SRF-Tagesschau «Kleinkinder sitzen vergleichweise wenig vor dem Bildschirm»

SRF-Tagesschau: «Schweizer Kleinkinder konsumieren digitale Inhalte grösstenteils mit Mass.» © srf

Auf diese Statistik fielen «Tagi» und SRF-Tagesschau herein

Urs P. Gasche /  Sie machten aus der durchschnittlichen Bildschirmzeit von Kleinkindern eine irrelevante Schlagzeile.

Die Schlagzeilen, die eigentlich keine waren: 

250725 Titel Bund Kinder
Tamedia-Zeitung «Der Bund»

«In der Schweiz konsumieren die meisten Kinder unter sechs Jahren Medien massvoll»
(Tamedia-Zeitungen)

«Schweizer Kleinkinder konsumieren digitale Inhalte grösstenteils mit Mass»
(SRF-Tagesschau).


Die Quelle war eine Studie unter der Leitung von Fabio Sticca, Professor für Diagnostik und Förderung sozio-emotionaler und psychomotorischer Entwicklung an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik in Zürich. Danach «schauen Kinder unter zwei Jahren rund 20 Minuten pro Tag auf einen Bildschirm».

Die «NZZ» und andere Medien hielten diese Information offensichtlich nicht für publikationswürdig.

Tatsächlich sind Durchschnittswerte der Bildschirmzeit von Kindern ebenso irrelevant wie Durchschnittswerte beim Rauchen oder Alkoholkonsum. Es handelt sich um wertlose Null-Informationen.


Drei Zigaretten und ein Glas Wein pro Tag

Man stelle sich folgende Schlagzeilen des «Tages-Anzeigers» oder in der Tagesschau vor:

«In der Schweiz rauchen die Erwachsenen rund drei Zigaretten pro Tag. Schweizer Erwachsene rauchen grösstenteils mit Mass.»

Oder:

«In der Schweiz trinken die Erwachsenen rund einen Deziliter Wein oder eine kleine Flasche Bier pro Tag. Schweizer Erwachsene trinken grösstenteils mit Mass.»

Diese Schlagzeilen sagen nichts darüber aus, ob das Rauchen und der Alkohol in der Schweiz ein Problem sind. Ebenso wenig sagt die Schlagzeile «Kinder schauen durchschnittlich so und so viele Minuten auf einen Bildschirm» etwas darüber aus, ob die Bildschirmzeit bei Kindern ein Problem ist.

Kinder vor einem Handy

Die Tamedia-Zeitungen erwähnten wenigstens, dass es bei der Zeit, die Kinder vor Handys, Tablets oder Fernseher verbringen, «auch Ausreisser» gebe. Einzelne Eltern hätten eine Bildschirmzeit ihrer Kinder von mehreren Stunden angegeben. Um diese Kinder und Eltern müsse man sich Sorgen machen.
Nur online erwähnte SRF Bedenken, wonach digitale Medien wichtige Entwicklungsaktivitäten des Kindes wie körperliches Spielen, die Interaktion mit Bezugspersonen oder der Schlaf verdrängen könnten.

Es hätte nun in erster Linie interessiert, ob tatsächlich ein Problem besteht: Wie gross ist der Anteil der Kinder, die wegen exzessiver Bildschirmzeit wahrscheinlich Schäden erleiden? Diese Information hätte eine Schlagzeile sein können. Doch darüber informierten weder die Tamedia-Zeitungen noch die SRF-Tagesschau.

Bildschirmzeit Kinder x

Vielmehr zitierten sie die Studienautoren. Die Bildschirmnutzung der «meisten» Kinder sei für ihr Alter «moderat und angemessen» (siehe Grafik links).
Auch der Alkoholkonsum ist bei den «meisten» Erwachsenen «moderat und angemessen». Das ist keine relevante Information.

Wenigstens die Leserschaft von Infosperber wollten wir darüber informieren, wie viele Kinder einer exzessiven Bildschirmzeit ausgesetzt sind. Deshalb baten wir Professor Fabio Sticca um folgende konkrete Angaben:

  1. Bildschirmzeit der 10 Prozent unter 2-Jährigen mit der längsten Zeit (ohne Audio).
  2. Bildschirmzeit der 10 Prozent 2- bis 3-Jährigen mit der längsten Zeit (ohne Audio).
  3. Bildschirmzeit der 10 Prozent 5- bis 6-Jährigen mit der längsten Zeit (ohne Audio).

Sticca hat uns diese Zahlen nicht bekanntgegeben. Kinder mit hoher bis sehr hoher Bildschirmzeit seien aus einer Grafik in der Publikation herauszulesen. Dort sind die geforderten Zahlen allerdings nicht ersichtlich, sondern höchstens zu erraten. Die Studienautoren seien «unsicher» gewesen, ob sie weiterführende Ergebnisse derzeit herausgeben können.

Beitrag zur Qualitätsverbesserung

upg. Professionelle Medienkritik soll dazu beitragen, die Qualität der Information zu verbessern. Sich gegenseitig auf die Finger zu schauen, hat einmal zur Selbstregulierung der Medien gehört. Seit der Medienkonzentration ist dies weitgehend vorbei.
Obwohl Infosperber auch Beiträge von SRF beanstandet, bleibt festzuhalten: Die öffentlich-rechtlichen TV- und Radiosender der drei Landesteile informieren immer noch besser und zuverlässiger als private Fernseh- und Radiostationen. Deren Informationen werden weniger kritisiert, weil sie weniger präsent sind.
Die Bundesverfassung verpflichtet Radio und Fernsehen, die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck zu bringen. Dank den Auflagen der bundesrätlichen Konzession müssen SRF, RTS und RSI einen besonderen Leistungsauftrag erfüllen. Sie haben auch detaillierte Berichterstattungs‑ und Transparenzpflichten gegenüber der Aufsichtsbehörde Uvek (Details hier). 

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