Kommentar

Hochspannung: Bundesamt überfuhr drei Rotlichter

Kurt Marti © Christian Schnur

Kurt Marti /  Das Bundesamt für Energie ist der verlängerte Arm der Stromwirtschaft. Das zeigt die Planung der Hochspannungsleitung durchs Goms.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVG) hat anfangs Januar die Beschwerden mehrerer Gemeinden und Privatpersonen gegen die Hochspannungsleitung Mörel-Ulrichen durchs Goms gutgeheissen und das Bundesamt für Energie (BFE) angewiesen, eine Verkabelungsstudie von unabhängigen Experten zu verlangen.

Unter der Federführung des Alpiq-Konzerns planen die Stromkonzerne (Axpo, BKW) den Ersatz der vorhandenen 220 kV-Freileitung durch eine rund 35 km lange 380/220 kV-Doppelleitung. Die Gommer Gemeinden verlangten in ihrer Beschwerde eine unterirdische Verkabelung, weil die geplante Freileitung den Wald am Südhang des Tales durchqueren würde und damit ein massiver Eingriff in das intakte Landschaftsbild wäre.

Das BFE hat sich über diese Interessen der Bevölkerung hinweggesetzt und dabei gleich drei Rotlichter überfahren, um die Interessen der Stromkonzerne zu schützen:

1. Unmöglicher Korridor für eine Verkabelung

Als der Bundesrat im Jahr 2002 die Gommer Leitung in den Sachplan Übertragungs-leitungen (SÜL) aufnahm, war die unterirdische Verkabelung von Hochspannungsleitungen noch kein Thema. Der Korridor der Freileitung verläuft deshalb im Waldgebiet am Südhang des Tales. Eine Verkabelung hingegen würde in diesem Korridor eine Waldschneise durchs ganze Tal erfordern, was unmöglich realisierbar wäre. Fazit des Bundesverwaltungsgerichts: Der SÜL erweist sich bezüglich der Gommer Leitung als «unvollständig und damit mangelhaft», weil eine Verkabelung einen anderen Korridor als eine Freileitung erfordert.

Diese Folgerung hätte eigentlich das BFE ziehen und eine entsprechende Studie mit einem anderen Korridor verlangen müssen. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat entsprechende Warnsignale ans BFE gerichtet, wie das Bundesverwaltungsgericht festhält. Doch das BFE hat im Interesse der Stromwirtschaft dieses Rotlicht überfahren, weil es ganz genau wusste, dass eine Kabellösung im Wald-Korridor unmöglich zu realisieren ist.

2. Neue Rechtsprechung des Bundesgerichts

Laut BVG-Urteil hat sich die Rechtsprechung des Bundesgerichts (BG) in den letzten Jahren bezüglich der Bewilligung von Hochspannungsleitungen wesentlich verändert. Als die Gommer Leitung im Jahr 2002 in den Sachplan aufgenommen wurde, verlangte das Bundesgericht die Prüfung einer Verkabelung nur in Landschaften von nationaler Bedeutung. Laut Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung inzwischen «weiterentwickelt», und zwar mit der Begründung, dass Kabelanlagen im Vergleich zu Freileitungen zwischenzeitlich leistungsfähiger, zuverlässiger und kostengünstiger geworden seien. Folglich könne laut Bundesgericht eine Verkabelung «nicht nur für kantonale oder regionale Landschaftsschutzzonen, sondern bereits für Landschaften von lokaler Bedeutung angezeigt sein».

Für das Bundesverwaltungsgericht ist klar, «dass durch die strittige Hochspannungsleitung mehrere kantonale und etliche kommunale Landschaftsschutzzonen beeinträchtigt werden». Unter diesen Umständen sei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Verkabelung der Gommerleitung in Betracht zu ziehen. Eine solche Überlegung hätten eigentlich die BFE-Beamten machen müssen, als sie am 30. Juni 2011 die Gommer Leitung genehmigten. Denn das Bundesgericht hat seinen wegweisenden Entscheid bereits am 5. April 2011 gefällt. Auch dieses Rotlicht hat das BFE im Interesse der Stromwirtschaft überfahren.

3. Fehlende Unabhängigkeit der Gutachter

Das Bundesverwaltungsgericht rügt auch den Umweltverträglichkeitsbericht (UVB) scharf, welchen die Stromkonzerne abgeliefert haben. Dieser äussere sich nur «in allgemeiner Weise» zu einer Verkabelung, ohne einen «geeigneten Korridor zu definieren» und ohne dafür die Kosten zu beziffern. Deshalb verlangt das Bundesverwaltungsgericht unmissverständlich, dass die Verkabelungsvariante von «einem international anerkannten, unabhängigen Experten» abgeklärt wird.

Dass das Bundesverwaltungsgericht auf einem unabhängigen Experten beharrt, hat seinen Grund. Denn die Gesuchsteller der Gommer Leitung unter der Federführung des Alpiq-Konzerns liessen ihr Gutachten von der Colenco Power Enginering AG unter Mithilfe eines kleinen regionalen Beratungsbüros erstellen. Die Colenco Power Enginering heisst heute AF-Consult Switzerland AG und ist an der Planung jener Kraftwerkprojekte beteiligt, welche den massiven Ausbau der Gommer Leitung angeblich erfordern. Die AF-Consult Switzerland ist nämlich für die Gesamtplanung des Pumpspeicherkraftwerkes Nant de Drance im Unterwallis verantwortlich und war auch für das Projektmanagement des Gaskraftwerkes in San Severo in Oberitalien zuständig. An beiden Projekten ist auch der Alpiq-Konzern beteiligt, welcher deshalb das Hochspannungsprojekt durchs ganze Wallis, insbesondere durch das Goms, vorantreiben will.

Entsprechend katastrophal fiel auch der UVB für eine Verkabelung der Gommer Leitung aus. Es wäre die Pflicht des BFE gewesen, die Colenco Power Enginering als Gutachterin zurückzuweisen. Auch dieses Rotlicht hat das BFE überfahren. Dreimal über Rot im Interesse der Stromwirtschaft: Das BFE hat sich einmal mehr als verlängerter Arm der Stromlobby erwiesen. Politische Korrekturen sind dringend angezeigt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

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Eine Meinung zu

  • am 18.01.2013 um 13:36 Uhr
    Permalink

    Früher hiess der Laden noch zutreffender «Bundesamt für Energiewirtschaft» – und genau so führen sich die Topleute dort auch auf. Im Zusammenhang mit dem Abriss des ersten und ältesten kontinentaleuropäischen Flusskraftwerks Rheinfelder, dessen Erhalt durchaus möglich gewesen wäre, hiess es vicedirektoral einmal, «man lasse sich seine exzellenten Beziehungen zur in- und ausländischen Energiewirtschaft durch solche Störaktionen nicht vermiesen.» Nichts Neues also unter der Wintersonne!
    Henri Leuzinger, Rheinfelden

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