Kommentar

Der wahre Geist hinter «No Billag»

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsPhilipp Cueni ist freier Journalist. Er ist Gründer und war langjähriger Chefredaktor des Medienmagazins «Edito». ©

Philipp Cueni /  Das zunehmend aggressive Auftreten der «No Billag»-Befürworter lässt nochmals erkennen, um was es den Initianten wirklich geht.

Alles schon gesagt zu «No Billag»? Sind die Ja/Nein-Fronten klar? Vielleicht schon. Nach diversen Vernebelungsaktionen seitens der «No Billag»-Initianten ist es aber angezeigt, die eigentlichen politischen Hintergründe der «No-Billag»-Befürworter (nochmals) genauer zu betrachten.
Die Vernebelungs-Taktik: Mehrmals beteuerten Vertreter des «No Billag»-Komitees, ihre Initiative richte sich keinesfalls gegen die SRG, sie selbst fänden gerade Informations-Sendungen der SRG gut und möchten diese auch in Zukunft nicht missen. Und Komitee-Vertreter versuchten sogar darzulegen, wie die SRG auch nach einem «Ja» weiter existieren könne. Es gehe wirklich nur ums Gebührensystem – so wurde gegen jegliche Realität und Fakten argumentiert. Zu überzeugen mochte dieses Wirrwarr an Argumenten nicht, aber die Absicht war klar: Man versuchte den Eindruck zu vermitteln, es gehe gar nicht gegen die SRG, deren Programme weit verbreitet und beliebt sind. «No Billag» = «No SRG» sei falsch, wurde beteuert.
Bei solcher Vernebelung wird leicht übersehen, mit welcher zunehmenden Arroganz die «No Billag»-Befürworter auftreten:
An einem Podium in Basel vertrat der Direktor des Gewerbeverbandes Basel-Stadt ernsthaft die Meinung, die knappe Niederlage bei der Abstimmung über die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG) sei eigentlich gar keine Niederlage gewesen – das sage sogar das Bundesgericht (!). Und deshalb hätte man schon seit jener Abstimmung die SRG und die Gebühren massiv herabstutzen sollen.
Generell betonen die «No Billag»-Befürworter immer wieder, die SRG müsse nach der Abstimmung, unabhängig (!) vom Abstimmungsresultat, massiv verkleinert werden. Offensiv wird eine künftige Herabsetzung der Gebühren auf 200 Franken verlangt, falls die eigene Initiative abgelehnt würde. Sowieso müsse eine Demokratie nach einer Abstimmung auch den Verlierern Rechnung tragen. Will heissen: Wir haben mit «No Billag» jetzt derart viel Wirbel und Druck gemacht, jetzt muss die SRG so oder so massiv verkleinert werden – Volksmeinung hin oder her.
Ist das die Logik bei Volksabstimmungen? Sagte je jemand von den damaligen Abstimmungs-Siegern, oft die gleichen Kreise wie die «No Billag»-Befürworter, man dürfe durchaus weiterhin Minarette bauen – aber einfach nur noch 42,5 Prozent der Gesuche bewilligen? (42,5 Prozent stimmten Nein). Oder es würden nach der Abstimmung über den Kampfflieger F/A-18 lediglich 57,2 Prozent der Flieger gekauft? (42,8 Prozent waren Nein-Stimmen). – Natürlich nicht. In solchen Abstimmungssituationen galt «the winner takes it all».
Arroganz auch von Seiten des «No Billag»-Initianten Oliver Kessler, der (zu Recht) eine sehr ansehnliche Präsenz-Zeit auf den Sendern der SRG wahrnimmt – im Nachhinein aber jeweils klagt, die Sendung sei nicht ausgewogen gewesen. Und Stimmung macht gegen Sendungen und Redaktionen. Noch dreister: Kessler verlangte laut «SonntagsZeitung» einige Minuten vor der «Arena»-Sendung ultimativ, das Sendekonzept sei gemäss seinen Vorschlägen umzustellen. Er wolle auch das Interview mit Bundesrätin Leuthard selber führen.
