Hallo Leben Hallo Krebs CSS

Aus dem CSS-Werbespot "Hallo Leben": Was will uns die Krankenkasse damit sagen? © Youtube

Werbung: Krankenkassen verschwenden unsere Prämien

Marco Diener /  Die Krankenkassen bombardieren uns mit Werbespots. Doch die Botschaften sind unklar. Warum wir wechseln sollen, erfahren wir nicht.

Es wirkt, als hätten sie alle die gleiche Werbeagentur beauftragt: Die Helsana wirbt gegenwärtig unter dem Motto «Es lebe das Leben». Die CSS ruft «Hallo Leben!» Und der Groupe mutuel spricht vom «Wahren Leben». Was uns die Krankenkassen damit sagen wollen, bleibt unklar. Deshalb fragte Infosperber nach.

«Unsere Kampagne adressiert das Thema der mentalen Gesundheit», schreibt die Helsana in bestem PR-Deutsch. «Es ist wichtig, nicht nur auf seinen Körper Acht zu geben, sondern auch auf die Psyche.» Denn «angesichts der aktuellen Weltlage und im Nachgang der Corona-Pandemie» sei «die mentale Gesundheit der Menschen strapaziert.» Die CSS setzt sich «dafür ein, dass die Versicherten alles, was ihnen im Leben passiert, so positiv wie möglich begrüssen können». Und der Groupe mutuel schreibt: «Wir unterstützen unsere Kunden bei Ereignissen, die sie in ihrem Alltag, also in ihrem wirklichen Leben, erleben.» Fast möchte man fragen: Bei welchen Ereignissen sonst?

«Hallo Autsch»

Die Krankenkassen texten uns in ihren langfädigen Werbespots mit Sätzen zu, die mit einer Versicherung eigentlich nichts zu tun haben.

  • Die Helsana: «Lachen. Wir tun es bis zu 400 Mal am Tag. Wenn wir reden, lachen wir mehr als beim Zuhören. Achte beim nächsten Witz mal darauf. Über 300 verschiedene Muskeln arbeiten. Sogar die des Tränensacks. Darum lachen wir Tränen. Nach einem Lachanfall haben wir weniger Stresshormone. Und mehr Abwehrstoffe. Der Puls steigt. Die Durchblutung wird angeregt. Lache, es stärkt. Es lebe das Leben.»
  • Die CSS: «Hallo Aufwachen. Hallo Durchmachen. Hallo Rummachen. Hallo Schlussmachen. Hallo ‹Ich bin schwanger›. Hallo Wunder. Hallo Autsch. Hallo Trostpflaster. Hallo Freiheit. Hallo Abhängigkeit. Hallo solche Tage und solche Tage. Hallo solche Nächte und solche Nächte. Hallo 50. Hallo 38,5. Hallo innerer Schweinehund. Hallo Krebs. Hallo Fighter. Hallo Survivor. Hallo Comeback. Hallo??? Hallo Leben.»
  • Der Groupe mutuel: «Das wahre Leben ist: Aufgeschlossen bleiben. Unvorhergesehenes einkalkulieren. Auch mal unverschämt sein. Und schwere Momente überstehen. Das wahre Leben ist, sich gut geschützt fühlen. Mit Gelassenheit weiterkommen. Sein eigenes Ding machen. Einen kühlen Kopf bewahren. Die richtigen Leute um sich haben. Das wahre Leben ist ein Traum, der Gestalt annimmt. Und all das, was uns verbindet. Groupe mutuel. Das wahre Leben. Aber sicher.»

Keine Argumente

Seltsam ist, dass uns die Krankenkassen mit keinem Wort sagen, warum wir uns ausgerechnet bei ihnen versichern sollten. Dabei wäre es einfach. Die Leistungen in der Grundversicherung sind ja überall gleich. Deshalb könnten die Krankenkasse leicht Argumente liefern. Zum Beispiel niedrige Prämien. Rasche Rückerstattung von Geldern. Oder unkomplizierte Abläufe. Doch darüber fällt kein Wort. Stattdessen sehen wir im CSS-Werbespot eine Frau von hinten, der die Regelblutung in die Hose läuft und dazu heisst es: «Hallo solche Tage und solche Tage.» Sehr lustig!

Dass die Krankenkassen überhaupt nicht über ihre Qualitäten, ihre Leistungen oder ihre Vorzüge informieren, ist für allfällige Kunden irritierend. Doch die Krankenkassen sehen das nicht so eng. Der Groupe mutuel will «mit dieser Kampagne mehr Kundennähe schaffen». In anderen Kampagnen gehe es durchaus auch um die Höhe der Prämien. Die CSS will sich «als Gesundheitspartnerin positionieren». Es gehe «um mehr als nur finanzielle oder bürokratische Anliegen». Und der Helsana ist es ein «Anliegen, durch die Vermittlung unserer Haltung einen Beitrag zum allgemeinen Wohlergehen der Bevölkerung zu leisten». Versicherte will sie offenbar nicht gewinnen.

