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Die Presse will Geld von Google. Ein neues Gesetz soll ihr dabei helfen. © Peggy_Marco

Google-Gesetz: grosses Schweigen

Rainer Stadler /  Die Redaktionen ignorierten ein wichtiges Anliegen der Verleger weitgehend. Ein Zeichen von journalistischer Unabhängigkeit? Nein.

Das war ein ungewöhnlicher wie auch auffälliger Schritt des Verbands Schweizer Medien. Die Lobby-Organisation der Zeitungsverleger verschickte im vergangenen Februar ein Schreiben an Chefredaktoren, Bundeshausjournalisten und Fachjournalisten. Darin wies sie auf ein Gesetzesprojekt hin, das Google und andere grosse Plattformbetreiber dazu verpflichten soll, Gebühren für die Auflistung von Hinweisen auf Online-Artikel zu bezahlen. Dabei geht es um das sogenannte Leistungsschutzrecht. Dieses sei «eines der wichtigsten (medien-)politischen Themen der nächsten Jahre in der Schweiz», teilte der Verband mit, der sich höchst selten direkt an Journalisten wendet. Die versteckte Botschaft war unüberhörbar: Achtung, liebe Tatsachenvermittler, es geht um die Wurst. Bleibt schön auf Linie!

Infosperber hat informiert

Der Infosperber hat mehrmals kritisch über das Vorhaben für ein sogenanntes Leistungsschutzrecht berichtet. Das sind die beiden neusten Artikel:

Wie Medien mehr Geld erhalten sollen.

Google-Abgaben für Medien: bequem, aber fragwürdig

Im Mai schickte der Bundesrat das Gesetzesprojekt für ein Leistungsschutzrecht in die Vernehmlassung, die am 15. September endete. Eine solche Phase ist eigentlich die Zeit, in der Redaktionen sich mit Pro und Contra eines Vorhabens der Landesregierung auseinandersetzen. Doch es war darüber kaum etwas Substanzielles zu lesen. Gewiss, es handelt sich hier nicht um ein politisches Grossthema, welches Stoff für eine seitenfüllende und tagelange Berichterstattung liefern würde. Die Sachlage ist zudem ziemlich abstrakt und spricht nicht das grosse Publikum an.

Keine Eigenleistungen

Doch die Redaktionen verbreiteten dazu auffällig wenige Informationen. Selbst grosse Organe beschränkten sich auf einen knappen Bericht, welche die Nachrichtenagentur Keystone/SDA hergestellt hatte. Auf Eigenleistungen verzichtete man weitherum. Im besten Fall referierte man kritische Vorstösse von Nationalräten. Ab und an erschien zusammenhangslos ein Lobby-Artikel, der klar im Sinne der Zeitungsverleger Stellung bezog. Selbst in Fachmedien war über das Projekt kaum etwas zu vernehmen. Und wenn, dann wurde die Berichterstattung wieder auf einen SDA-Text abgeschoben.

Kritische Stimmen zum Thema, die es auch unter Zeitungsjournalisten gibt, blieben stumm. Man wollte sie offensichtlich nicht reden lassen. Geschweige denn wurde versucht, differenzierte Analysen zu publizieren. Klar, wer nichts sagt, verbrennt sich nicht die Finger. Aus pragmatischen Gründen des eigenen Fortkommens haben Journalisten wohl guten Grund, die medienpolitischen Minenfelder zu umgehen. Aber aus Sicht der Öffentlichkeit, die über die verschiedenen Aspekte eines Themas unvoreingenommen unterrichtet sein möchte, ist solches Schweigen ein schlechtes Zeichen.

Ausnahmen

Es gibt Ausnahmen unter den Schweigern. CH-Media hat in ihren Zeitungen früh ein Pro-/Contra zur Gesetzesvorlage publiziert; der Geschäftsführer des Verlegerverbands argumentierte dafür, die grünliberale Nationalrätin Judith Bellaiche dagegen; Bellaiche ist auch Geschäftsführerin von Swico, des Verbands der digitalen Wirtschaft. Ferner äusserte sich die «Wochenzeitung» kritisch. Die wenigen Berichte vermittelten allerdings nicht den Eindruck, die Journalisten hätten die Vorlage des Bundesrats gelesen. Denn diese unterscheidet sich in einigen Punkten von den ähnlichen Vorstössen in der EU. Insbesondere war der Bundesrat darauf bedacht, eine Lösung zu finden, von der auch kleinere Medienorgane profitieren könnten.

In den vergangenen Wochen erschienen noch ein paar Artikel, die etwas genauer informierten. Der «Nebelspalter» publizierte eine kritische Analyse. Die «Weltwoche» jedoch, die gerne als Organ der Dissidenz auftritt, schwieg. Schliesslich gab noch «nau» der Kritikerin Judith Bellaiche das Wort, und die «Schaffhauser AZ» publizierte ein kontradiktorisches Gespräch. Geführt hat dies Mattias Greuter, der Geschäftsleiter der «AZ», die sowohl Mitglied des Verlegerverbands ist wie auch beim Verband Medien mit Zukunft mitmacht und somit zwei Herzen in ihrer Brust trägt. Letztere Organisation vertritt nämlich vor allem die Interessen der kleinen Online-Organe und spricht sich weiterhin gegen die Vorlage des Bundesrats aus. Sie hat grundsätzliche Bedenken und befürchtet, dass auch dieses Gesetz nur den reichweitenstarken Redaktionen dienlich wäre.

Insgesamt muss man aber feststellen: Die redaktionellen Leistungen zu diesem Thema, für das der Verlegerverband so intensiv lobbyiert, waren bisher bescheiden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Medien: Trends und Abhängigkeiten

Konzerne und Milliardäre mischen immer mehr mit. – Die Rolle, die Facebook, Twitter, Google+ spielen können

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2 Meinungen

  • am 22.09.2023 um 11:51 Uhr
    Permalink

    Wie handhabt Infosperber diese Frage? Wieviel bekommen z.B. Sie, Herr Stadler, aus diesem Fonds pro Jahr? Wie viel würde ich theoretisch für diesem Kommentar bekommen können, der ja auch eine urheberrechtlich geschützte Leistung darstellt?
    Sorry, der Kommentar scheint trollhaft, aber es interessiert mich wirklich, was es ausmacht!

    • PortraitRainerStadler
      am 22.09.2023 um 16:58 Uhr
      Permalink

      1) Es geht bei diesem Thema nicht um den Schutz ganzer Werke/Texte, sondern um die Frage, ob kleine Hinweise auf Artikel bei der Verwendug durch Tech-Plattformen vergütet werden müssen. 2) Wie das allfällig erlassene Vergütungssystem die Vergütung regeln würde, ist derzeit völlig offen. Die jetzt vorgeschlagenen Kriterien (Informationsbedürfnis usw.) sind schwammig und bedürfen erst noch der Konkretisierung.

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