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Die Industrie muss ihren CO2-Ausstoss um 15 Prozent senken © marfis75/flickr/cc

Schweizer Klimapolitik bleibt ohne Gewähr

Hanspeter Guggenbühl /  Die neue CO2-Verordnung garantiert nicht, dass die Schweiz ihr klimapolitisches Ziel erreicht. Zweifel sind angebracht.

Das Parlament in Bern hat das revidierte CO2-Gesetz im letzten Dezember genehmigt; die Referendumsfrist ist am 13. April unbenützt abgelaufen. Damit muss die Schweiz ihre inländischen Treibhausgase bis zum Jahr 2020 um mindestens 20 Prozent unter das Niveau von 1990 senken.

(Das CO2-Gesetz ist das zentrale Instrument der nationalen Klimapolitik. Zusätzlich beteiligt sich die Schweiz an den Verhandlungen über die Fortsetzung des Kyoto-Protokolls, das die internationale Klimapolitik von 2013 bis 2020 fortschreiben soll. Siehe dazu den separaten Bericht «Kluft von nationaler und globaler Klimapolitik»).

Entwurf der CO2-Verordnung veröffentlicht

Die Details zum Vollzugs des Schweizer CO2-Gesetzes regelt die CO2-Verordnung, die das Department von Umweltministerin Doris Leuthard heute Freitag in die «Anhörung» schickte. Kantone, Parteien und Verbände können sich bis Anfang August dazu äussern. Danach wird der Bundesrat den Inhalt der Verordnung in letzter Instanz festlegen und das CO2-Gesetz am 1. Januar 2013 in Kraft setzen.

Ein hartes Seilziehen um diese Verordnung ist absehbar. Denn sie bestimmt unter anderem, wer wie viel zur Reduktion der Treibhausgase und mithin des fossilen Energieverbrauchs beitragen muss, und welche Abgaben oder andere Mittel wann eingeführt werden.

Weniger Treibhausgase, aber wo?

Im Jahr 2010 pufften Wirtschaft, Haushalte und Verkehr in der Schweiz zusammen noch etwas mehr CO2 in die Atmosphäre als 1990. Innerhalb von zehn Jahren muss die Schweiz ihre inländischen Treibhausgase damit um stolze 23 Prozent vermindern. Die CO2-Verordnung legt dazu Teilziele fest. Demnach müssen die Emissionen von Wohn- und Dienstleistungsgebäuden um 40 Prozent sinken, jene der Industrie um 15 Prozent und jene des Verkehrs und der übrigen Quellen um 10 Prozent.

Über diese Verteilung lässt sich streiten. Denn die Teilziele beeinflussen die Massnahmen, die der Bundesrat per Verordnung einführen und vollziehen muss. Dabei geht es zum Beispiel um den Umfang der CO2-Kompensationen, welche Autoimporteure und Autofahrende bezahlen müssen, oder um die Höhe der CO2-Abgabe, welche die fossilen Brennstoffe verteuert.

Höhere CO2-Abgabe, aber wann?

Das revidierte CO2-Gesetz gibt dem Bundesrat die Kompetenz, die bestehende CO2-Abgabe auf Brennstoffen zu erhöhen, nämlich von heute 36 Franken pro Tonne CO2 (oder neun Rappen pro Liter Heizöl) auf maximal 120 Franken pro Tonne CO2. Diese Erhöhung ist zwingend, falls sich die CO2-Emissionen ohne höhere Abgabe nicht genügend senken lassen. Dass dem so ist, lässt sich schon seit Jahren abschätzen. Trotzdem sieht die Verordnung eine erste Erhöhung der Brennstoffabgabe auf 60 Franken pro Tonne CO2 frühestens ab 2014 vor. Die Begründung: Man wolle zuerst die Emissionsdaten der Jahre 2012 und 2013 abwarten.

