Sperberauge

Und dafür zahlen Tamedia-Abonnenten auch noch

Marco Diener © zvg

Marco Diener /  Ein Tamedia-Redaktor isst und trinkt sich durchs Gratis-Angebot am WEF in Davos. Dann schreibt er noch darüber.

Für die Tamedia-Zeitungen waren die Dummheiten von Berner Regierungsräten eine grosse Sache. Auf zwei Seiten berichtete beispielsweise die Berner Zeitung darüber, dass FDP-Regierungsrat Philippe Müller ein Mehrkornbrötli und eine Banane für insgesamt Fr. 1.15 auf die Spesenrechnung gesetzt hatte. Die Tamedia-Zeitungen entlarvten Berner Regierungsräte als kleinliche Profiteure.

Und dann das!

Einen Tag später erscheint in den Tamedia-Zeitungen ein ganzseitiger Artikel unter dem Titel: «Wie ich mich gratis durch Davos ass.» Einleitend schreibt Redaktor Yann Cherix: «Ich habe Hunger und hoffe auf Essen. Meine Möglichkeiten sind aber begrenzt, ebenso mein Wille zu investieren.» Cherix will also nicht investieren, sondern profitieren – wie die kritisierten Berner Regierungsräte.

«Hintergründig und einordnend»

Laut tagesanzeiger.ch ist der Autor «Redaktor des hintergründigen und einordnenden Reportagegefässes Seite 3». Im Laden, in dem sich ein amerikanisches Informatik-Unternehmen eingemietet hat, kümmern ihn Hintergründe und Einordnungen allerdings nicht. Er schreibt: «Ich interessiere mich vor allem für die Lachs-Canapés, die an der leuchtenden Wand neben Gipfeli und Gebäck aufgereiht sind. Laut der Managerin gibt’s die Appetizer den ganzen Tag über gratis.»

Weiter geht er auf seiner Suche nach Gratis-Essen zum Pavillon der Vereinigten Arabischen Emirate: «Die Araber bieten an der Bar Ghawa arabischen Kaffee an. Und Karak – mit Kardamom versetzten Tee. Beide Getränke sind sehr geschmackvoll. Genauso die Patisserie. Safran-Madeleines. Oder Aseeda, ein traditionelles arabisches Dessert aus Kürbis. Balaleet, ein süsses Eigericht.»

Vom amerikanischen Internet-Konzern Meta ist Cherix enttäuscht, wie er einräumt. Dort gebe es «heisse Schokolade. Machen die Araber um 16 Uhr jeweils auch. Nur besser.»

Und so geht es weiter. Über eine ganze Seite.

Nicht zum ersten Mal

Offenbar isst und trinkt sich Cherix nicht zum ersten Mal durchs Gratis-Angebot in Davos. Am Stand des indischen Mischkonzerns Tata rühmt er zwar den Tee. Aber damit hat es sich. Er hält fest: «Sonst enttäuschen die Inder. Im Indian House gab’s jeweils stark gewürzten Chai und jeden Tag verschiedene Currys.»

Cherix’ Fazit: «Ich fühle mich überfressen, überzuckert – und schuldig.»

Weil er eine ganze Zeitungsseite verschwendet hat?


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Keine
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2 Meinungen

  • billo
    am 20.01.2024 um 11:24 Uhr
    Permalink

    Ich verstehe die Aufregung nicht. Ich würde mich eher darüber aufregen, dass Yann Cherix halt kein Tom Wolfe ist und die Satire über eine sattgefressene High Society bei weitem nicht so gut hinkriegt wie die Ikone des New Journalism.

  • am 20.01.2024 um 11:40 Uhr
    Permalink

    Verschwendung einer Zeitungsseite oder nützliche Investition mit der vorsätzlichen Absicht der Ablenkung der Zeitungsleser von den überlebenswichtigen Wirtschaftsthemen wie Konzernverantwortung, weltweite Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch die unermessliche Gier der Großkonzerne und deren Unterwanderung weltweit der staatlichen Hoheiten über überlebenswichtige Ressourcen der Gesellschaft wie Gesundheit der Menschen, Wasser, Boden, Nahrungsmittel, Arbeitskraft, Rohstoffe ? Für die Teilnehmer am WEF ist so ein Artikel Gold-wert. Auch für die Besitzer von Tamedia?

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