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Das von Duterte verbreitete Bild eines Drogenmafia-Opfers wird als altes Bild aus Brasilien entlarvt © cc

Fake-News: Im Süden schon lange ein Problem

Red. /  Erst seit der Einfluss von Lügen in den USA zum Politikum wurde, wird die Verantwortung von Facebook und Twitter zum Thema.

Mit erfundenen, falschen Nachrichten, die sich in sozialen Netzwerken rasch verbreiten, kann Politik beeinflusst werden. Der Wahlkampf in den USA hat vor Augen geführt, wie viel Macht über «Social Media» entwickelt werden kann. Seitdem wird auch dort über die politische Verantwortlichkeit von Facebook oder Twitter öffentlich nachgedacht. Bis dahin war das wenig der Fall. Europäische Besorgnis über die Verbreitung von Nazi-Propaganda über amerikanische Server zum Beispiel wurde weitgehend mit dem Hinweis auf die Meinungsäusserungsfreiheit abgetan (ganz im Gegensatz zum eher rigorosen Durchgriff gegenüber sexuellen Inhalten).

Im Welt-Süden ist die Manipulation demokratischer Prozesse durch «fake news» nichts Neues. In Indonesien, auf den Philippinen und in anderen Ländern, wo der Zugang zu faktenorientierter Berichterstattung und freier Meinungsbildung rarer ist, funktioniert das perfide Spiel noch besser als in den USA und in Europa. Zwar sind die Kamera und die Internetverbindung des Mobiltelefons zu wichtigen Waffen zur Verteidigung von Menschenrechten geworden – etwa bei der Kriseninformationsplattform Ushahidi, und belegen Verbote in China oder in der Türkei, wie schmerzhaft «social media» für kontrollgewohnte Machthaber sein können. Aber die durch die riesige Reichweite erzeugte Wirkung grosser Netze erstreckt sich eben auch auf Fehlinformationen, Hirngespinste und bewusste Irreführungen. An manchen Orten wird mit Online-Fehlinformationen reale Politik gemacht. Dahinter können Einzelpersonen, Interessengruppen oder die herrschende Regierung stehen.

Facebook und Twitter vor Wahlen verboten
In Indonesien und auf den Philippinen geriet Facebook als zweifelhafte Nachrichtenquelle schon lange vor den Wahlen in den USA ins Rampenlicht. «Wir sahen die Warnzeichen schon vor Jahren», erklärte Richard Heydarian, ein Politikberater auf den Philippinen, gegenüber der «New York Times». Weil sie zu viele gefälschte Nachrichten verbreiten würden, hat Indonesiens Regierung Webseiten geschlossen. Kritiker sagen, einige Portale seien auch aus politischen Gründen geschlossen worden. Die Grenze ist heikel zu ziehen.
Einige afrikanische Länder haben das Verwenden von Facebook, WhatsApp und Twitter vor Wahlen rundweg verboten, berichtet die NYT. Regierungen in Tschad oder in Uganda geben als Grund für das Verbot an, das Schüren von Ängsten und das Verbreiten von erfundenen Gefahren könnten die Wahlergebnisse verfälschen. Das mag sein. Ebenso plausibel ist der Verdacht, dass die Offenlegung von Wahlfälschungen unterbunden werden soll.

Falsche Bilder auf den Philippinen
Auf den Philippinen teilte ein Sprecher des populistischen Präsidenten Rodrigo Duterte auf Facebook das Bild einer getöteten jungen Frau, von der behauptet wurde, sie sei von einem Drogendealer vergewaltigt und ermordet worden (siehe Bild oben). Später wurde aufgedeckt, dass die Aufnahme aus Brasilien stammte.

Zehntausende von philippinischen Facebook-Nutzern haben kürzlich eine Geschichte verbreitet (»geteilt»), in welcher behauptet wird, die NASA hätte Präsident Duterte zum besten Präsidenten des Sonnensystems gewählt. Während Einträge auf Facebook diese Nachricht als Witz kommentierten, haben sie einige offensichtlich ernst genommen.

«Facebook hat es professionellen Propagandisten ermöglicht, Nebensächlichkeiten und Verschwörungstheorien zu verbreiten», sagte der philippinische Politik-Analyst Richard Heydarian der NYT. «Stimmen, die bisher ein Schattendasein führten, stehen jetzt im Zentrum der politischen Diskussion.»

In Indonesien musste der Präsident seine Heiratsurkunde zeigen
In Indonesien ist Facebook so populär, dass es etliche mit dem ganzen Internet verwechseln. Umso grösser ist sein Einfluss
Als sich Joko Widodo 2014 um das Amt des Präsidenten bewarb, wurde ihm in sozialen Medien vorgeworfen, er sei ein chinesischer Christ und ein Kommunist. Das ist in dem tief islamischen Land eine ernstzunehmende Kritik. Widodo musste daraufhin seine Heiratsurkunde veröffentlichen, um zu beweisen dass er kein Chinese sei, und er machte kurz vor der Wahl eine Pilgerreise nach Mekka.