Gegen diesen Fahrplan protestieren die Umweltverbände. Sie fordern eine Erhöhung der CO2-Abgabe bereits ab 2013. Denn die Verzögerung bis 2014 widerspreche dem Willen des Parlamentes und gefährde die Finanzierung des Gebäudesanierungs-Programms, schreibt etwa der Verein Klimainitiative. Tatsächlich stünden 2013 statt der möglichen 300 Millionen nur 180 Millionen Förderfranken zur Verfügung, um energetische Gebäudesanierungen zu subventionieren. Das bestätigt Bafu-Klimaexpertin Andrea Burkhardt.

Ausnahmen für Gaskraftwerke und Industrie

Ebenfalls umstritten ist, welche Treibhausgase aus dem Reduktionsziel von 20 Prozent im Inland ausgeklammert werden können. Die jetzige Verordnung sieht vor, die Emissionen von allfälligen neuen Gaskraftwerken, welche die Betreiber zur Hälfte im Ausland kompensieren dürfen, beim Inlandziel nicht zu berücksichtigen. Das Gleiche gilt, wenn Industriebetriebe einen wesentlichen Teil Treibhausgase mittels Emissionshandel im Ausland kompensieren. Über diese umstrittenen Ausnahmen hat «infosperber» schon in früheren Artikeln informiert.

Aus all diesen Gründen bietet die CO2-Verordnung keine Gewähr, dass die Schweiz 2020 tatsächlich 20 Prozent weniger inländische Treibhausgase verursacht als 1990. Zweifel am Vollzug sind angebracht. Denn schon das Ziel des bisherigen CO2-Gesetzes (10 Prozent Reduktion von 1990 bis 2010) wurde deutlich verfehlt.


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3 Meinungen

  • am 13.05.2012 um 14:58 Uhr
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    Danke für diesen informativen Artikel von hanspeter Guggenbühl.
    Die CO2-Ziele der Schweiz lassen sich relativ gut und «schmerzlos» erreichen, wenn endlich der grösste CO2-Produzent der Schweiz – der motorisierte Individualverkehr – konsequent in die Massnahmen einbezogen würden. Schon Mitte Neuzigerjahre wurden im Auftrag des BFE verschiedene Studien in Auftrag gegeben, mit dem Ziel, ein effizientes Lenkungsinstrument zur Energieverbrauchs- resp. CO2-Reduktion bei Verkehr zu erreichen. Als eines der wirkungsvollsten Instrumente wurde eine stetige Senkung des Flottenverbrauches, v.a. mit Hilfe von zertifikaten, erruiert. Der Bund gibt dabei jährliche Vorgaben, wie viel CO2 ein durchschnittlich in Verkehr gesetztes Fahrzeug in der Schweiz pro km freisetzen darf. Fahrzeugmodelle die mehr CO2 ausstossen müssen entsprechend viele Zertifikate erweben, die Fahrzeuge erhalten, die unter dem Zielwert liegen.
    Mit diesem System kann der Bund die Ziele setzen, während die Umsetzung über ein marktkonformes Zertifikatsystem durchgesetzt wird. Wäre um ca. 1995 dieses System eingeführt worden, könnte heute der mittlere CO2-Ausstoss schon bei der Hälfte des aktuellen Wertes liegen. Bundesrat Leuenberger vertraute damals unter Druck auf die Beteuerungen der Automobil- und Treibstofflobby, die den CO2-Ausstoss mittels freiwilligen Massnahmen zu senken versprach. Was dieses Lobbyversprechen wert waren oder sind, zeigt heute die fehlende Zielerreichung beim CO2.
    Entweder werden endlich verbindliche Massnahmen für alle ergriffen – v.a. im Verkehr, die der Öffentlichkeit nicht einmal etwas kosten müssen, oder wir werden anno 2020 kaum weiter sein als heute und ungebremst dem Klimakollaps entgegenstürmen.

