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Meryl Streep als Washington Post-Verlegerin Kay Graham © 20thCF

Die Verlegerin – historisch, aber top aktuell!

Peter Studer /  So siegte die Verlegerin der «Washington Post» Kay Graham für die Pressefreiheit – jetzt in Steven Spielbergs Film «Die Verlegerin»

Der grosse Film «The Post» von Meisterregisseur Steven Spielberg kreist um die verwitwete Verlegerin der «Washington Post», Kay Graham (Meryl Streep) und um ihren Chefredaktor Ben Bradlee (Tom Hanks). Bradlee gilt heute als Ikone des öffentlichkeitsverpflichteten Journalismus. Seine erste Feuerprobe: Die «Pentagon Papers», eine vom US-Verteidigungsminister in Auftrag gegebene dicke Studie über die präsidialen Befehle zum Vietnamkrieg. Truman, Eisenhower, Kennedy, Johnson, Nixon: In der Tat hatten alle diese Präsidenten am Hochfahren dieses fernen Kriegs mitgewirkt. Der Chronist Daniel Ellsberg, ein junger Politologe, war im Verlauf seiner Recherchen zum Kriegsgegner mutiert – entsetzt über die Lügen und Fehlurteile der Präsidenten. Zurück von einer Feldmission hörte er Minister McNamara wieder den baldigen Triumph über den kommunistischen Vietcong voraussagen. Trotz der streng befohlenen Vertraulichkeit – «wegen des Vertrauens der Verbündeten» – steckte der empörte Ellsberg diese «Pentagon Papers» der angesehenen «New York Times» zu, die sogleich mit der Publikation begann. Präsident Nixon verbot den weiteren Abdruck. Bradlee spürte den Chronisten Ellsberg in seinem Versteck auf und versprach ihm den Weiterdruck.

Doch jetzt was tun? Verlegerin Graham, Eigentümerin der «Post» und befreundet mit McNamara, steckte in einem tiefen Dilemma. Mit ihrem Chefredaktor an das Oberste Bundesgericht gelangen und gegen das Druckverbot klagen? Oder den weitherum freudig aufgenommenen Börsengang der «Post» absichern – für das Medienhaus und ihre Kinder, zumal ein Sohn bereits als Freiwilliger in Vietnam kämpfte? Das empfahlen dringend alle ihre Berater – ausser Bradlee. Es drohte Gefängnis.

Dieses Dilemma ist der Kern von Spielbergs Film. Das Oberste Bundesgericht, vom liberalen Republikaner Warren präsidiert, gab der zögernden Verlegerin und den beiden Zeitungen mit 6 : 3 Stimmen recht.

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Das Urteil hat viel mit dem Geist der amerikanischen Verfassung zu tun. Der erste Verfassungszusatz verbietet ausdrücklich nur, Gesetze gegen die Grundrechte zu erlassen. Soweit die gedruckte Verfassung. Aber die Mehrheit der Richter bezog sich eben auf die gelebte Verfassung. Nixons Verbot, ein obrigkeitlicher Maulkorb , verletze die seit dem Unabhängigkeitskampf hoch gewertete Freiheit der Rede und der Presse, fand das Bundesgericht.

Mit Bezug zu heute …

Steven Spielberg und sein Lieblingsschauspieler Tom Hanks sehen diesen Geist heute wieder gefährdet. Spielberg sicherte sich die Rechte auf das Drehbuch kurz vor der Wahl Trumps zum Präsidenten 2016 und legte los. In der Tat hat Trump in seinem gehässigen Dauerstreit mit den liberalen Medien letzte Woche angekündigt, dass er den republikanischen Kongress für eine drastische Verschärfung des Medienstrafrechts motivieren will. Einen neuen konservativen Bundesrichter hat er im Senat bereits durchgebracht.

Erinnerungen an die Gegenwart

In mir ruft der Film alte Erinnerungen wach. 1966 erhielt ich ein einjähriges Pressestipendium im kleinen Macalester College (Minnesota). Reader’s Digest, damals noch wohlhabend, gewährte es «Promising young Journalists» aus mehreren Ländern; vier Monate davon waren für ein Praktikum reserviert; mich verschlug es in das Hauptstadtbüro der «Washington Post». An der wöchentlichen Redaktionskonferenz nahm immer auch Verlegerin Kay Graham teil und mischte sich unbefangen in die Diskussion ein – genau wie im Film Meryl Streep es jetzt darstellt. Vier Jahre später war ich wieder dabei, nun als Korrespondent des «Tages-Anzeigers», fieberte ich dem Urteil des Obersten Bundesgerichts entgegen.

Der Film fängt diese Hochspannung ein. Einen Aspekt hat Spielberg hinzugefügt: Während Meryl Streep nach dem Bundesgerichtsurteil am 30. Juni 1971 erleichtert die Treppe des klassischen Gerichtsgebäudes heruntersteigt, hat Spielberg beidseits der Treppe die in der «Post» beschäftigten Frauen applaudierend aufgereiht. Spielberg: Ich wollte der Verlegerin meinen Tribut entrichten. Als Dame der obersten Hauptstadtgesellschaft hat sie sich unter Nixons Drohung zur Kämpferin für die Pressefreiheit durchgerungen, sagte er der «Welt am Sonntag» in einem grossen Interview letztes Wochenende.

Der Film endet mit einer nächtlichen Szene aus dem modern-bombastischen «Watergate Hotel», über die Strasse jenseits von meiner kleinen Zweizimmerwohnung gelegen. Ein schwarzer Nachtwächter rief die Polizei, als er im Stockwerk der Demokratischen Partei 1972 Spuren eines laufenden Einbruchs feststellte. Die Polizei nahm eine Gruppe fest, die Kontakte zum Weissen Haus aufwies. Zwei Jungreporter der «Washington Post» hatten Dienst und blieben dran. Drei Jahre später musste Präsident Nixon zurücktreten, um einer Absetzung zu entgehen. Wieder standen Graham und Bradlee als Schutzpatrone hinter Woodward und Bernstein, als man sie zum Schweigen bringen wollte.

Aber das war ein anderer Film.

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Der Film THE POST – Die Verlegerin läuft in Zürich ab Freitag, 22. Februar 2018

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Siehe auch:


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Peter Studer war Chefredaktor des «TagesAnzeigers» und Chefredaktor des Schweizer Fernsehens und hatte etliche andere Funktionen im Medienbereich, gerade auch solche im Zusammenhang mit der Wahrung der Pressefreiheit. Es gibt keine Interessenkollisionen.

Zum Infosperber-Dossier:

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2 Meinungen

  • am 25.02.2018 um 07:50 Uhr
    Permalink

    Lieber Peter Studer: Danke für Ihren unermüdlichen Einsatz zugunsten der 4. Gewalt im demokratischen Rechtsstaat.
    – Sie riefen, wir gingen hin: Der Spielberg-Film ist eine Wucht. Wenimmer der lamentable innere Zustand der Schweizer Demokratie interessiert, der sollte sich diesen Film unbedingt ansehen.
    — Wir waren begeistert + applaudierten.
    — Der Saal (mit seinen zumeist jungen Leuten im Samstag-Abend-Programm) aber blieb ruhig …
    – Was können wir Demokrat*Innen tun, um diese müde Schweizer Gesellschaft rechtzeitig vor den eidgenössischen Wahlen 2019 wachzurütteln?

    Operation Libero ist gut für die SBI-Abstimmung (Selbstbestimmungsinitiative der Blocher-Bewegung). Für die eidgenössischen Wahlen 2019 braucht es (viel) mehr. Denn die Blocher-Bewegung ist verdammt gut aufgestellt.

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