Die falschen Vertreter einer – angeblich – liberalen Idee demaskieren sich selbst, indem sie zunehmend kritische Meinungsäusserungen zur «No Billag»-Initiative zu verhindern versuchen: Der Bundesrat dürfe sich nicht äussern, die JournalistInnen der SRG dürfen sich nicht äussern (auch abseits der Sendungen nicht), die Trägerschaft der SRG (ein privater Verein) dürfe sich nicht äussern. Stimmen von «No Billag»-Gegnern werden zunehmend als «SRG-Abhängige» diffamiert. Zeigt sich so der freie Wettbewerb der Meinungen?
Definitiv Klartext zu «No Billag» spricht SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Verleger Roger Köppel. In seiner extrem aggressiven Rede vor dem Parteitag der SVP sagte er deutlich, um was es bei «No Billag» geht.
So griff er die SRF-Sendung «Rundschau» an: «Die ‹Rundschau› … macht die Opfer von kriminellen Hinrichtungsversuchen zu Tätern.» Ein massiver Vorwurf – selbstverständlich ohne Beispiele und ohne Belege. Und der SVP-Nationalrat stellt den öffentlichen Rundfunk in der Schweiz sogar in einen Kontext mit Staatssendern aus Diktaturen: «Denken Sie an die ‹Volksempfänger› von Propagandaminister Goebbels in Nazi-Deutschland. Oder an Länder mit totalitärem Sozialismus, wie die frühere UdSSR oder die DDR, wo der Staat das staatliche Medienmonopol regelmässig zur Manipulation der öffentlichen Meinung gebraucht bzw. missbraucht hat.»
Ein weltweit anerkanntes und vom Schweizerischen Presserat erlaubtes, aber auch klar geregeltes Rechercheinstrument für alle JournalistInnen, die verdeckte Recherche, diffamiert Köppel als Stasi-Methode der SRG: «Die SRG-Journalisten dürfen jetzt sogar Stasi-mässig mit versteckter Kamera herumschnüffeln, wie ein unsägliches Urteil des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festhält.»
Seine Diffamierung der SRG-Programme und der journalistischen Leistungen gipfelt in der klaren Forderung: «Die vollständige Liquidierung der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten ist in einer Gemeinschaft freier Bürgerinnen und Bürger ein dringendes Gebot der Zeit.»
«Vollständige Liquidierung» – das tönt ganz, ganz anders als die Versicherung gewisser Nebelbläser aus dem «No Billag»-Komitee, man wolle die SRG gar nicht abschaffen.
Immerhin sagt Nationalrat und Verleger Köppel klar und deutlich, was er von der SRG eigentlich will: «Dabei wäre ihre (die SRG, red.) Aufgabe eigentlich genau dieselbe wie jene der ‹Weltwoche›. Oder der SVP. Sie müsste an den dicken, versteinerten und verkalkten Meinungs- und Machtmauern der Staatsfestung rütteln.»
Wer den Horizont weiter ziehen, wer erkennen will, was der gesamte gesellschaftliche Hintergrund von «No Billag» ist, kann dies in einer Analyse der «ZEIT Schweiz» nachlesen.
Der Beitrag zeigt, was die libertäre Haltung des «No Billag»-Vertreters Silvan Amberg bedeutet: Er will keine Sozialversicherungen, keine AHV mehr, und auch gleich das staatliche Bildungssystem abschaffen. Das ist ein Frontalangriff auf den Staat in seiner schweizerischen Tradition.
Es ist wichtig zu erkennen, welche politischen Haltungen, welcher Geist hinter «No Billag» herrschen. Da gibt’s nur eins: ein demokratisches, nüchternes Nein.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Philipp Cueni ist freier Journalist. Er ist Gründer und war langjähriger Chefredaktor des Medienmagazins «Edito».