  • am 21.05.2012 um 22:10 Uhr
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    Da ist einmal mehr Panikmache im Spiel, welche schon ideologische Züge annimmt Fakt ist, dass einmal mehr Autofahrer zur Kasse gebeten werden sollen. Damit glaubt man das Problem lösen zu können. Wie wärs mit neuen Kernkraftwerken. Damit kann genügend Strom preiswert erzeugt werden. Damit werden Gaskraftwerke obsolet. Damit wird CO2-arm Energie erzeugt und können Elektroautos geladen werden. Na Herr Glauser!!

  • am 22.05.2012 um 08:59 Uhr
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    Beim Konzept «Senkung des Flottenverbrauches mittels Zertifikaten» will niemand «die Autofahrer» zur Kasse bitten. Im Gegenteil, wenn die aktuelle Mobilität mit einem Drittel weniger Treibstoff auskommt – dank verbrauchsärmerer Fahrzeuge – kann sehr viel Geld und CO2 eingespart werden. Die gesamten Treibstoffkosten im Jahr 2010 (gemäss CH-Gesamtenergiestatistik) beliefen sich auf 13’240 Millionen Franken. Ein Drittel davon entspricht 4,4 Milliarden Franken Einsparung!
    Das System «Senkung des Flottenverbrauches mittels Zertifikaten", das in Studien/Konzepten des BFE seit Mitte Neunzigerjahre bereit liegt, geht davon aus, dass der Bund den Autoimpoteuren einen mittleren Treibstoffverbrauch/km vorgibt, der im Durchschnitt der neu in Verkehr gesetzten Fahrzeuge nicht überschritten werden darf. Dieser Wert wird auf mehrere Jahre vorgegeben, mit klar sinkendem Verbrauchsziel/Jahr. Mit diesem Ziel liegt es bei den Importeuren einen Mix von Fahrzeugen zu importieren, der in der Gesamtheit die Jahresziele erreicht: durchschnittlicher Treibstoffverbrauch pro km und Fahrzeug. Treibstoffeffiziente Fahrzeuge müssen entsprechend beworben und allenfalls günstiger verkauft werden, während «Benzinsäufer» eher belastet werden müssten. Dieses Grundkonzept wurde vor 16 Jahren auch von der Autolobby akzeptiert, mit dem Versprechen, dies auf freiwilliger Basis zu erreichen. Da nach 15 Jahren Freiwilligkeit die Ziele einer substantiellen Treibstoffverbrauchsreduktion jedoch nicht erreicht wurde, ist es an der Zeit, mit entsprechenden lenkenden Massnahmen die Ziele zu erreichen. Mit Zertifikaten für Neufahrzeuge, die einen unterdurchschnittlichen Treibstoffverbrauch haben, können weiterhin auch «Benzinsäufer» in Verkehr gesetzt werden. Für diese Fahrzeuge müssen entsprechende Zertifikate beschafft werden. Dadurch soll/kann ein Handel entstehen zwischen ZertifikatsbesitzerInnen und Zertifikatskäufern. Wo sich der Preis solcher Zertifikate einpendelt bestimmt nicht der Staat sondern einzig der Markt. Bei einem Trend zu «Benzinsäufern» wird der Zertifikatspreis steigen und der Verkaufsanreiz für solche Fahrzeuge sinken – dagegen werden KäuferInnen von treibstoffsparsamen Fahrzeugen vom System durch Preisreduktionen profitieren. Bei einem Massentrend zu sparsamen Fahrzeugen wird der Zertifikatspreis sinken. In der Gesamtbetrachtung müssen «die Autokäufer/-fahrerInnen» keinen Franken mehr bezahlen.
    Herr Mattli’s Idee für AKW-Neubauten käme allen SchweizerInnen (auch den autofahrenden) dagegen sehr teuer zu stehen: gemäss Bundesrätin Leuthard, anlässlich der letzten Energie-Arena, kostet nur schon der Bau eines neuen AKW 8-10 Milliarden Franken; Betriebs-, Uran- und Entsorgungskosten nicht miteinberechnet.

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