«Die Falschnachricht hatte einen sehr grossen Einfluss auf unsere Kampagne», sagte Tubagus Ramadhan, der Widodo half, dessen Wahlkampf-Kampagne auf den sozialen Medien zu betreiben.
Einfluss auf Abstimmung in Kolumbien
Auch die knappe Ablehnung des Friedensabkommens mit der Rebellenbewegung FARC in einem Referendum in Kolumbien wurde durch Online-Desinformation beeinflusst. Facebook-Nutzer verbreiteten (»teilten») ein grob verändertes Foto des kolumbianischen Latino-Star Juanes. Auf dem Bild trug der Popsänger ein T-Shirt, das suggerieren sollte, er sei ein Gegner des Friedensprozesses mit der grössten Rebellengruppe des Landes. Auf Twitter bestritt er dies.
Nutzen und Gefahren nahe beieinander
Nach Katastrophen ermöglichen es soziale Medien wie Facebook den Menschen, ihren Freunden und Familien mitzuteilen, dass sie sich in Sicherheit befinden. Sie können aber auch die Quelle von gefährlichen Gerüchten sein, die sich schnell verbreiten. Auf dem Höhepunkt des Ebola-Ausbruchs 2014 verbreitete sich in Sierra Leone die Falschmeldung auf Facebook und WhatsApp (gehört Facebook seit 2014), dass Baden in heissem, salzigem Wasser heilen und die Ausbreitung des Virus verhindern würde.
Mittlerweile signalisiert Facebook grössere Vorsicht bei der Verbreitung von Häme, Hass und Hetze. Wieviel davon zu halten ist, hat das «Streiflicht» der Süddeutschen Zeitung vor kurzem so beantwortet: «Geben wir Facebook eine Chance und posten mal: Karl der Grosse stammt aus Kenia und ist zusammen mit Merkel in einem schwarzen Helikopter zum Mond geflogen, um von da aus die Welt dem Islam zu unterwerfen. Facebook wird das löschen. Bestimmt.»
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Dieser Beitrag beruht weitgehend auf einem Bericht in der «New York Times» und kam mit der Übersetzungshilfe von Uwe Böhm zustande.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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4 Meinungen

  • am 28.11.2016 um 14:59 Uhr
    Permalink

    "Dieser Beitrag beruht weitgehend auf einem Bericht in der «New York Times»"

    Das kann jeder sagen! 😉

    http://uk.businessinsider.com/nytimescomco-posts-fake-news-articles-pretending-to-be-the-new-york-times-2015-6
    (NewYorkTimesCom.co gibt es allerdings nicht mehr)

    Beim Abstimmungskampf über die Atomausstiegsinitiative ist mir allerdings aufgefallen, dass es weder «fake news» noch Lügen braucht, um die Leute hinters Licht zu führen. Es genügt, die eigenen Halbwahrheiten ständig zu wiederholen und über diejenigen der Gegenseite zu schweigen.

  • am 28.11.2016 um 16:22 Uhr
    Permalink

    Lügen ist doch salonfähig geworden, besonders in der Politik und in den Mainstream Medien…weil die Devise von 68 war: C’est interdit d’interdire…

  • am 28.11.2016 um 23:30 Uhr
    Permalink

    Fake News aus irgendwelchen dubiosen Internet-Seiten sind an sich kein Problem, weil man die sowieso kritisch liest und mit anderen Quellen vergleicht. Schlimm sind Fake-News, die von Qualitätsmedien verbreitet werden, denen man zunächst mal einen gewissen Vertrauensvorschuss gewährt. Und leider werden die immer häufiger.

  • am 29.11.2016 um 09:57 Uhr
    Permalink

    Misstrauen und Verdacht sind in der Politik völlig vernünftig. Und es ist einem Politiker durchaus zumzumuten, dass er auch mal seine Geburts- oder Heiratsurkunde vorzeigt.
    Viel gefählicher sind die Versuche, Misstrauen oder Verdacht gegen Politiker von vornherein zu inkriminieren.
    Ganz übel ist es, wie bei diesem Thema immer wieder zwei Dinge vermengt werden: Häme, Hass und Hetze einerseits und Falschbehauptungen andererseits. Und wie man sich grundsätzlich daran vorbeischleicht, dass es in beiden Bereichen schon strafrechtliche Regeln gibt – und dass diese Regeln aus guten Gründen NICHT jeden «Hass» und jede «Falschbehauptung» strafbar machen. Das Ziel solcher Tricks ist aber gerade, die faktische Verbotsgrenze über das Strafrecht hinaus zu erweitern und das Recht auf Redefreiheit zu unterminieren..

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