkassen-Prämien aus den Fingern. Und schliesslich produziert er so viel heisse Luft, dass er sich daran die Zunge verbrennt: Auf «1000 Franken» werde die Radio-Fernsehgebühr steigen, hat er in der Kampagne verlauten lassen. «Absurd», quittiert die darob offenkundig leicht erboste Bundesrätin Leuthard. Der langjährige NZZ-Redaktor Reinhard Meier nannte das im «journal 21» schlicht eine Lüge.

Umso schlimmer für die Tatsachen

Ansonsten zeigt Hans-Ulrich Bigler immer wieder, dass er nicht nur im Fernsehgeschäft wenig Ahnung hat, sondern dass er auch nicht in der Lage ist, das überzeugend zu verkaufen. Sonst würde er nicht das Schlagwort «Effizienz» in die Debatte werfen. Schon Rudolf Matters Vorgänger Peter Schellenberg (Fernsehdirektor 1988 – 2003) hat damit begonnen, Produktivität und Effizienz in Produktion und Redaktion gnadenlos zu steigern. Und SRF-Direktor Rudolf Matter hat manche auffallenden Programmleistungen seinen Mitarbeiterinnen und seinen Auftragnehmern vom Munde abgespart. Wer auch nur den Hauch einer Ahnung hat von den Produktionsbedingungen durchaus erfolgreicher Fernsehserien, kann davon ein Klagelied singen. Und dass DOK- und Info-Sendungen seit über 20 Jahren mit einem Bruchteil der Budgets von ARD und ZDF auskommen müssen, wissen nicht nur Insider. Das nimmt aber der Direktor des Gewerbeverbands offenkundig nicht zur Kenntnis, nach dem beliebten Motto: «Umso schlimmer für die Tatsachen.»

Der politisch ambitionierte Herr Bigler musste deshalb auch noch Doris Leuthards Hinweis auf die regelmässigen «Wirtschaftlichkeitsprüfungen» der SRG durch den Bund einstecken, die nicht nur von Freunden der SRG durchgeführt werden. (Recht hat Bigler allerdings mit der Behauptung, dass das ZDF im Unterschied zur SRG zumindest die durchschnittlichen Produktionskosten von Sendungen in seiner Rubrik «Programmprofile und Programmkosten» öffentlich macht. Darum: Hallo, Herr Matter! Wir haben Ihr Versprechen gehört und zählen gerne auf mehr Transparenz bei den SRF-Budget-Informationen!)

Gebetsmühle für die SRG-Verdrossenen

Hans-Ulrich Bigler fehlen offenkundig die stichhaltigen Argumente. Er dreht deshalb in seiner Kampagne vor allem die Gebetsmühle:
Mit Wiederholungen von Reizwörtern wie «Steuern» – das ist schon ziemlich falsch.
Mit der Prophezeiung einer Gebührenteuerung» bis 1000 Franken – das ist falsch bis verlogen.
Mit der Klage über die etwas erhöhten Kosten für Grossunternehmen wie Nestlé – was stimmt. Aber er unterschlägt, dass gleichzeitig rund drei Viertel der Unternehmen – vor allem KMUs – von den Gebühren befreit werden. Und das ist Biglers eigene Klientel.

Auch ein Berufs-Lobbyist darf selbstverständlich unbedarft daherreden. Vor allem, wenn das nicht ausschliesst, dass er mit seinen «Argumenten» erfolgreich einen Teil des Schweizer Stimmvolks für dumm verkauft.

Aber er kassiert immerhin im Klartext die verdiente Quittung von Christian Levrat, den ich ansonsten für einen Politiker halte und ausserdem für einen Sozialdemokraten, der viel zu oft andockt beim politischen Gegenpol. Der SP-Präsident gibt in dieser «Arena» einigermassen glaubwürdig den Kritiker der Bürokratie, den Vertreter der kleinen Gebührenzahler und nicht zuletzt den Lobbyisten der KMUs: «Sie vertreten die falschen Leute, Herr Bigler, sie vertreten die falschen Interessen. Bauern und Wirte sind für die Revision, das Gewerbe wird entlastet, und – was Sie besonders freuen müsste – Bürokratie und Staatskontrolle werden durch die Abschaffung der Billag reduziert.»

All das ist dem Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler entweder entgangen, oder er hält es für nicht relevant.

Das «Ja» der Privaten

Man könnte an dieser Stelle hinzufügen, dass auch die Verbände der privaten Radio- und Fernsehunternehmen sich für die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes aussprechen, die bisher schon vom Gebührensplitting profitieren. Das neu gefasste Gesetz stärkt ihre Position gegenüber der SRG, unterstützt die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden und fördert ihre technische Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem nationalen Sender.

Sie bekommen also trotz der niedrigeren Gebühr schlicht mehr Geld, das sie für den Ausbau ihres regionalen «Service Public» einsetzen können.

Aber das gefällt in der gleichen «Arena» nun wieder Frau Rickli nicht, der anderen Lobbyistin «der Privaten» gegen die SRG. Welcher «Privaten» eigentlich?

Zweiter Teil folgt

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor war bis 2004 Mitarbeiter der SRG

Zum Infosperber-Dossier:

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Kritik von TV-Sendungen

Fehler passieren überall. Beim nationalen Fernseh-Sender sind sie besonders ärgerlich. Lob und Tadel.

