«Russland und China könnten den Westen gemeinsam angreifen»
upg. Ein imperialistischer Putin bedrohe auch benachbarte Nato-Staaten. Deshalb müsse Europa massiv aufrüsten, fordern Nato und europäische Regierungen. Infosperber stellt eine andere Einschätzung zur Diskussion. – Nach einer Einordnung des russischen Imperialismus und der Rolle der Nato-Osterweiterung jetzt zu den Medien. Kritiker des Aufrüstens kommen dort nur selten zu Wort.
Der Brüsseler Korrespondent der Tamedia-Zeitungen berichtete am 4. Oktober 2024 von einer impliziten Verschwörung:
«Selbst wenn es keine explizite Verschwörung der Diktatoren gibt, sind die gemeinsamen Interessen offensichtlich, die Russland, den Iran und China miteinander verbinden.»
Viele seien überzeugt, dass «die Kriege Teil einer grossen globalen Offensive [sind], die eine russisch-iranisch-chinesische Achse der Diktatoren gegen den demokratischen, liberalen Westen begonnen hat».
In Tat und Wahrheit sind es die USA und ihre Verbündeten, die mit ihren Sanktionen diese ungleichen Staaten zur Zusammenarbeit treiben.
«Zwei Autokraten mit imperialen Ansprüchen»
In der «NZZ» vom 21. Juli 2025 zitierten Georg Häsler und Lukas Mäder Nato-Generalsekretär Mark Rutte unter dem Titel «Europa muss sich auf extreme Szenarien vorbereiten». Rutte habe «davor gewarnt, dass Russland und China den Westen gemeinsam angreifen könnten». Die «Achse Moskau-Peking» entwickle sich «in Richtung einer Allianz zweier Autokraten mit imperialen Ansprüchen».
Das «Extrem-Szenario» habe in den letzten Monaten an Wahrscheinlichkeit deutlich zugenommen: «Ein einziger globaler Krieg ist eine der möglichen Lageentwicklungen. […] Es braucht das Eingeständnis, dass sich Europa bereits im Krieg mit Russland befindet – oder zumindest in einem offenen Konflikt.»

Am 5. August 2025 doppelte Georg Häsler nach und zwar unter dem Titel «Putin hat uns längst den Krieg erklärt»:
«Die Europäer müssen sich auf eine direkte Konfrontation mit Russland vorbereiten: kurzfristig, falls der Kreml den Schwung seiner Sommeroffensive (in der Ukraine) nutzt und die Souveränität Estlands oder Lettlands angreift. Mittelfristig, bis sich die USA ab 2027 militärisch wohl ganz auf den Pazifik konzentrieren.»
Putin könnte «seine Expansion beschleunigen mit einer hybriden, uneindeutigen Aktion im Baltikum, vielleicht schon in diesem Herbst». Die Verbündeten dürften «nicht erst dann handeln, wenn eine bewaffnete Gruppe analog der Krim-Annexion 2014 eine Ortschaft in Estland oder Lettland besetzt».
Und am 25. November 2025 ergänzte Häsler: «Der Westen als Ganzes steht vor einer existenziellen Belastungsprobe.»
Auch die Tamedia-Zeitungen schüren Angst vor einem Weltkrieg. Stefan Kornelius, notorischer Kriegswarner der «Süddeutschen Zeitung» und der Tamedia-Zeitungen, hatte am 8. Dezember 2023 in einem Frontkommentar der Tamedia-Zeitungen behauptet: «Der Aggressor hat nicht nur Kiew, sondern auch Washington zum Ziel seiner Zerstörungswut erklärt.»
Heute ist Kornelius Sprecher der deutschen Bundesregierung.
Am 19. Januar 2025 titelten die Tamedia-Zeitungen: «Ranghohe Politiker und Militärvertreter warnen vor einem russischen Angriff auf Nato-Staaten.»
Andere Stimmen kamen nicht zu Wort.
«Die Zeichen stehen auf Krieg»: So lautete zwei Monate später der alarmierende Titel über einem Leitartikel von Georg Häsler in der «NZZ». Er warnte: «Ein bewaffneter Konflikt in Europa ist in den nächsten Jahren ein leider wahrscheinliches Szenario geworden.»