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12 Meinungen

  • am 9.02.2018 um 10:29 Uhr
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    Wie es möglich ist, eine derart hetzende, agressive und gleichzeitig eine so ergebende Wählerschaft zu beherrschen, beschrieb der kanadische Psychologe Bob Altemeyer und später John W. Dean als «Konservative ohne Gewissen», was wohl treffender kaum sein kann. Das Buch von B. Altemeyer, «The Authoritarians» ist frei im Internet zu finden.
    Hier ein Auszug aus Wikipedia in Englisch: Robert Anthony «Bob» Altemeyer (born June 6, 1940) is a retired Professor of Psychology at the University of Manitoba. He produced the test and scale for «RWA» or right-wing authoritarianism.

    He did extensive research on authoritarianism, identifying the psychological makeup of authoritarian followers and authoritarian leaders. His studies concentrated on who the followers are, how they got that way, how they think, and why they are by turns so submissive and aggressive. He also collected data on authoritarianism among North American politicians. Altemeyer’s work is extensively referenced in John W. Dean’s 2006 book, Conservatives Without Conscience. At Dean’s suggestion, he wrote an «everyperson» account of his findings. The Authoritarians.

  • am 9.02.2018 um 12:16 Uhr
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    Die neuesten Fake-News: Die Jungspunds, die sich für die Initiative „No Billag“ einsetzen, behaupten, dies sei ein Kampf von David gegen Goliath. Den Gegnern ständen fast unbegrenzte Mittel im Abstimmungskampf zur Verfügung. Tatsache ist, dass das Initiativkomitee bereits für die Unterschriftensammlung von Walter Frey, Autoimporteur und einer der Hauptsponsoren der SVP, einen sechsstelligen Betrag erhielt. Und auch der Milliardär von Herrliberg, Übervater der SVP, unterstützt das angestrebte Sterben der SRG grosszügig. Wollen wir wirklich, dass eine künftige Medienlandschaft von diesen Kreisen dominiert wird?
    Martin A. Liechti, Maur

  • am 9.02.2018 um 13:09 Uhr
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    Auch hier zeigt sich, dass die SVP an der Zerstörung der Schweioz und ihrer demokratischen Organe arbeitet. Es wäre doch zu prüfen, wie man solche Initiativen verhindern kann, oder zumindest die Kosten den Initiatoren aufbürden könnte, zumindest dann, wenn sie an der Urne abgelehnt wird.

  • am 9.02.2018 um 15:57 Uhr
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    Das Gegenteil ist wohl eher der Fall. Ein NO-BILLAG-Befürworter wird als Anti-Demokrat beschimpft.
    Und dass zweifelhafte Individuen – wie Roger Klöppel – die NO-BILLAG-Initiative missbrauchen, kann Olivier Kessler ja nicht vermeiden.

  • am 10.02.2018 um 02:22 Uhr
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    Ein feineres Gespür würde allen Demokraten guttun. Verschiedenene Meinungen sind da eigentlich Vorschrift. Personenbezogene Verunglimpfungen führen kaum je zu zukunftsträchtigen Lösungen. Unhaltbare Argumente, wie z.B. Ja zu No-Billag gleich Abschaffung der Demokratie kann ich persönlich nicht nachvollziehen. Eine Unterstützung des beliebten Produkts kann problemlos durch persönliche finanzielle Beiträge vollzogen werden. Unsere Medienwelt ist weiter geworden (auch dank Infosperber), das hat den Vorteil, dass wir selber bestimmen dürfen, was wir «glauben» wollen, und staatliche Zwangsabgaben zugunsten angepasster Medien sind meines Erachtens eher demokratiefeindlich.Wie immer haben wir es selber in der Hand, zumindest ein wenig, was geschehen soll, aber eine klare Restrukturierung der SRG wäre dringend von Nöten!

  • am 10.02.2018 um 05:53 Uhr
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    Nach einem NEIN zur NoBillag-Initiative wird sich bei der SRG gar nichts bewegen. Seit Jahrzehnten machen die SRG-Leute das Programm und die Erhöhung der Gebühreneinnahmen unbehelligt von der Politik und den Claqueurvereinen der Trägerschaft.
    Die SchweizerInnen sind harmoniesüchtig und Gewohnheitsmenschen, ist schon klar. Eine günstigere und bessere SRG ist aber möglich, aber leider nur mit einem Schuss vor den Bug. Von den nationalen Politikern ist eh nichts zu erwarten. Die profitieren von der Publizität, die ihnen die SRG gewährt.

  • am 10.02.2018 um 13:44 Uhr
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    NoBillag und ein möglicher Plan B (wie aBgleich)
    Oder: Ein interaktiver Tatort, in welchem jeder und jede Täter sein kann, und in dem es möglicherweise keine Leiche gibt.
    Wäre ich Ruedi Matter vom SRF würde ich sofort damit beginnen, meine unsicheren bis unzufriedenen ca. 3.5 -5 Mio (je nach Grad der Unzufriedenheit) Schweizer Einwohnenden zu bitten mit mir den Grundauftrag abzugleichen.
    Das ist machbar, überschaubar und es gibt (unabhängige!) Mediatoren und Werkzeuge (z.B. Konsensieren > Konsent, siehe konsent.ch), mit denen das mit absolut überschaubarem Aufwand an Zeit und Geld zu schaffen ist.. mit Akzeptanz in der Grössenordnung von 80% und kaum mehr harten Gegnern (alle werden angehört -der jeweils beste Vorschlag verfeinert bis es keinen besseren mehr gibt).
    Das SRF hat dazu interessierte Menschen, Webseiten, KnowHow, Kontakt mit den Kunden, also fast alles, was es dazu braucht.
    Wer gesehen hat, wie die Isländer ihr neues Parlament aufgebaut haben (statt die Banken zu retten..), hat ein gutes Gefühl dazu.
    Wetten, das wäre spannender als ein Tatort?
    Ein interaktiver Tatort mit Mitwirkungsmöglichkeit, in dem es wahrscheinlich keine Leiche gibt und jeder Mit-Täter sein kann.
    Die Einschaltquoten sind garantiert!

