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Zwanzig Prozent unserer Pensionskassen-Beiträge verschwinden als (Vermögens-)Verwaltungsgebühren © © Gina Sanders/Fotolia.com_Banknoten

20 Prozent unserer Pensionskassengelder für Spesen

Rudolf Strahm /  Börsen- und Finanzkrise bringen unsere Pensionskassen ins Schleudern. Umso stossender sind die exorbitanten Verwaltungskosten.

(Red.) Es geht nicht nur um die hohen Kosten der Kassenverwaltungen, sondern auch um die noch viel höheren Kosten der Verwaltung der Vermögen, die vor allem von den Banken eingesteckt und häufig nicht einmal transparent ausgewiesen werden. Anlass genug für den früheren Preisüberwacher und SP-Nationalrat Rudolf Strahm, den Pensionskassen einen offenen Brief zu schreiben:

Liebe Pensionskassen-Verantwortliche!

Ihre Situation ist nicht zu beneiden. Zum dritten Mal innert eines Jahrzehnts erleiden Sie bei Ihren BVG-Anlagen schwere Verluste. Nach dem Börseneinbruch von 2001 und der schweren Finanzkrise von 2008 zehren der Börseneinbruch und der Dollarsturz vom Sommer 2011 erneut am Vermögen der Versicherten.
Es drohen Nullverzinsung und Nachzahlungen
Nicht wenigen BVG-Einrichtungen droht erneut eine Unterdeckung. Und, wer weiss, Hunderte von Kassen müssen ihre Arbeitgeber wieder zu Nachzahlungen oder die Versicherten zur Nullverzinsung anmahnen, wie schon 2009. Und das Vertrauen in die Pensionskassen wird noch mehr Schaden nehmen.
Anlageberater und Banken haben Zweite Säule als Selbstbedienungsladen eingerichtet
Bereits im März 2010 hatten die Stimmberechtigen – und mit ihnen die Mehrzahl der KMU-Chefs – mit 73 Prozent Nein-Stimmen gegen die BVG-Revision ein Misstrauensvotum abgegeben. Das Nein war nicht primär wegen des technischen Umwandlungssatzes (den die wenigsten verstanden), sondern wegen des eingebrochenen Vertrauens gegenüber den Pensionskassen und vor allem gegenüber den Anlageberatern, Asset Managern, Vermögensverwaltern und Bankern, die die Zweite Säule als Selbstbedienungsladen eingerichtet hatten.
Fazit des Bundesamts für Sozialversicherung BSV
Haben Sie die Studien «Vermögensverwaltungskosten in der 2.Säule», die das Bundesamt für Sozialversicherung BSV aufgrund einer externen Fachexpertise im Mai 2011 publiziert hat, inzwischen zur Kenntnis genommen und Ihre Schlüsse daraus gezogen?

Diese BSV-Studie kommt zum Ergebnis, dass die internen und externen Vermögensverwaltungskosten der Pensionskassen rund viermal höher sind als bisher statistisch ausgewiesen wurde. Insgesamt kostet die Vermögensverwaltung jedes Jahr 3,9 Milliarden Franken – bei einer BVG-Anlagesumme von rund 700 Milliarden Franken.

Addiert zu den früher schon ausgewiesenen Kosten für die Kassenverwaltung betragen die gesamten Verwaltungs- und Vermögensverwaltungskosten laut BSV jedes Jahr 5,7 Milliarden Franken. Dies entspricht nahezu einem Fünftel oder 20 Prozent der reglementarischen Renten- und Kapitalleistungen aller Pensionskassen.

Diese Unkosten sind ein Mehrfaches dessen, was die Streitsumme bei der (politisch blockierten) Anpassung des Umwandlungssatzes ausmacht!
Der Pensionskassenverband schweigt darüber
Die tiefen Renditen der BVG-Einrichtungen, die der Pensionskassenverband ständig beklagt, haben auch mit jenen exorbitanten Kosten zu tun, zu denen der gleiche Verband in allen Landessprachen schweigt.
Hedge-Fonds für Banken besonders lukrativ
Haben Sie in der BSV-Studie bemerkt, dass für die 6 Prozent Anlagen in Hedgefonds und Dachhedgefonds (sog. «Alternative Anlagen») 33 Prozent aller Vermögensverwaltungskosten beansprucht werden? Ist Ihnen bewusst, dass Hedgefonds-Anlagen die teuersten, riskantesten und intransparentesten Anlageformen darstellen? Ist bekannt, dass selbst die vermittelnden Banken die Emittentengebühren der Hedgefonds nicht kennen und nicht beziffern können?
Anlagen in Hedgefonds sind unseriös
Hedgefonds und Dachhedgefonds sind in der Schweiz gesetzlich nicht der Finanzmarktaufsicht Finma unterstellt. Für sie gibt es – im Gegensatz zu den Banken – keine Eigenmittelvorschriften. Die Hedgefonds-Manager unterstehen keiner Gewährsprüfung, also eines Nachweises für «einwandfreie Geschäftsführung», wie sie das Bankengesetz vorschreibt. Jeder gestrauchelte Banker oder Finanzjongleur kann einen Hedgefonds gründen.

