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Heinz Karrer (Axpo bis 2014), Kurt Rohrbach (BKW bis 2013), Giovanni Leonardi (Alpiq bis 2011) © -

Die Frechheit der Strombarone ist unschlagbar

Kurt Marti /  Sie haben Milliarden in den Sand gesetzt. Jetzt sollen die Stromkonsumenten für die Fehler der Strombarone 600 Millionen blechen.

Die Strombarone sind entzückt, weil die Energiekommission (UREK) des Nationalrats auch die grossen Wasserkraftwerke mit 600 Millionen Franken aus dem Öko-Topf der Kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) subventionieren will. Das heisst die Stromkonsumentinnen und Stromkonsumenten werden zur Kasse gebeten. Auch der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) jubiliert und würde gerne noch mehr Wasserkraft-Subventionen einheimsen, insbesondere für die unrentablen, milliardenteuren Pumpspeicherwerke.

Theorie und Praxis klaffen weit auseinander

Ganz anders äussert sich der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse und dessen VR-Präsident Heinz Karrer: «Das Subventionskarussell dreht immer schneller und reisst so stetig grössere Löcher in die Rechnungen der Kraftwerksbetreiber und der Verbraucher.» Pikantes Detail: Die grossen Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW stehen auf der Mitgliederliste sowohl des VSE und der Economiesuisse. Eigentlich wäre auch der VSE und sein VR-Präsident Kurt Rohrbach für einen «verzerrungs- und subventionsfreien Markt».

Doch leider klaffen auch hier Theorie und Praxis weit auseinander. Einig sind sich VSE und Economiesuisse jedoch bei den Ursachen der Wasserkraft-Subventionen, nämlich den «tiefen Strompreisen, die von den Subventionen Deutschlands ausgehen», wie der Wirtschaftsdachverband in seiner Medienmitteilung festhält. Ein ziemlich dreistes Ablenkungsmanöver wie der folgende Rückblick auf die Jahre zwischen 2000 und 2010 zeigt. Vor allem weil Karrer und Rohrbach zu den damals Hauptverantwortlichen der Stromwirtschaft zählten.

Wasserkraft-Gewinne wurden verspekuliert

In der ersten Dekade dieses Jahrtausends fuhren die Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW stets höhere Gewinne ein, und zwar vor allem dank der günstigen und flexiblen Wasserkraft. Der verteilbare Gewinn der Schweizer Stromwirtschaft stieg von 776 Millionen Franken (2000) auf astronomische 5,6 Milliarden Franken (2009) an, der Reingewinn von 652 Millionen (2000) auf 3,9 Milliarden, der Aussenhandels-Saldo von 468 Millionen (2000) auf 2,1 Milliarden (2008). Dank der Wasserkraft schwammen die Stromkonzerne und deren Aktionärs-Kantone im Geld.

Statt diese Wasserkraft-Gewinne verantwortungsvoll für zukünftige Investitionen in die Wasserkraft bereit zu stellen, investierten die grossen Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW Milliarden-Beträge tollkühn in ausländische Gaskraftwerke und inländische Pumpspeicherwerke – mit dem Segen der Verwaltungsräte, welche oft gleichzeitig als Regierungsräte kantonale Finanzinteressen vertraten. Der langjährige Solothurner FDP-Regierungsrat und Alpiq-Vize-Präsident Christian Wanner ist dafür ein Paradebeispiel.

Nach der Strom-Party der Bettelstab

Ab dem Jahr 2010 ging die rauschende Strom-Party ihrem Ende entgegen. Die Stromkonzerne mussten Wertberichtigungen in Milliardenhöhe vornehmen. Allein der Alpiq-Konzern musste in den Jahren 2011 und 2012 insgesamt drei Milliarden Franken abschreiben und wies einen Verlust von 2,4 Milliarden Franken aus. Die Gaskraftwerke im Ausland fuhren Riesen-Verluste ein und die inländischen Pumpspeicherwerke galten plötzlich als unrentabel. Wegen den rückläufigen Gewinnen und den verspekulierten Milliarden hausierten die stolzen Strombarone mit dem Bettelstab und verbreiteten das Märchen von der unrentablen Wasserkraft.

Die verantwortlichen Strom-Manager der Boom-Jahre heissen Heinz Karrer (Axpo-CEO bis 2014), Kurt Rohrbach (BKW-CEO bis 2013) und Giovanni Leonardi (Alpiq-CEO bis 2011). Sie kassierten prächtige Saläre. Am buntesten trieb es Alpiq-Chef Leonardi mit einem Salär von rund 2 Millionen Franken (2011). Einer nach dem anderen verliess das sinkende Schiff: Leonardi wechselte in den Vorstand von Pro Natura Aargau und tut dort Busse. Seit Anfang Juli ist er VR-Präsident der Azienda elettrica ticinese (AET). Karrer flüchtete zur Economiesuisse und Rohrbach stieg zum Vize-Präsident der BKW auf, wo er im Jahr 2013 grossartige 638 000 Franken einkassierte.

