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Wer die «Tagesschau» zeitversetzt sehen will, muss sich künftig zuerst Werbespots anschauen. © Marco Diener

Die SRG verärgert Gebührenzahler mit Zwangswerbung

Marco Diener /  Replay-Fernsehwerbung sei «nutzerfreundlich», behauptet die SRG. Das Gegenteil trifft zu.

Viele private Fernsehsender tun es seit Jahren, die SRG-Fernsehsender ziehen im November nach: Sie zwingen den Zuschauerinnen und Zuschauern, die Sendungen zeitversetzt sehen möchten, Werbespots auf. Replay-Fernsehwerbung nennt sich das. Bisher konnten die Zuschauer auf den SRF-Sendern die Werbung überspringen.

Konkret bedeutet die Neuerung:

  • Wer eine Sendung zeitversetzt sehen möchte, muss vorher Werbespots über sich ergehen lassen.
  • Wer die Pausentaste drückt, dem wird Werbung in Form eines Standbilds eingeblendet.
  • Wer vorspult, bekommt einen Werbeblock vorgesetzt, ehe er weiterschauen kann.

Mit anderen Worten: ein Ärgernis.

In einer Medienmitteilung schreibt die SRG: «Bei der Weiterentwicklung des nun in der Branche vereinbarten einheitlichen Modells wurde eine möglichst nutzerfreundliche Umsetzung angestrebt.»

Infosperber wollte von der SRG wissen, was daran «nutzerfreundlich» sein soll. Die SRG schreibt: «Replay-Fernsehwerbung kann nach programmlichen Kriterien (Sender, Sendung) platziert werden. Nutzer sehen somit eher Werbeanzeigen, die den eigenen Interessen und Neigungen entsprechen.»

SRF nannte es einst Zwangswerbung

Dass die SRG die Replay-Fernsehwerbung als «nutzerfreundlich» bezeichnet, ist ein Hohn. Und das wissen die SRG-Verantwortlichen wahrscheinlich selber auch. Vor drei Jahren bezeichnete die SRF-Tagesschau die Replay-Fernsehwerbung noch als Zwangswerbung.

In ihrer Medienmitteilung geht die SRG denn auch nicht ins Detail. Deshalb tut das Infosperber: Der Werbeblock beim Start einer Sendung kann dreissig Sekunden dauern. Beim Vorspulen sogar zwei Minuten und zehn Sekunden. Immerhin gibt es beim Zurückspulen keine Werbung.

Wie eine Werbeagentur

Die SRG hört sich mit dem Gerede von der angeblichen Kundenfreundlichkeit beinahe an wie eine Werbeagentur. Eine solche ist Adconnect aus St. Gallen. Adconnect schreibt zur Replay-Fernsehwerbung sogar: «Mit der Einführung der Replay-Ads soll das Zuschauererlebnis verbessert werden.» Dabei trifft wohl das Gegenteil zu: Viele Zuschauer nutzen die Fernsehsendungen gerade deshalb zeitversetzt, weil sie damit die Werbung überspringen können. Replay-Fernsehwerbung verbessert das Zuschauererlebnis nicht. Sie verschlechtert das Zuschauererlebnis.

Dass Fernsehwerbung unbeliebt ist, ist auch der Werbebranche nicht verborgen geblieben. Adconnect schreibt: «Der Grossteil der Zuschauer, die zeitversetzt Fernsehinhalte konsumieren, vermeidet Werbung.» Und die Werbevermittlerin Mediatronic hält fest: «Um Massnahmen gegen das Überspulen von Werbeblöcken zu ergreifen, mussten die Vermarkter reagieren.»

Mehr Werbung, weniger Ertrag

Die SRG hat ein Problem mit den Werbeeinnahmen, obwohl sie gegenüber den anderen deutschsprachigen Staatssendern privilegiert ist. Unterbrecherwerbung ist in Deutschland und Österreich untersagt. In Deutschland gibt es keine Werbung an Sonn- und Feiertagen. Und auch an Werktagen nur bis 20 Uhr.

Und trotzdem läuft es nicht. Zwar strahlen die SRG-Fernsehsender immer mehr Werbung aus. In den letzten 25 Jahren haben sie die Werbeminuten beinahe verdoppelt. Aber die Einnahmen sanken fast auf die Hälfte.

Jahr
Werbezeit
(in Minuten pro Jahr)
Werbeeinnahmen pro Jahr
(in Millionen Franken)
19991562ca. 400
20042072395
20091934354
20142850396
20192498283
20242968240

Quellen: Bakom und BfS.

Nun will die SRG den «Rückgang im klassischen Fernseh-Werbemarkt mindestens teilweise kompensieren» – mit der Replay-Fernsehwerbung. Die SRG-Fernsehsender sollen «für Werbetreibende nochmals attraktiver gestaltet werden», schreibt die SRG.

Doppelt so teuer

Die Sache könnte durchaus lukrativ sein. Vor drei Jahren schrieb die Werbevermittlerin Mediatronic, eine Replay-Fernsehwerbung sei im Durchschnitt doppelt so teuer wie ein prominent platzierter herkömmlicher Werbespot. Es bestehe aber auch das «Risiko, ein Publikum zu verärgern», weil es künftig zum gleichen Preis «Werbung hinnehmen muss».

Und genau das ist ein wichtiges Stichwort: der Preis. Es wird nämlich auch künftig möglich sein, SRF-Fernsehsendungen zeitversetzt und ohne Werbung anzuschauen. Aber das kostet. Quickline, Salt, Sunrise, Swisscom und Yallo verlangen dafür zwischen sieben und zehn Franken pro Monat.


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Argumente zur Rolle und zur Aufgabe der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG.

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4 Meinungen

  • am 18.08.2025 um 10:53 Uhr
    Permalink

    Wie so oft in den letzten Jahren ist das einzige, was die SRG schafft, die eigenen Zwangsfinanzierer (Zuschauer?) zu verärgern. Wenn das auch noch als Kundenfreundlich beworben wird, so wird es höchste Zeit, bei dem Kader der SRG ein paar Köpfe rollen zu lassen, so viel Arroganz ist schlicht unangebracht.

    • am 19.08.2025 um 16:27 Uhr
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      Es erscheint mir, ich werde genötigt etwas zu schauen, was ich eventuel gar nicht möchte, ich habe nicht die Freiheit selber zu entscheiden. Für mich grenzt das an Nötigung, und meiner Meinung ist das strafbar. Die andere Möglichkeit ist die Gebüren in dem Fall ganz zu streichen.

  • am 18.08.2025 um 15:35 Uhr
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    Mich stört gute Werbung nicht aber wenn ich die gleiche Werbung zum tausensten Mal sehen muss ist das für mich eine Vergewaltigung.
    Man sollte das erscheinen der gleichen Werbung beschränken zB auf 100x

  • am 19.08.2025 um 07:37 Uhr
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    Die Programme der SRG würden vermutlich mehr konsumiert, wenn diese werbefrei währen. Man erinnere sich, SRF info war mal werbefrei und mit der no Billag initiative versprach die SRG auf Unterbrecherwerbung in Spielfilmen zu verzichten. Aber was interessiert mich das Geschwätz von gestern… Albert Rösti hätte im Gegenvorschlag besser auch den Werbeverzicht bei Gebührensender manifestiert. Dann könnten sich Private und SRG selbst entscheiden, ob sie lieber Werbung oder Gebühren wollen. Die Gebühreneinzugszentrale Serafe, welche auch noch 18 Mio. absahnt, hätte man mit opt-out identisch wie die Kirchensteuer handhaben können. So hätte auch der Zuschauer einen echten Mehrwert erhalten.

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