Es geht um Solidarität…

Die Concordia hat einen anderen Weg gewählt. Sie teilt uns in einem Werbespots mit: «Geht es Noemi gut, geht es uns allen gut.» Denn unter einem Sonnenschirm findet sie Schutz vor einem herannahenden Gewitter. Die Concordia will uns damit auf die «Solidarität zwischen Kranken und Gesunden, Jungen und Alten sowie Frauen und Männern» aufmerksam machen.

Wie die teuren Werbekampagnen finanziert werden, ist unklar. Helsana, CSS und Concordia schreiben, sie würden aus Grund- und Zusatzversicherung finanziert. Der Groupe mutuel betont, er sei «ein Privatversicherer, der Lebensversicherungen, Versicherungen für Unternehmen und Vermögensversicherungen» anbiete. Finanziert werde die Werbekampagne vom «ganzen Unternehmen». Das ist zulässig. Denn das Krankenversicherungsgesetz (KVG) verbietet Werbung mit Geldern aus der Grundversicherung nicht.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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15 Meinungen

  • am 3.11.2022 um 10:30 Uhr
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    Lächerlich sind die Werbekampagnen der Krankenkassen und ihre Aussagen lügen was in die Schweiz. Und wir bezahlen die Lügen mit den Krankenkassenprämien. Und auch das pervertierte Gesundheitswesen. Da ist es wie im Fussball. Der ist Nebensache, solange der Profit fliesst. Die Gesundheit im Gesundheitswesen ist auch Nebensache. Hauptsache Profit für den CEO. Und der ist nicht zu knapp. Die Nähe der Werbung zu Verschwörungsmythen ist offensichtlich. Manchmal stimmt was im Text, dann wieder nicht und mit beiden kann man Geld verdienen. Das ist das, was zählt. Das Konto. Und die Politik beobachtet und ist überfordert.

  • Portrait_Jacques_Schiltknecht
    am 3.11.2022 um 11:20 Uhr
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    Bravo. Dieser unglaubliche Schwachsinn hilft niemandem.

    Als (ehemaliger) Allgemeinarzt plädiere ich für Weberverbot – auch bei Medikamenten. Persönlich glaube ich, dass eine Einheitskrankenkasse weniger Nachteile hätte als das wirre Konkurrenzwesen.
    Jacques Schiltknecht

    • am 3.11.2022 um 21:54 Uhr
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      Bin ganz ihrer Meinung. Ich verstehe auch nicht, wieso in unserer kleinen Schweiz, die Prämien überall verschieden sind.

      • am 13.11.2022 um 12:41 Uhr
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        Das macht schon Sinn, es gibt Kantone mit höheren Gesundheitskosten und solche mit geringeren. Warum sollen Kantone mit zurückhaltendem «Gesundheitskonsum» für solche mit hohem «Gesundheitskonsum» mit bestraft werden?

    • am 13.11.2022 um 12:32 Uhr
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      Werfen wir doch einmal einen Blick in den Rückspiegel, wie waren die Gesundheitskosten denn früher:
      Ausgaben pro Kopf und Monat:
      1960: Fr. 31-.
      1970: Fr. 73-.
      1980: Fr. 179-.
      1990: Fr. 330-.
      2000: Fr. 498-.
      2010: Fr. 662-.
      2020: Fr. 804-.

      Quelle Tabelle von: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/querschnittsthemen/wohlfahrtsmessung/alle-indikatoren/gesellschaft/gesundheitsausgaben.assetdetail.22324823.html

      Jetzt die Gretchenfrage: Hatten wir denn in den Jahrzehnten des 20ten Jahrhunderts in den 60er, 70er und 80er Jahren wo die Gesundheitskosten noch erträglich waren jemals eine Einheitskrankenkasse? Nein! Also können der Logik nach eine fehlende Einheitskrankenkasse nicht die Ursache für die Kostenexplosion sein. Natürlich ist Werbung, Verwaltung, Kader der KK’s auch ein Kostenfaktor aber hier als erstes anzusetzen wäre Symptombekämpfung wie es so oft in der Medizin selbst geschieht. Mit einer Einheits KK nähmen wir uns den letzten Rest an Freiheit auch noch weg.

  • am 3.11.2022 um 11:36 Uhr
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    Werbung: Krankenkassen verschwenden unsere Prämien. Wie alt ist denn diese Feststellung und wie oft haben wir sie schon gelesen? Zur Erinnerung: Die öffentliche Krankenversicherung wurde abgelehnt.

    • am 3.11.2022 um 23:27 Uhr
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      Die Propaganda für die Ablehnung der öffentlichen Krankenkasse wurde auch von den Krankenkassen, bzw. den Prämienzahlern, finanziert.

