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Laut Avenir Suisse die Nummer 1 unter den «liberalen Smart Cities»: Bilderbuchstadt Zürich © ZDF/G.Anhalt

«Wohlfühlpolitik» bringt Spitzenrang: NZZ ist entsetzt

Hanspeter Guggenbühl /  «Avenir Suisse» kürt Zürich zur liberalsten Stadt der Schweiz. Für die NZZ ist das ein Graus.

Die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ), die sich gerne als «liberal» bezeichnet, ist mit ihrer Heimatstadt unzufrieden: Regelmässig kritisierte sie die linksgrüne Mehrheit, welche die Stadt Zürich regiert, weil sie Wohngenossenschaften und gemeinnützigen Wohnungsbau unterstützt, die Steuern nicht senkt oder Parkplätze und Autoverkehr begrenzt.

Und jetzt das: In einer Bewertung der zehn grössten Schweizer Städte, gemessen am «Leitbild einer ‹Liberalen Smart City'», setzt der Denktank «Avenir Suisse» die Stadt Zürich auf den ersten Platz. In ihrem Bericht darüber, veröffentlicht am 1. November unter dem Titel «Liberaler als gedacht», entsetzt sich die NZZ schon im Untertitel: «Ausgerechnet das rot-grüne Zürich steht an der Spitze eines Städte-Ranking des Think-Tanks Avenir Suisse.»

Den naheliegenden Schluss, dieser Spitzenplatz sei der Politik der rotgrünen Mehrheit zu verdanken, kehrt die NZZ in ihrem Bericht sogleich um mit den Worten: «In Zürich regiert seit bald 30 Jahren eine linke Mehrheit – und ein Ende ist nicht absehbar. Der Lebensqualität und dem Wohlstand hat die Dauerregentschaft nicht geschadet.»

Im Kommentar korrigiert dann NZZ-Redaktor Peter A. Fischer das Resultat der «Avenir Suisse»-Bewertung schon im Titel: «Illiberale Insider-Politik ist nicht smart». Im Text räumt er zunächst zwar ein: «Tatsächlich lebt es sich in Zürich und den anderen grösseren Schweizer Städten nicht schlecht.» Doch dann kritisiert er die «paternalistische rot-grüne Wohlfühl- und teure Klientelpolitik», welche die «in der Stadt verbliebenen Schweizer» tendenziell leider unterstützten. Um diese Tendenz zu brechen, schlägt Fischer am Schluss seines Kommentars ein «Stimmrecht auf lokaler Ebene für die vielen in den Städten wohnenden Ausländer» vor.

Linke und Grüne, soweit sie die NZZ noch lesen, reiben sich die Augen. Denn das Ausländerstimmrecht ist eine alte linksgrüne Forderung. Bisher aber scheiterten entsprechende Vorstösse meist am Widerstand der bürgerlichen Mehrheit in kantonalen oder lokalen Parlamenten. Zudem ist fraglich, ob Ausländerinnen und Ausländer die linke «Wohlfühlpolitik» tatsächlich beenden würden. Denn auch Leute ohne Schweizerpass fühlen sich wahrscheinlich lieber wohl als mies.

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6 Meinungen

  • am 2.11.2018 um 11:57 Uhr
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    Offenbar dürfen sich die Menschen in unseren Städten nach der Lesart dieses Artikels (in der NZZ) nicht wohl fühlen. Wäre ja ein Graus, wenn’s mehr als nur den Superreichen gut ginge!

  • am 2.11.2018 um 17:01 Uhr
    Permalink

    Es gab Zeiten, wo das «Entsetzen der NZZ» eine gewisse Bedeutung gehabt hätte Diese Zeiten sind vorbei, ob dem Entsetzen der NZZ kommt niemand mehr ins Zittern. Wie die NZZ selbst aus dem Zittern herausfindet ist eine andere Frage.

  • Portrait_Rainer_M_Kaelin
    am 2.11.2018 um 17:18 Uhr
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    Interessant ! Vielleicht ist die Einschätzung von Avenir Suisse ein Zeichen dafür, dass sogar in Liberal-radikalen Kreisen wiedereinmal die pragmatische Betrachtung der Realitäten, die Gründe und Konsequenzen auf gesellschaftlicher Ebene haben, den Vorrang haben sollte vor der ideologischen Betrachtungsweise, die so gern rechts gegen links ausspielt und mit dieser manischäischen Sicht, die für die Zukunft wichtigen Fragen vorerst mit Schlagworten statt mit Lösungsansätzen beantwortet. Bundesparlamentarier der Mehrheit sollten sich diesem Ansatz öffnen, der doch offenbar ein gewisses «Avenir» haben könnte, wie die gegenwärtige Lebensqualität von unique Zürich zu beweisen scheint, die offenbar durch den «grünen» Einfluss in den letzten Jahren nicht gelitten hat. Denn auch einem liberal-radikalen Kopf oder gar einem volksparteilichen dürfte es grundsätzlich nicht verboten sein, so frei(-sinnig) zu sein um auch etwas » grün» zu denken. Ob die Bevölkerung das auch so sieht und daraus die Konsequenzen zieht, könnte man dann vielleicht in den Wahlen von 2019 erkennen ! Rainer Kaelin Etoy.

  • am 3.11.2018 um 05:43 Uhr
    Permalink

    Ranking: Beliebt, aber oberflächlich und willkürlich!

    Für alles und jedes gibt es heute Ranglisten: Für Schulen, Standortattraktivität, Immobilienpreise, Politikerinnen und Politiker, Gemeinden. Kriterien und Gewichtung werden von den Publizisten solcher Rankings willkürlich festgelegt. Ein grosser Teil der Leserschaft glaubt an die Objektivität solcher Ranglisten und die Politik meint, aufgrund der beim Wahlvolk erzeugten Empörung wegen eines tiefen Ranglistenplatzes subito reagieren zu müssen Es hagelt Vorstösse, um Verbesserungen bei den gewählten Kriterien zu erzielen. Wer die Rankings aber auf ihren Aussagegehalt etwas näher untersucht, sieht bald, wie oberflächlich und undifferenziert solche Einstufungen zustande kommen. Äpfel, Birnen und Kartoffeln werden dabei willkürlich vermischt.

  • am 3.11.2018 um 08:59 Uhr
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    Peter A. Fischer steht für die Orientierungslosigkeit der NZZ. Dank den Linken und dem Umbau des Sechseläutenplatz wurde das Gebäude der NZZ aufgewertet, dank den Linken kann das ZFF nächstes Jahr wieder mit Steuergeldern rechnen. Leider könnnen die Linken das journalistische Profil der NZZ nicht verbessern, das nimmt stetig ab, auch mit den Artikeln PAF!

  • am 3.11.2018 um 18:50 Uhr
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    Exzellenter Artikel von Hanspeter Guggenbühl ! Zeigt anschaulich auf, in welchem Ausmass der NZZ die Themenführerschaft in Sachen Liberalismus in den vergangenen Jahren abhanden gekommen ist.

    Kleine Randbemerkung ausserhalb des diskutierten Themas:
    Wie kommt es, dass INFOsperber, der sich doch konsequent aufgeklärtem Journalismus verpflichtet fühlt auf seiner Site Werbung für einen solch hanebüchenen esoterischen Mist wie «Orgon-Energie-Untersetzer harmonei® zur Einkoppelung ins göttliche Ätherfeld und Getränke-Energetisierung» (!) zulässt und überdies auch noch einen 10%-Rabattcode «infosperber» toleriert ?

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