Arznei-Nebenwirkungen: US-Behörde schafft mehr Transparenz
Selbst bei sehr gebräuchlichen Arzneimitteln kann es lange dauern, bis unerwünschte Wirkungen erkannt und im Beipackzettel genannt werden. Das «Arznei-Telegramm» stellte letztes Jahr ein paar Beispiele zusammen:
- Erst zwei bis drei Jahrzehnte nach der Markteinführung berichtete eine Studie über gehäuftes Auftreten von Karpaltunnelsyndrom bei Personen, die gängige Osteoporose-Medikamente (sogenannte Bisphosphonate) einnahmen.
- 30 Jahre nach der ersten Markteinführung deckte eine Studie auf, dass nach der Behandlung mit bestimmten Antibiotika (Gyrasehemmer) öfter Risse und Ausbuchtungen (Aneurysmen) an der grossen Körperschlagader auftreten.
- Etwa ein Jahrzehnt nachdem bestimmte Medikamente (Dopaminagonisten) gegen Parkinson eingeführt wurden, stellte sich heraus, dass sie bei manchen Patienten zur Spiel- oder Sexsucht führen. Betroffene verloren teils grosse Geldsummen und ihren guten Ruf.
- Bei den gebräuchlichen «ACE»-Blutdrucksenkern vergingen viereinhalb Jahre, bis Husten als mögliche Nebenwirkung erkannt wurde. Dies, obwohl diese lästige, unerwünschte Wirkung häufig oder sogar sehr häufig auftritt. «Sehr häufig» bedeutet, dass mindestens 10 Prozent der Behandelten davon betroffen sind.
- Über 25 Jahre dauerte es, um zu festzustellen, dass das Brustkrebs-Medikament Letrozol zu Sehnenschäden führen kann.
Unbekannte Nebenwirkungen führen dazu, dass unter Umständen aufwändige Abklärungen stattfinden, dass die Patienten falsch behandelt werden und weitere Medikamente erhalten, um die nicht bekannte Nebenwirkung zu behandeln. Die richtige Therapie wäre jedoch, eine bessere Alternative für das Medikament zu suchen, das die unerwünschte Wirkung verursacht.
Es sei davon auszugehen, dass bei neuen Medikamenten in der Regel nicht alle Nebenwirkungen bekannt seien. Aber auch bei lange gebräuchlichen seien vermutlich nicht alle relevanten Nebenwirkungen im Beipackzettel aufgeführt, so das «Arznei-Telegramm». Insbesondere bei seltenen unerwünschten Wirkungen oder bei solchen, die mit zeitlicher Verzögerung auftreten, ist es schwierig, einen Zusammenhang mit einem Medikament zu erkennen.
Unter dem neuen US-Gesundheitsminister Robert Kennedy Jr. macht die US-Arzneimittelbehörde FDA nun einen wichtigen Schritt: Sie wolle «radikal Transparenz» schaffen. Ab sofort legt die FDA offen, welche Verdachtsmeldungen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen täglich bei ihr eingehen. Bisher sei dies erst nach monatelanger Verzögerung geschehen. Damit will die FDA dazu beitragen, dass mögliche Sicherheitsprobleme bei Medikamenten rascher als bisher entdeckt werden. Schätzungsweise jede zehnte Spitaleinweisung weltweit geht auf eine Arzneimittel-Nebenwirkung zurück.
In der öffentlich zugänglichen Datenbank der FDA mit über 31 Millionen Einträgen kann jedermann nach Verdachtsmeldungen zu bestimmten Wirkstoffen oder Präparaten suchen. Ein grosses Problem beseitigt das rasche Veröffentlichen der Verdachtsmeldungen indes nicht: Nur schätzungsweise rund 10 bis 15 Prozent der Nebenwirkungen werden überhaupt gemeldet – obwohl Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz dazu verpflichtet wären.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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