    • am 13.11.2022 um 12:50 Uhr
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      Zum Glück wurde abgelehnt. Eine staatliche KK könnte dann leichter staatliche Massnahmen einführen.
      Nach 3 Jahren «Pandemie» sollte man die Gefahr doch deutlich sehen?
      Da gab es Forderungen, Ungeimpften Leistungen zu verweigern. Es könnte dann noch weiter gehen indem Bürgern mit ungünstiger genetischer Konstellationen höhere Prämien verlangt werden.
      Schon mit dem Obligatorium haben wir ein grosses Stück Freiheit verloren mit einer Staatskasse geben wir das letzte Bisschen auch noch weg. Wer immer noch glaubt es gehe beim Gesundheitswesen nur um Gesundheit hat es nicht kapiert. Es geht um Märkte mit traumhaften Wachstumsquoten.

  • am 3.11.2022 um 12:55 Uhr
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    Die Werbung der Krankenkassen ist mit unseren Prämiengeldern finanziert. Das Kassensystem der Schweiz, finde ich, ist unnötig. Eine Gesundheitskasse alleine würde viele Gelder sparen. Dann könnten die Prämien gesenkt werden.
    Es brauchte keine Werbung. Es brauchte auch deutlich weniger Verwaltungsaufwand.

  • am 3.11.2022 um 13:09 Uhr
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    Die KK-Werbung ärgert mich schon lange und zeigt uns die Perversität unserer Gesellschaft bezüglich Vollkaskomentalität in Sachen «Gesundheit». Eigentlich werben die KK damit für die Krankheit, die eigentlich niemand möchte. Mit dieser Einstellung wird sich weder der Gesundheitszustand der Bevölkerung noch die Prämienhöhe verbessern. Offenbar ist die Werbung umsatzfördernd für die KK, gleichzeitig aber auch für die Kostenträger, die von den Prämien bezahlt werden müssen! Marco Diener hat richtig bemerkt, dass man nicht erkennt, worum es bei der Werbung geht. Ich vermute einfach, dass nur der Name einer KK in unseren Köpfen hängen bleiben soll für den Fall, dass man eines Tages Lust bekommt, auch noch eine Zusatzversicherung abzuschliessen.

  • am 3.11.2022 um 18:45 Uhr
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    Im Falle unserer Krankenkassen wirkt die Werbung tatsächlich fehl am Platz. Und trotzdem: Das ist wohl noch das kleinste Problem unseres Gesundheitswesens. Würde unsere Gesellschaft (wieder) lernen, wie sie sich gesund ernähren könnte, was physische und mentale Gesundheit bedeutet und wann und für was man wirklich ärztlichen Rat benötigt, könnten wir unsere Gesundheitskosten massiv senken. Aber an echter und nachhaltiger Gesundheit haben die wenigsten Akteure unserer Pharmaindustrie ein Interesse. Und die Menschen sind, so scheint’s mir oft, einfach zu faul, sich damit auseinanderzusetzen.

  • am 3.11.2022 um 19:36 Uhr
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    Ich bin Heilpraktikerin und ärgere mich über diese KK Werbungen auch als Kunde. Ein Wahnsinn wieviel Geld hier verpulvert wird. Und die Prämien steigen immer weiter nach oben. Es soll nicht nur unser Körper sondern auch unsere Psyche damit angesprochen werden? Bei gewissen Krankenkassen muss ich begründen, weshalb meine Patienten das VVG beanspruchen und sie entscheiden dann, wieviele Male sie noch meine Dienste in Anspruch nehmen dürfen. Auch wenn ein Limit pro Jahr im Vertrag des Versicherten angegeben ist, heisst das noch lange nicht, das die Sitzungen vollständig bezahlt werden. Diese Art von Werbung kann man sich sparen.

    • am 13.11.2022 um 12:56 Uhr
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      Ich ärgere mich mehr um die Stalking – artige Corona Massnahmenpropaganda. Hat ja alles nichts gekostet? Das dürfte geradezu Hypochonder herangezüchtet haben. Wie war wohl die Entwicklung von Arztkonsultationen in den vergangenen 3 Jahren? Aber hat sicher nicht den geringsten Einfluss auf die Steigerung der Prämien?

  • am 3.11.2022 um 21:08 Uhr
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    Die Krankenkassen verdienen sich goldene Nasen. Ihre Sitze befinden sich an nobelsten Stellen. Und ihre lächerliche Werbung am Fernsehen auffallend zu besten Zeiten!
    Wo ist die Polititk? Wo ist der Bundesrat und wo das Parlament und setzt dem Spuk beim Gesundheistwesen ein Ende?

  • am 4.11.2022 um 11:00 Uhr
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    Krankenkassen braucht es nicht, das Obligatorium sollte abgeschafft werden. Dieses kranke System dient allen Beteiligten nur dazu, Profit zu machen. An Gesundheit und an tieferen Krankheitskosten sind sie nicht interessiert, dann würde ja weniger Geld fliessen. Wie heisst es so schön:
    «Was bringt den Doktor um sein Brot? A die Gesundheit, B der Tod.
    Darum hält er, damit er lebe, uns zwischen beiden in der Schwebe.»
    Besser mit den heutigen Subventionen einen Fonds für Gesundheitskampagnen und für Härtefälle schaffen.

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