«All die Sonderinteressen schaden der Politik»
Es ist eine Volksinitiative, wie sie im Buche steht: Der Krienser Roland Schwizer will die Schweizer Politik verändern. Und zwar bisher fast allein. Infosperber hat sich mit ihm unterhalten.
Herr Schwizer, wer steht hinter der No-Lobbying-Initiative?
Wir sind elf Privatpersonen, befreundete Pärchen, Kolleginnen und Kollegen. Allesamt aus dem Raum Luzern. Organisationen sind bisher keine involviert.
Weshalb?
Ich habe verschiedene Organisationen, Netzwerke und Parteien angefragt. Einige sagten, sie planten schon länger eigene Initiativen, seien aber immer noch am Abklären. Doch was aus diesen wird, kann ich nicht beurteilen. Ich wollte nicht länger warten. Für mich ist jetzt die richtige Zeit zu handeln.
Sie machen alles selber?
Ja, ich habe bei der Bundeskanzlei die nötigen Unterlagen bestellt und die Leute zusammengetrommelt, um ein Initiativkomitee zu gründen. Ich schrieb auch verschiedene Parlamentsmitglieder und Juristen an. Leider ohne Erfolg. Also verfasste ich den Initiativtext selber. Unsere Website habe ich zum Teil selbst und auf meine Rechnung aufgebaut. Derzeit suche ich Netzwerke, Verbündete und Geldgeber, um die Initiative einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen und schlussendlich Unterschriften zu generieren. Ich bin bereit, die nächsten zwei Jahre viel für die Initiative zu arbeiten. Es könnte eine schöne Aufgabe in der Pension werden. Derzeit ist der Aufwand in der Freizeit und am Abend noch überschaubar.
Was ist ihr beruflicher und politischer Hintergrund?
Ich arbeite im kaufmännisch-technischen Bereich als Teamleiter einer Einkaufsorganisation einer weltweit operierenden Produktionsgesellschaft. Politisch bin ich sehr interessiert und war früher für die damalige CVP im Einwohnerrat von Kriens.
Was will die Initiative?
Sie will zwei Dinge: Erstens, dass Parlamentsmitglieder mit Interessenbindungen nicht in Kommissionen Einsitz nehmen dürfen, wo Geschäfte behandelt werden, welche diese Interessen betreffen. Und zweitens, dass Parlamentsmitglieder mit Interessenbindungen bei Debatten in den Ausstand treten, wo dies ebenfalls gegeben ist. Wer aus seinen Nebenämtern einen wirtschaftlichen Nutzen zieht, soll schlicht nicht die entsprechenden Gesetze beeinflussen. Deshalb fordern wir auch mehr Transparenz über die Interessenbindungen und geldwerten Leistungen. Es kann nicht sein, dass ein Verwaltungsrat einer Krankenversicherung mitentscheiden kann, wie wir die Krankenkassen regulieren.
Diskutiert wird im privaten Rahmen oft und viel. Was gab bei Ihnen den Ausschlag, eine Initiative zu wagen?
Ehrlich gesagt, haute es mir den Nuggi raus, als ich las, dass der Luzerner Ständerat Damian Müller neben all seinen Ämtern auch noch Verwaltungsratspräsident des Spitals Luzern werden wollte. Dies brachte für mich das Fass zum Überlaufen.
Weshalb?
Es war einfach ein Ämtli zu viel. All die Sonderinteressen schaden der Politik. Zudem stört mich vor allem, dass wir als Stimmbürger nie dazu befragt wurden, ob wir es gut finden, wenn Politiker mit privat bezahlten Mandaten in Kommissionen weitreichende Entscheidungen fällen, die vor allem den jeweiligen Geldgebern dienen. Wir wählen Politiker und Politikerinnen, damit sie die Interessen der Schweizer Bevölkerung vertreten und nicht die Meinungen der Geldgeber. Das möchten wir ändern.
Was sagen die Parlamentarier?
Mögliche Betroffene äusserten sich gegenüber «20 Minuten» abschlägig zur Initiative. SVP-Nationalrat Gregor Rutz, der unter anderem für die Tabakindustrie und den Hauseigentümerverband lobbyiert, behauptet, sie würde der Schweiz ein Berufsparlament bescheren. Es sei gewollt, dass Parlamentarier wie er ihre Erfahrungen aus dem Berufsleben einbringen. Ausserdem seien Berufspolitiker korruptionsanfälliger als Milizpolitiker.
Auch andere Parlamentsmitglieder äussern ähnliche Argumente. «Wir müssen im Parlament wissen, von was wir reden», sagt etwa Mitte-Nationalrat Martin Candinas. Dabei unterschlagen die Politiker, dass sie bereits gut entschädigt sind für die Arbeit im Parlament. Und dass die Initiative die Konsultation von ExpertInnen oder Interessenverbänden ausserhalb des Parlaments nicht verbieten würde.
Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt sagte, die Initiative stelle ein wichtiges Thema zur Diskussion. Sie setzte aber ein Fragezeichen hinter die Definition der Interessenbindungen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Neokorporatismus wird leider als Muss für eine funktionierende Demokratie vorausgesetzt, weshalb solch ein Vorhaben (welches ich nebenbei gesagt vollumfänglich unterstütze) wohl nur kleine Chancen hat. Trotzdem sollten wir es versuchen.
Als Alternativen sehe ich nur:
– Ein rechtlich bindendes und öffentlich einsehbares Register mit ALLEN Interessenbindungen von Politikern
– Ein Verbot der gleichzeitigen Ausübung von politischen Ämtern und wirtschaftlichen Tätigkeiten (mir ist die Problematik einer solchen Forderung bewusst aber die Forderung kann hoch sein und dann in abgeschwächter Form verhandelt werden)
– Eine Karenzzeit im Übergang zwischen Politik und Privatwirtschaft (einige Staatsrechtler sprechen von 5 Jahren, von Arnim)