Wer das Aufrüsten in Frage stellt, wird diffamiert
Es gilt die alte PR-Regel: Wer keine guten Argumente mehr hat, soll auf die gegnerische Person zielen und sie als unglaubwürdig diffamieren.
Der frühere Schweizer Botschafter Günther Baechler, nach eigenen Angaben ein Friedensforscher, durfte in der «NZZ» vom 20. Mai 2025 unwidersprochen verbreiten: «Links-Grün weigert sich, überhaupt eine neue Bedrohungslage zu erkennen. Der linke und der rechte Rand würden unser Land im Ernstfall gleich einem Aggressor wie Putin wehrlos ausliefern.»
«Links-Grün» und der «rechte Rand» sind damit als Gesprächspartner disqualifiziert.
Baechler verschwieg, dass sich Boris Pistorius und seine SPD oder Joschka Fischer und seine Grünen an der Rüstungsspirale beteiligen.
Jacques Pitteloud, früherer Chef des Schweizer Nachrichtendienstes und heute Vertreter der Schweiz bei der Nato in Brüssel, diffamierte Bürgerinnen und Bürger, die an der traditionellen Schweizer Neutralitätspolitik festhalten möchten, als «Neutralitätsfetischisten» («NZZ» 28.3.2025).
Also kein Grund, mit ihnen sachlich zu diskutieren.
Georg Häsler diffamierte Gegner des F-35-Kaufs als «Linke und vereinzelte Irrlichter» («NZZ» 24.6.2025).
Also braucht man sie nicht zu Wort kommen lassen.
«NZZ»-Chefökonom Peter A. Fischer diffamierte Kritiker der Aufrüstung als «friedliebende Heuchler und Trittbrettfahrer» (19.12.2023).
Auf solche braucht man nicht zu hören.
Den Sicherheitspolitikerinnen und -politikern in Bern wirft Georg Häsler «Selbsttäuschung» und «Verantwortungslosigkeit» vor («NZZ», 1.10.2025).
Tamedia-Zeitungen wiederum gaben Geschichtsprofessor Oliver Jens Schmitt in einem zweiseitigen «Interview» Gelegenheit, Andersdenkende zu verunglimpfen. Wer die Gefahr eines russischen Angriffs auf Nato-Staaten nicht sehe, sei ein «Realitätsverweigerer» und «Russland-Sympathisant»: «Historisch betrachtet lässt sich dies mit den Frontisten und anderen nazifreundlichen Kräften der 1930er Jahre vergleichen – nur ist heute das Bezugsland ein anderes.»
Kritische Einwände des «Tamedia»-Journalisten? Keine.
«Masslos übertrieben»
Als ein solcher «Realitätsverweigerer» äusserte sich für einmal «NZZ»-Chefredaktor Eric Gujer. Am 14. Dezember 2024 stellte er fest:
«Warnungen, Putin werde sich nach der Ukraine dem Baltikum zuwenden, erscheinen als masslos übertrieben. […] Russland ist stark genug, um ein wehrloses Nachbarland zu überfallen. Aber die Stärke genügt nicht für einen überlegenen Gegner oder für einen weiter entfernten Schauplatz.»
Das Tabu des atomaren Risikos
Falls es zu atomaren Vernichtungsschlägen kommen sollte, können weder Kampfpanzer noch Kampfjets ein Land schützen. Deshalb blasen einige Politiker zur atomaren Aufrüstung und zur besseren Verteilung von Atomwaffen.
Der britische Premierminister Keir Starmer gab im Juni 2025 «die grösste Aufrüstung seit Jahrzehnten» bekannt. Grossbritannien werde 17 Milliarden Franken in neue Atomwaffen investieren. Es gehe darum, «unsere Gebiete und alles, was uns lieb ist, zu verteidigen» («Tages-Anzeiger» 3.6.2025).
Ob die Briten einen Atomkrieg überleben würden, ist zweifelhaft. Wer über «taktische Atomwaffen» diskutiert, sollte wissen, was solche Bomben anrichten.
