Kommentar
Den Verlegern schwimmen die Felle davon
Seit Jahren setzen sich die Schweizer Medienhäuser dafür ein, dass die grossen Techno-Plattformen für die Verbreitung von kurzen Artikel-Hinweisen (sogenannte Snippets) eine Urheberrechtsgebühr bezahlen müssen. Mit ihrem Anliegen hatten sie im hiesigen Politbetrieb ziemlich Erfolg. Selbst FDP-Exponenten befürworteten den Vorstoss und sprachen – ganz im Wortsinn der Verleger – von einem Diebstahl seitens von Google und Co. Der einprägsame Vorwurf grenzt allerdings an eine Lüge. Doch die Ansicht, der Schweizer Journalismus werde durch die US-Konzerne bestohlen, setzte sich weitherum durch. Dazu trug das Schweigekartell der Redaktionen seinerseits bei. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema findet seit langem nicht mehr statt. Der Verlegerverband bevorzugte eine Kabinettspolitik unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Redaktionen hielten sich daran.
Legitim?
Vor anderthalb Jahren hat der Bundesrat ein Gesetz in die Vernehmlassung geschickt, welches die Forderungen der Verleger aufnimmt. Die Landesregierung entwarf unter dem Stichwort Leistungsschutzrecht eine bessere Regelung, als dies der EU gelungen ist. Ein relativ breiter Teil der hiesigen Medienbranche würde von den neuen Urheberrechtsabgaben profitieren. Dennoch bleibt das Kernproblem bestehen, dass die Legitimität einer Bezahlpflicht für die Weiterverbreitung von kurzen Hinweisen auf Medienbeiträgen höchst zweifelhaft ist, zumal die Medienhäuser dank den Techno-Plattformen ihre Reichweite steigern können.
Nun steht das Gesetz für ein Leistungsschutzrecht vor der parlamentarischen Beratung. Die vorbereitende Nationalratskommission hat sich Ende Oktober in der Hauptfrage positiv dazu geäussert. Sie will allerdings eine Erweiterung des Gesetzeswerks; dieses solle auch die Anbieter von Künstlicher Intelligenz (KI) erfassen. Was heisst: Die KI-Branche, sofern sie Medienbeiträge verwertet, müsste ebenfalls vom Urheberrecht erfasst werden. Das wünschen die klammen Verleger ebenso sehr, doch befürchten sie eine Verzögerung des parlamentarischen Prozesses. Sie wollen möglichst bald Geld erhalten für ihre Artikel-Hinweise. Eine vom Verband in Auftrag gegebene Studie kam auf entsprechende Einnahmen in Höhe von gut 150 Millionen Franken. Die Grösse dieses Betrags dürfte indessen illusorisch sein.
Ein Risiko
Wer eine hohe Summe ins Spiel bringt, riskiert unter den jetzigen geopolitischen Verhältnissen einen Rückschlag. Mit einiger Mühe hat die Schweiz dieser Tage mit den USA einen etwas besseren Zolltarif ausgehandelt. Wie sicher die Vereinbarung ist, bleibt offen. Solange ein unberechenbarer Chef im Weissen Haus sitzt, ist ohnehin höchst ungewiss, wie lange selbst ein Vertrag seine Gültigkeit behält. Trump hat die Schweiz und die EU erfolgreich in den Schwitzkasten genommen. Wenn diese eine ihm nicht genehme Bewegung machen, wird er wieder zudrücken.
In diesem Sinne gerät auch das Leistungsschutzrecht zu einem potenziellen aussenpolitischen Störfaktor. Der US-Präsident und seine Genossen haben mehrfach angedeutet, dass sie die rechtliche Regelung der amerikanischen Konzerne in Europa als feindlichen Akt betrachten. Zumindest im Fall des Leistungsschutzrechts könnten sie gar gute Argumente geltend machen. Denn es handelt sich faktisch nicht um einen «Diebstahl», sondern um ein informelles Tauschgeschäft zwischen Medien und Plattformen.
Kommt hinzu, dass die Vereinbarung zwischen der Schweiz und den USA ein «Verbot» von Digitalsteuern auf US-Konzerne vorsieht. Als eine Digitalsteuer liesse sich das Leistungsschutzrecht durchaus interpretieren. Parlament und Verwaltung hätten darum einigen Grund, den Gesetzesprozess zu verzögern. Ob es sich lohnt, den empfindsamen Haudegen in Washington wegen dieses Themas allenfalls zu reizen und den für die ganze Schweizer Wirtschaft wichtigen Pakt zu gefährden, darf man bezweifeln. Man mag den berechtigten Wunsch haben, aus Prinzip Widerstand zu leisten. Doch der Schweiz fehlt die dazu nötige Kraft.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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