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Medien unter Druck

Wer Zeitungen und Fernsehen kontrolliert und besitzt, hat Einfluss und Macht.

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Medien: Service public oder Kommerz

Argumente zur Rolle und zur Aufgabe der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG.

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5 Meinungen

  • am 1.06.2015 um 13:21 Uhr
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    Sehr geehrte Damen und Herren

    Ich meine, so ganz unabhängig und frei in der Meinungsäusserung sind viele Medien nicht. Gehören sie doch meist grossen Verbundsystemen an. Ich erinnere da an Murdoch und Konsorten.

    Die Lobbyisten haben keinerlei Interesse an Unabhängigkeiten. Besonders nicht, dass sie in den Medien mit Namen, etc. herum gereicht werden.

    Somit dürfte klar sein, dass jeder, der auch nur im Entferntesten einem Lobbysystem angehört, keinerlei freie Interessen hat und diese, seine unfreien Interessen, möglichst mit allen Mitteln durchzusetzen.

  • am 2.06.2015 um 14:07 Uhr
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    Wer Herrn Bigler in dieser Kampagne etwas beobachtet hat muss zum Schluss kommen, dass dieser für ein Nationalratsmandat schlicht UNGEEIGNET ist. Falls er gewählt wird, wirft dies ein trauriges Licht auf das Niveau, welches in unserem Land nach und nach um sich greift.

  • am 4.06.2015 um 15:29 Uhr
    Permalink

    Ein unglaublich einseitiges Pamphlet, das uns hier Robert Ruoff abliefert, der urbane linkslastige Mainstream feiert Urständ.
    Zur Erinnerung: ALLE 4 TeilnehmerInnen an der Arena sind Interessensvertreter. Leuthard und Levrat lobbyieren für den Etatismus (und im Falle der SRG auch gegen die medienvielfalt), Rickli und Bigler lobbyieren für die Marktwirtschaft.
    Je nach Position des Betrachters, haben ALLE sehr stichhaltige Argumente.
    Was sie unterscheidet, ist die alles überrollende Medienwalze der SRG – SRF (Radio und TV) schiessen aus allen ihren fast 20 Rohren.

    Und was macht das Gutmenschentum? Es sucht bei Rickli und Bigler nach Stilfehlern.

    Robert Ruoff möchte ich in Erinnerung rufen: Es sind die finanziellen Mittel, die für Eigenproduktionen der Sender entscheidend sind. Und solange diese Mittel extrem UNGERECHT (96:4) verteilt sind, können die Privaten nicht jenen Standards entsprechen, die Sie suchen (und nur dem linkslastigen SRF zutrauen).

  • am 5.06.2015 um 10:06 Uhr
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    Mir geht es nicht mal so sehr um die SRG. Das stärkste Argument für ein NEIN: Mittlerweile hat auch das Bundesgericht festgehalten, was Staatsrechtler schon immer sagten: Die Abgabe ist eine Steuer und bräuchte eine Änderung der Bundesverfassung. Wer dem Bundesrat das Vorgehen beim RTVG durchgehen lässt, geht die Gefahr ein, dass er auch in anderen Bereichen versuchen wird, Steuern an der Verfassung vorbei einzuführen. Das Argument, dass die Steuer künftig tiefer ausfallen werde als die heutigen Gebühren, ist eine rattenfängerische Lüge: Das RTVG wird zu Mehrbelastungen bei vielen Unternehmen, besonders jenen mit vielen Arbeitsplätzen, führen. Und zu Mehreinnahmen in Millionenhöhe. Die werden von den Kunden oder den Mitarbeitern bezahlt. Dazu passt, dass die Mehreinnahmen in der Vergangenheit durch Zuwanderung – immerhin rund 150 Millionen seit 2000 –, nie durch sinkende Gebühren kompensiert worden sind. Die behauptete Gebührensenkung ist genauso ein billiger politischer Trick, wie die zusätzlichen Brosamen für die privaten Anbieter. Wer dieses Vorgehen gutheisst, wird sich noch wundern, wo es sich politisch sonst noch anwenden lässt.

  • am 6.06.2015 um 06:20 Uhr
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    "Lahor Jakrlin, am 04. Juni 2015 um 15:29 Uhr"

    Ich hätte genauso geschrieben, wie Lahor Jakrlin. Und ich hätte ihm dafür gerne ein «like» gegeben. (Ich finde es aber gut, dass es dieses Bewertungs-System hier bei Infosperber nicht gibt)

    Am Turmbau zu Leutschenbach muss gerüttelt werden. Die Leitung der geschützten Werkstatt muss endlich vom hohen Ross gestossen werden.
    Die SRG benimmt sich wie das Staatsfernsehen hier in Korea. Unglaublich!

    Zudem: Dass sich Frau BR Leuthard zunehmend gerne von Lobbyisten umpuscheln lässt, ist mehr als augenfällig. Von Energie bis Medien. Meiner Meinung nach hat diese Dame Ihren Zenit schon vor Jahren unbemerkt überschritten.

    Dass Hans Ulrich Bigler nicht gerade brillierte, war offensichtlich. Dafür hat Frau Rickli faktenbasiert geantwortet. Aber das ist Herrn Ruoff natürlich entgangen.

    Rote Karte für die Schweizer Medieneinfalt und deren Protektionismus!

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