  • am 10.02.2018 um 14:37 Uhr
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    Ich verstehe nicht ganz warum Infosperber die SRG in Schutz nimmt. Der Grund warum ich mich auf diesem Portal informiere ist weil die SRG eben nicht unabhängig informiert. Sie hat schon immer die neoliberale Agenda vertreten und weder die sinnlosen Kriege der NATO verurteilt noch die Propaganda der Stromkonzerne und der Pensionskassen entlarvt. Sie Arbeitet mit den grossen Medienkonzernen schon längst zusammen (Admeira). Diese Organisation hat zur freien Meinungsbildung nichts beigetragen. Lasst sie in Frieden ruhen und das entstandene Vakuum mit unabhängigen Onlinezeitschriften wie Infosperber füllen. Es kann keine «Staatlich garantierte Wahrheit» geben, auch die Schweizer müssen lernen ihre Informationen dezentral zu holen und dafür zu zahlen. Eine Spende bei Infosperber halte ich für besser investiert als die Gebühr für die SRG.
    Gruss Daniel Bertschi

  • am 10.02.2018 um 21:35 Uhr
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    Herr Philipp Cueni wirft die «No Billag»-Befürworter in EINEN Topf. Schade. Die unterschiedlichen Kommentare von «No-Billag-Befürworter*innen bzw. die Resultate der «No-Billag»-Umfragen zeigen ein anderes Bild.

    Herr Philipp Cuenis Artikel «Der wahre [sic!] Geist hinter «No Billag» erinnert mich an den bekannten Satz von Volker Pispers: «Wenn man weiss, wer der Böse ist, hat der Tag Struktur.». Siehe auch: https://www.youtube.com/watch?v=emvzaJw_k34

  • am 11.02.2018 um 18:52 Uhr
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    Die Libertären werden weiterhin ihren Lebensunterhalt mit Wirtschaftsrecht, Eherecht und Erbrecht verdienen wollen, Säulen traditionellen Rechts. Und wie ich gelesen habe, soll die Schule eine Almoseneinrichtung werden und von freiwilligen Spenden leben. Das kommt dem Bild einer Urtradition noch ein Stück näher. Dass das fehlende Bekenntnis zu dieser Form von Freiheit als Abfall vom inneren Selbst erlebt wird, liegt auf der Hand. So trifft jeden seine eigene Schuld und macht ihn in den Augen des Rechtgläubigen zum Gauner.

  • am 12.02.2018 um 09:35 Uhr
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    Da war ich wohl voreilig. Ich hab mich hier angemeldet, in dem naiven Glauben, es handle sich um unparteiischen, neutralen Journalismus. Meinungsmache krieg ich sonst überall.
    Ich suche weiter nach neutraler Berichterstattung. Meine Meinung mach ich mir dann selber.

  • am 14.02.2018 um 12:33 Uhr
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    Frau Schild, Infosperber ist eines der besten deutschsprachigen online Nachrichtenportale die ich gefunden habe.
    Ich bin stimme auch nicht der Meinung des Autors zu. Aber es gehört dazu, dass Autoren halt frei und offen Ihre Meinung puplizieren können. Dieser freie Rahmen ist wichtig für die Meinungsbildung. Das war ja gerade das Problem der SRG und z.B. der Tagesschau. Es ist gar nicht möglich «neutral» in wenigen Minuten zu Berichten
    was in der Welt geschieht. Es ist ja immer selektiv und wird durch die neuen Medien auch immer fokussierter auf Meinungen oder Ideologien. Wenn Sie sich eine eigene Meinung bilden wollen müssen Sie halt etwas «fremdgehen» und zwischen linken und rechtslastigen Portalen wechseln.

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