Sprachlupe: Kleider machen Frauen*. Was macht * am Wortende?
Eine Ankündigung zum «Frauen*-Kleidertausch» in Bern-Bethlehem trieb kürzlich einen Leser des Quartierblatts «Der Wulchechratzer» zum Protest gegen den «unsinnigen Genderstern». Die Redaktion wies ihn darauf hin, sie habe nur den Namen des Projekts unverändert aufgeführt, selber aber «Frauen» ohne Sternchen geschrieben. Was es mit dem Namen auf sich habe, liess sie eine Veranstalterin gleich selber erklären: «Das Gendersternchen (*) bei Frauen* verwenden wir, um sprachlich sichtbar zu machen, dass es nicht nur cis Frauen (also Frauen, die sich mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren) gibt, sondern auch trans Frauen, intergeschlechtliche, nicht-binäre und andere Menschen, die sich als Frauen verstehen.»
Solche «Frauen*» waren mir zuvor erst einmal begegnet: vor bald zwei Jahren in einer anderen Berner Publikation, beim Bericht über das Referat einer Professorin. Ich fragte daher bei der Autorin nach, was gemeint gewesen sei und wie es geklungen habe. Sie erklärte: «Mit Frauen* sind alle gemeint, die sich selber als Frauen empfinden.» Auch räumte sie ein, sie habe das Sternchen aus eigenem Antrieb eingesetzt. Damit konnte die Frage nach der Aussprache unbeantwortet bleiben. Im Wortinnern soll das Sternchen ja als Glottisschlag hörbar werden, einer kurzen Pause mit – bei manchen Leuten hörbarem – Knacken. Aber am Wortende? Sicher kein Schnalzen, gerade nach Frauen.
Sind Weisse Menschen immer weiss?
Da Sprache von sprechen kommt, beschäftigt es mich weiter, wie derlei Signale im Schriftbild beim Vorlesen klängen. Ein anderes Beispiel liess mich schon 2021 rätseln: «Mit Buchstaben Schwarz oder weiss malen». Leicht abgewandelt, tauchten die antirassistisch gemeinten Adjektive neulich im «Magazin» auf, beim Porträt einer jüngst gestorbenen, prominenten Kuratorin, versehen mit dieser Erklärung: «Im Sinne Koyo Kouohs schreiben wir ‹Schwarz› und ‹Weiss› in diesem Text gross, um zu signalisieren, dass es sich um gesellschaftlich konstruierte Kategorien handelt und nicht um objektive Bezeichnungen von Hautfarben.» Die nächste Nummer wies wieder diese Schreibweise auf, bei einem verwandten Thema und ohne Gebrauchsanweisung.
Dass weiss anderswo korrekt klein, aber kursiv geschrieben wird, erklärt ein einschlägiges Glossar so: «Als weisse Menschen bezeichnen wir jene, die nicht von Rassismus betroffen sind.» Ich fand schon 2021: «Mit den Schreibweisen auszudrücken, wie ein bestimmter Ausdruck gemeint ist, trägt nur dann zur Klärung bei, wenn die Definition gleich mitgeliefert wird. Der Versuch, mit typografischen Besonderheiten den allgemeinen Sprachgebrauch anzureichern, übergeht Regeln und überlädt das Fuder.»
Die eigene Einstellung signalisieren
Mit dieser Ansicht steht man bei weitem nicht allein. Ein gutes Beispiel liefert ein Gutachten der Professorin Katerina Stathi (Universität Münster) zum Thema Gendersprache im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zitiert in einem VDS-Infobrief gestützt auf «Die Welt»: «Sprache sei laut Stathi gerade deswegen so leistungsfähig und praxistauglich, weil sie an vielen Stellen abstrahiere: ‹Explizit kodiert wird das, was gerade für eine kommunikative Situation relevant ist. Andernfalls wird die Kommunikation mit Informationen überfrachtet.› Etwa dem unablässigen Bezug auf Geschlechtszugehörigkeiten.»*
Auch wer seine Ausdrucksweise möglichst eng auf den momentanen Zusammenhang zuschneidet, zeigt mit der Wortwahl oft ein Stück seines Weltbilds. Im Schriftbild zusätzliche Markierungen anzubringen, mag die eigene Einstellung betonen, aber es erschwert das Verständnis – erst recht dann, wenn es mündlich nicht funktioniert. Vielleicht werden wir bald sehen, dass jemand Sternchen in die Luft zeichnet, wie es bei Anführungszeichen Mode geworden ist. Eine Kursivstelle zeigt man beim Reden, indem man in Schräglage kippt; für eine falsche, aber beabsichtigte Grossschreibung hüpft man auf. Besonders lustig wird das, wenn jemand im Zug telefoniert. Manche Leute gestikulieren ja auch ohne Sichtverbindung.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Ja diese Fixierung auf Sprache ist mühsam. Denke dient hauptsächlich als Code, zum zeigen dass man ganz sicher zu Guten gehört. Im Umkehrschluss sind dann aber alle anderen, welche sich diese Mühe nicht machen, automatisch suspekt und ausschlissenswert. Fragwürdige Entwicklung. Denke auch, dass sie faktisch ins Leere läuft denn wenn man aktuellen Zahlen glauben schenken will, ist Rassimuss auf dem Vormarsc, obwohl praktisch niemand mehr das N-Wort, das Z-Wort, das E-Wort oder das I-Wort ausspricht, jedenfalls nicht in urbanen Gegenden.
Persönlich gehts mir nur noch auf den Sack. Interessant finde ich auch, das bei den selbsternannten Toleranten, «Cis-Mann», eigentlich als Schimpfwort gilt. Kann das ganze nicht mehr ernst nehmen.
Geniale Beschreibung! Vielen Dank, Herr Goldstein, für Ihre immer wieder zum Nachdenken anregenden Beiträge.
Genial! Ich habe mir den letzten Abschnitt vor Augen geführt und gelacht….Ein echte Komiknummer.
Diese Genderei ist erst vier Jahrzehnte alt, wie die folgende Liste offenbart:
1984 wurde in der Schweiz die erste Frau in den Bundesrat gewählt.
1990 bekam das Vereinigte Königreich die erste Frau als Prime Minister.
2005 zog die erste Frau ins Bundeskanzleramt Deutschlands.
Margaret Thatcher wurde nicht «Prime Ministress»,
aber Elisabeth Kopp «Bundesrätin», Angela Merkel «Bundeskanzlerin»,
Danach gab es kein Halten mehr. Vor lauter immer mehr «Geschlechtern» in der Sprache machten wir das Gestrüpp immer neuer Zeichen immer dichter: Schrägstrich, Unterstrich, Sternchen, Doppelpunkt, -ende.
Die Meinung, im Englischen gäbe es für die Personenbezeichnungen keine feminine Movierungssuffixe, ist falsch: «ministress» entspricht genau unserem «Ministerin». Es waren die englischen Frauen selbst, die sich gegen die ständige Sichtbarmachung ihres Geschlecht gewehrt haben. Hoffentlich bleiben sie damit auch in Zukunft so erfolgreich und zeigen uns damit, dass ihre Strategie die bessere ist.