Wenn heute Asset Manager immer noch Pensionskassengelder in Hedgefonds stecken oder dies empfehlen, sind sie als unseriös und inkompetent zu betrachten.
Honorare für «Berater» sind rausgeschmissenes Geld
Querschnittsstudien haben gezeigt, dass die Anlageempfehlungen von Vermögensberatern und Bankanalysten in den letzten Jahren nicht einmal den Börsenindex geschlagen haben. Das heisst, ihre Voraussagen über die Kursentwicklung von Wertpapieren waren nicht treffsicherer als die generelle, im Index abgebildete Entwicklung. Mit Charts, Fachwörtern und Imponiergehabe sagen sie Zukunftstrends voraus, doch ihre Voraussagen sind nicht mehr als Kaffeesatzlesen. Bei Fehlurteilen geben sie dann immer «den Märkten» die Schuld, und selber tragen sie keine Haftung für ihre teuren Beratungen.
Bei aktiven Fonds sind die Gewinner immer die Banken
Bei aktiven Anlagefonds, welche Wertpapiere kaufen, verkaufen und austauschen, sind die Gewinner sowohl beim Gewinn- wie beim Verlustfall immer die Banken. Bei jeder Transaktion verdienen sie durch Courtagen, Transaktionskosten und Depotgebühren, die nicht direkt in Rechnung gestellt werden, «sondern innerhalb des Kollektivvermögens direkt mit der Wertentwicklung des Gefässes verrechnet» – also versteckt – werden, wie das BSV in der Vermögensverwaltungsstudie schreibt. Deshalb sollten für PK-Anlagen nur Passivfonds ohne jede Hedging- oder Terminkomponente in Frage kommen.

Die sogenannte BVG-Strukturreform wird einige der ärgsten Kollusionsauswüchse bei der Vermögensverwaltung eliminieren. Doch in Sachen Kostentransparenz und Kassenvergleiche bringt sie keine sichtbaren Verbesserungen.

Wenn wir auch noch die mutmasslichen Dollar- und Euroverluste ins Kalkül einbeziehen, sind die Pensionskassen-Anlagen dieses Jahr nicht in einer guten Position. Und oft, sehr oft, ist die missliche Lage auf kurzfristiges und kurzsichtiges Renditedenken und auf falsche Anlagestrategien zurückzuführen.
Liegenschaften bringen die nötige Rendite
Eine Bitte: Evaluieren und vergleichen Sie wieder konservativere Anlagestrategien! Prüfen Sie wieder vermehrt Anlagen in Wohnliegenschaften durch Käufe oder Beteiligungen an Mehrfamilienhäusern in der Schweiz. Auf zehn Jahre hinaus waren nämlich die PK-Investitionen in Liegenschaften rentabler als die Wertpapieranlagen – mit einer durchschnittlichen Performance von 4 bis 5 Prozent konnten alle rechnen – und Verluste gab es nur in ganz wenigen Fällen von krasser Unvorsicht.

Banker und Asset Manager empfehlen Ihnen aus Eigeninteresse nicht Anlagen in Liegenschaften. Aber diese konservative Anlageform hat im Zeichen der globalen Verunsicherung der Finanzmärkte eine gute und sichere Performance. Und sie würde Ihnen erlauben, auf einige teure Dienste mancher Asset Manager dankend zu verzichten!
—–
Dieser offene Brief ist publiziert in der Unternehmerzeitung UZ Nr. 9/2011


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Eine Meinung zu

  • am 27.08.2011 um 15:18 Uhr
    Permalink

    Liegenschaften sollen also laut Rudolf Strahm die nötige Rendite bringen. Nur: alle Anlagen in Liegenschaften treiben die bereits hohen Boden- und Liegenschaftenpreise weiter in die Höhe. Und wer bringt dann die nötige Rendite, wer? Richtig, es sind wieder einmal die Mieter, resp. die Käufer einer Wohnung.
    Das ganze Konstrukt der 2.Säule ist ein Raubzug auf die, welche von ihrer Arbeit und nicht von ihrem Kapital leben. Über die Zwangsabgaben werden sie ausgenommen und immer höher belastet. Die staatlich und sogar demokratisch legitimierte Umverteilung von unten nach oben, von den meisten Parteien, auch der SP unterstützt. Die Finanz- und Versicherungsbranche reibt sich die Hände.

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