Kommentar

Heinz Karrer ist genau der richtige Wasserprediger

Kurt Marti © Christian Schnur

Kurt Marti /  Was Economiesuisse am besten kann, ist auch die grosse Stärke des neuen Präsidenten: Wasser predigen und Wein trinken!

Ist es nicht verwunderlich, wenn der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse den Chef eines 100-prozentigen Staatsbetriebes zum neuen Präsidenten wählt? Den Chef des Monopol-Konzerns Axpo, der bisher das unternehmerische Risiko elegant auf die gefangenen Stromkundinnen und -kunden abwälzen konnte? Einen Axpo-Chef, der planwirtschaftliche Investitionen von über zwei Milliarden Franken in ein Pumpspeicherwerk tätigt, das bereits vor der Inbetriebnahme als unrentabel gehandelt wird und nach öffentlichen Subventionen schielt? Einen Spitzenmanager, der hunderte von Millionen Franken in heute unrentable Gaskraftwerke in Unteritalien investierte? Und der hartnäckig auf die veraltete Atomtechnologie mit ihren milliardenschweren Altlasten setzte und dabei den innovativen Pfad der erneuerbaren Energien völlig verpasste?

Glaubensbekenntnis des freien Marktes

Ist also der neue Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer beim Wirtschaftsverband nicht völlig fehl am Platz? Bei einem Verband, der den freien Markt und den Staatsabbau auf sein Banner geschrieben hat? Nein, keineswegs! Im Gegenteil! Als Karrer im Jahr 2002 Axpo-Chef wurde, betete er gleich das Glaubensbekenntnis der Liberalisierung des Strommarktes herunter. Ein paar Jahre ging das gut. Die Axpo fuhr satte Gewinne im europäischen Stromhandel ein und investierte übermütig Milliarden in Pumpspeicher- und Gaskraftwerke.

Die Schettinos verlassen das sinkende Schiff

Warnungen zu den riskanten Pumpspeicherwerken wurden in den Wind geschlagen, auch jene des renommierten ETH-Institutes Centre for Energy Policy and Economy (CEPE). Stattdessen wiederholte Karrer die ewige Leier der Stromlobby von der Stromknappheit und der drohenden Stromlücke. Es kam ganz anderes: Die Stromschwemme ist harte Realität und die sinkenden Preise untergraben das internationale Geschäftsmodell der Axpo.

Der Axpo-Chef hat sich gewaltig verschätzt. Er war nicht der einzige, aber der mächtigste unter den Schönwetter-CEO der Strombranche. Jetzt verlassen die Schettinos das sinkende Schiff. Bereits früher ist der Strombaron und Alpiq-Chef Giovanni Leonardi geflohen und tut heute Busse im Vorstand von Pro Natura Aargau.

Marktwirtschaft à la carte

Karrer predigt Wasser und trinkt Wein. Genau wie der Wirtschaftsdachverband, der am Sonntag den heiligen Markt preist und wochentags exakt das Gegenteil davon tut, nämlich eine wettbewerbsfeindliche Kartellpolitik mit überhöhten Importpreisen. Ebenso hartnäckig ist der Kampf der Hüter des Marktes gegen günstigere Parallelimporte und gegen eine Postbank. Marktwirtschaft à la carte. Immer im Interesse der Pharmakonzerne und der Grossbanken, gegen die Interessen der Konsumentinnen und Konsumenten.

Vorzüglich in dieses Bild passt auch die destruktive und gewerbefeindliche Abwehrstrategie von Economiesuisse gegen die bundesrätliche Energiestrategie 2050 und das Credo für neue Atomkraftwerke. Auch das ist kein Wunder, denn die Stromkonzerne Axpo und Alpiq bestimmen zusammen mit den industriellen Stromkunden den energiepolitischen Kurs von Economiesuisse. Gegen die Interessen der kleinen Stromkunden und gegen das Gewerbe im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz. Mit Karrers Wahl treten Wahlverwandtschaften zu Tage, die auch in Zukunft weiter wirken werden. Zum Schaden der Volkswirtschaft und letztlich zum Schaden von Economiesuisse, deren Niedergang auch der nette Karrer nicht aufhalten kann.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

Stromleitungd

Die Politik der Stromkonzerne

Elektrizitätsgesellschaften verdienen am Verkaufen von möglichst viel Strom. Es braucht endlich andere Anreize.

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4 Meinungen

  • am 13.09.2013 um 13:57 Uhr
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    Obwohl etwas oekologisch und blauäugig gefärbt, darf man dem Kommentar von Kurt Marti beipflichten! Allerdings ist festzuhalten, dass bei einer bundesrätlichen Energiestrategie 2050 die Schettinos und Schnettinas im Bundesrat und anderswo altershalber längst von der Brücke, resp. vom sinkenden Schiff einer glaubwürdigen Schweizerischen Energiepolitik gesprungen sein dürften, BR Leuthard wird zu diesem Zeitpunkt 87 Jahre alt sein……..

  • am 14.09.2013 um 21:49 Uhr
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    Warum gibt es niemand, der versucht die grossen Stromkonzerne links liegen zu lassen. Längst produzieren viele ihren eigenen Strom, die Technik diesen zu speichern oder im Ausnahmefall auf einfache Weise zu produzieren, ist billig erhältlich. Wenn prozentual ein paar wenige Abnehmer aus dem Machtbereich dieser Monopolbarone verschwinden, ändert sich die Welt.

  • am 15.09.2013 um 04:23 Uhr
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    Die Energieversorgung, die Krankenkassen, die Post, die Bahn, die Börse und die Banken gehören in die Hände des Staates. Und wenn wir schon dabei sind. Die Armee ist in eine Berufsarmee um zu bauen. Statt die teuren Flieger würde es sich für ein neutrales Land geziemen die weitaus günstigeren Boden-Luftabwehreinheiten aus zu bauen und auf Drohnen zu setzen. Ein bemannter Flieger hat in Sachen Geschwindigkeit, Wendigkeit und Reichweite keine Chance gegen eine Drohne.

  • am 15.09.2013 um 10:16 Uhr
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    Was Kurt Marti schreibt, ist genau was mir durch den Kopf ging als Karrer und weitere seiner Weggefährten sich vom Acker machten. Das sinkende Schiff verlassend wie die Milliarden teuren Fehlinvestitionen hinter sich lassend. Und natürlich in bei economiesuisse (auch ein hoffentlich schneller sinkendes Schiff) weiter gegen die Gesellschaft zu lobbyieren.
    Was mich auch bei den Abstimmungen immer wieder überrascht: es werden viele (sogenannte) Volksvertreter gewählt die genau mit jenen Kreisen verbandelt sind die dafür sorgen, dass diese gesellschaftsfeindlichen Kreise weiter ihr «Unwesen» treiben können. Drohen diese Kreise mit Arbeitsplätzen (die sie sowieso einsparen wollen) so kippen die bis anhin die Faust in Sack machenden Stimmberechtigten reihenweise und wählen/stimmen dann eigentlich gegen ihre eigenen Interessen – um hinterher wiederum «eins auf die Kappe» zu bekommen…

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