Mehr Regulation für die Schönwetter-Apostel des Marktes

Ohne die Auslandabenteuer der Stromkonzerne wären heute die finanziellen Mittel für die Wasserkraft spielend vorhanden. Stattdessen müssen die Stromkonsumentinnen und Stromkonsumenten für die Fehler der Strombarone geradestehen und 600 Millionen blechen. Und die meisten Medien verbreiten deren Ammenmärchen ungefiltert, statt die Frage der Verantwortung zu stellen. Dabei wäre es höchste Zeit, dass die politischen Lehren aus diesem Milliarden-Debakel gezogen würden. Im Klartext: Die Schönwetter-Apostel des Marktes brauchen dringend eine stärkere, staatliche Regulation.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Politik der Stromkonzerne

Elektrizitätsgesellschaften verdienen am Verkaufen von möglichst viel Strom. Es braucht endlich andere Anreize.

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4 Meinungen

  • am 29.08.2014 um 09:40 Uhr
    Permalink

    Statt zu subventionieren sollten die externen Kosten der Energieträger internalisiert werden. Seit 20 Jahren lassen wirksame Lenkungsabgaben im Umweltbereich auf sich warten.

  • am 29.08.2014 um 12:15 Uhr
    Permalink

    Genau so ist es, Ruedi Meier. Und wem haben wir das zu Verdanken?: Nicht zuletzt der Energiewirtschaft! Dann allerdings im Verbund mit der Industrie-Lobby (dessen Dachverband die Unverfrorenheit hat, sich Economie Suisse zu nennen).

    Kurt Marti hat doppelt Recht: Erstens ist die Frechheit der Strombarone tatsächlich kaum zu überbieten. Zweitens verbreiten die anderen Schweizer Medien (praktisch alle ausser Infosperber) die «Ammenmärchen» der Strombarone in einem Mass ungefiltert, dass es schlimmer ist als Selbstzensur es wäre.

    Schade nur, dass der grösste (Möchtegern-)Übeltäter der Branche, die Bündner Repower im Artikel nicht zur Sprache kommt. Noch immer verschleudert das Retro-Management als letztes der Schweiz Millionen mit der Entwicklung des Gigawatt-Kohlekraftwerks in Kalabrien, eines Gaskraftwerks in Deutschland und des Giga-Pumpspeichers Lagobianco. Da wird ein Unternehmen in den Abgrund gesteuert und Mitarbeiter werden in Zahl entlassen. Die Managerlöhne der oberen Retropowerer bleiben jedoch fürstlich, egal wie verheerend sich die Bilanz des Unternehmens entwickelt. Während es bei Alpiq, BKW und Axpo zumindest Ansätze von Besserung gibt, verweigern sich bei Re(tro)power Manager und Verwaltungsrat weiterhin starr jeder Einsicht.

  • am 29.08.2014 um 16:06 Uhr
    Permalink

    Der Artikel ist richtig – aber einseitig und kurzfristig ausgelegt.
    Insbesondere was die heutigen Investitionen in die Pumpspeicher angeht, so ist dieses Geld richtig angelegt; ich schätze, dass spätestens in 15-20 Jahren, wenn auch Solarstrom aus Nordafrika von Marokko, Algerien und Tunesien grossmssstäblich zur Verfügung gestellt werden wird, diese Pumpspeicherkraftwerke zusammen mit intrinsisch sicheren , salzgekühlten Thorium-Kernreaktoren und Transmutatoren nach Rubbia die zur Netzstabilität notwendige Nacht- und Bandenergie lieferen werden können, die heute noch die enorm klimaschädlichen fossilen Erdgaskraftwerke und Kohlekraftwerke sowie die gefährlichen klassischen Kernreaktoren sicherstellen. Ich schätze gar, dass dann von einer Erhöhung der Dixence-Staumauer auf 500 m die Rede sein wird.
    Die Frechheit – da geb ich Kurt Marti recht – ist die Dreistigkeit der Forderungen der trotz allem noch immer profitablen Wasserkraftwerke. Es läge an der Eidgenossenschaft, hier, statt Subventionen, billige Darlehen bereit zu stellen, die auch als Vorschuss für eine später gut mögliche notwendige Verstaatlichung verstanden werden könnten. Zudem ist in letzterem Sinne die hanebüchene ideologisch geprägte Dummheit der erzwungen Auftrennung in Produktions- und Netzbetreibergesellschaften schnellstmöglich rückgängig zu machen

  • am 29.08.2014 um 22:09 Uhr
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    Diese Frechheit hat bei Swissair und UBS bestens funktioniert. Wieso sollten da weitere, die über willige Knechte im Parlament verfügen, nicht auch zugreifen?

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