Atomar aufrüsten möchte auch Karl-Heinz Kamp von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik: «In Europa sind zu wenig Atomwaffen stationiert», titelte die «NZZ» am 27. Januar 2025 über seinem Gastbeitrag. Als ob 15 in den Niederlanden stationierte Atombomben, 15 in Belgien, 35 in Italien, 15 in Deutschland und 20 in der Türkei sowie 120 einsatzbereite Atomsprengköpfe in Grossbritannien und 280 in Frankreich nicht mehr als genug wären, um Europa unbewohnbar zu machen. (Quelle Ican)
Entgegen den Nato-Russland-Grundsatz-Vereinbarungen von 1997 sollen Atomwaffen auch in den neuen Nato-Mitgliedsländern in Osteuropa einsatzfähig stationiert werden, forderte Kamp.
Polen habe bereits ein ernsthaftes Interesse angemeldet. Auch die F-35-Kampfjets, die Polen ab 2025 erhalte, «könnten nuklear zertifiziert werden, das heisst zum Transport von Kernwaffen befähigt werden». Je breiter die Atomwaffen verteilt würden, «umso schwerer wäre es für Russland, all diese Ziele frühzeitig auszuschalten».
Schwierig wäre es schon heute. Denn die globale US-Militärpräsenz wächst ungebremst weiter.
Für die Bevölkerungen ist ein Atomkrieg allerdings keine Option.
Weder die Atommächte Frankreich und Grossbritannien und noch weniger die USA werden als Erste mit selbstmörderischen Atomwaffen angreifen. Darüber herrscht weitgehend Einigkeit.
Falls jedoch Russland mit konventionellen Waffen in die Enge getrieben wird oder falls die Ukraine die Halbinsel Krim mit dem russischen Flottenstützpunkt ernsthaft bedroht, besteht eine ernsthafte Gefahr, dass Russland zu Atomwaffen greift.
Eine neue Nukleardoktrin Russlands sieht den Einsatz von Atomwaffen vor, falls hinter einem konventionellen Angriff gegen Russland Länder stehen, die selber über Atomwaffen verfügen. Das möge ein Bluff sein, kommentierte Redaktor Markus Bernath am 24. November 2024 in der «NZZ am Sonntag» und fügte hinzu: «Eine Garantie gibt es nicht.»
«SZ»-Redaktor Joachim Käppner warnte in den Tamedia-Zeitungen: «Das Kriegsziel eines uneingeschränkten Sieges gegen Russland würde die Eskalationsgefahr vergrössern und eine bereits gefährlich angeschlagene Atommacht unnötig provozieren.»
Wegen dieses Risikos dürfe Putin den Krieg zwar nicht gewinnen, aber eben auch nicht verlieren, meinte auch Sicherheitsexperte und SVP-Politiker Albert A. Stahel gegenüber Infosperber. «Bei taktischen und operativ-taktischen Nuklearwaffen ist Russland eindeutig überlegen» und das sei «nicht zu unterschätzen.»
Ein Atomkrieg könne auch hybrid beginnen, warnte «NZZ»-Chefredaktor Eric Gujer am 11. Oktober 2025: «Man kann unbeabsichtigt in eine Lage stolpern, in der es nur noch schlechte Optionen gibt. Geht man das Eskalationspotenzial Zug um Zug durch, ist ein Atomkrieg nicht mehr so unmöglich, wie es heute den Anschein hat.»

Das tönt anders als noch vor drei Jahren. Am 13. Oktober 2022 beruhigte die «NZZ» die Öffentlichkeit: «Putin wird kaum aufs Ganze gehen». (Siehe Infosperber vom 24. Oktober 2022: «Streit über das Risiko einer nuklearen Eskalation»)
Putin wurde damals zwar als unberechenbarer Aggressor hingestellt, aber dass er in Bedrängnis zu Atomwaffen greifen werde, hielt die «NZZ» 2022 noch für ausgeschlossen.
«Wir werden Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen niemals akzeptieren», erklärten die Aussenminister der G-7-Staaten nach einem Treffen im November 2024 in Italien. Im Klartext: Solche Drohungen soll man nicht für bare Münze nehmen.
Nach einem atomaren Schlagabtausch wäre es allerdings ein denkbar schwacher Trost für die unzähligen Toten oder im Elend Versunkenen, dass Putin der Schuldige war.
Bisher:
– Die Machtpolitik der Sowjetunion und der USA
– Die Erzählung vom russischen Imperialismus
– Die Nato-Osterweiterung aus der Diskussion genommen
Demnächst:
Die Russen können nicht einmal den ganzen Donbas einnehmen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.









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